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15% Zoll – Ist eine Expansion in die USA noch sinnvoll?

Trotz der aktuell wirtschaftlich ungewissen Zeiten ist das Interesse, in die USA zu expandieren, ungebremst.
Michael Neubauer
Michael Neubauer
15% Zoll – Ist eine Expansion in die USA noch sinnvoll?
© Petra Höfinger

Der Zollstreit der Europäischen Union mit den USA beherrscht seit Monaten das internationale Wirtschaftsgeschehen. Die Finanzmärkte reagierten mit enormen Kursschwan-kungen, Unsicherheit machte sich nicht nur bei Investoren breit, sondern auch bei Unter-nehmen. Nun wurde ein Deal ausgehandelt, der vermeintlich für Klarheit sorgen soll: Auf einen Großteil der von der EU in die USA eingeführten Waren sollen künftig 15% Zölle eingehoben werden. Andere Waren, wie Maschinenteile für die Produktion von Halbleitern oder ausgewählte Chemikalien befinden sich hingegen auf einer 0% Zoll-Liste. Dieser Deal wird von den einen als Erfolg verkauft, von anderen lautstark kritisiert. Vorerst, so scheint es, ist jedenfalls ein Handelskrieg abgewendet. Dennoch sind nach wie vor einige Fragen offen: Die EU beabsichtigt, dass europäische Firmen rund 600 Milliarden Dollar in den USA investieren sollen. Ebenso wurde eine Zusage geleistet, dass Energie in einem Gesamtvolumen von 750 Milliarden Dollar aus den USA nach Europa importiert werden soll. Unklar ist allerdings, ob es sich hierbei um eine tatsächliche Zusage handelt oder diese Zahlen ausschließlich auf Hochrechnungen basieren. Ähnliche „Zusagen“ kennen wir bereits aus der ersten Amtszeit von Donald Trump, als der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker im Rahmen der Verhandlungen über einen Handelsdeal ebenfalls vergleichbare „Importzusagen“ gemacht hat, um zu einem finalen Abschluss des Deals zu kommen.

In diesem Zusammenhang stellt sich für viele international agierende Unternehmen die Frage, ob eine Expansion in die USA sinnvoller wäre: Produktion und Vertrieb soweit möglich vor Ort, Import von in der EU hergestellten Produkten nur soweit es zwingend notwendig ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Rahmenbedingungen vieler Produktions-standorte in Europa zunehmend herausfordernd gestalten. Unter welchen Voraussetzungen ist eine derartige Expansion demnach möglich und ist es tatsächlich erstrebenswert, eine Zweigniederlassung in den USA zu gründen?

Vorauszuschicken ist: Viele europäische Unternehmen haben bereits eine Zweigniederlassung in den USA. Eine komplette „Trennung“ der europäischen Produktion und jener in den USA ist dennoch nicht möglich – so kommt es zum Beispiel vor, dass Autos von europäischen Autoherstellern in den USA (fertig) produziert und in einem nächsten Schritt wieder nach Europa exportiert werden oder, dass für die Produktion in den USA wiederum spezielle Einzelteile importiert, werden müssen, die nur in Europa hergestellt werden. Der US-Markt ist für Unternehmen jedenfalls sehr attraktiv. Ein homogener Markt, ein einheitlicher Kundenstamm mit ähnlichen Bedürfnissen und Investoren, die – wenn auch zurückhaltender als früher – investitionsfreudiger und risikobereiter als Investoren am europäischen Markt sind. Dazu kommt, dass sowohl Standort- als auch Produktionskosten verhältnismäßig gering sind. Ebenso ist Arbeitskraft in den USA wesentlich günstiger und Lohnnebenkosten für Arbeitgeber geringer, als diese in vielen europäischen Ländern, insbesondere Österreich, ausfallen.

Hat sich ein Unternehmen schließlich für die Eröffnung einer Zweigniederlassung in den USA entschieden, gestaltet sich die Gründung einer Gesellschaft in der Regel deutlich unkomplizierter als etwa in Österreich: Es gibt kein Mindeststammkapital, eine Gründung kann durch einen Online-Agenten erfolgen, der die Gesellschaft, sollte dies notwendig sein, in 24 Stunden gründen und errichten kann. Es bestehen wesentlich weniger strenge Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten als jene, mit denen sich österreichische Unternehmer oft plagen. Ebenso ist eine Übertragung von Anteilen relativ formlos möglich und dadurch auch ein rasches Onboarding von Investoren oder umstrukturieren von Gesellschaftsstrukturen möglich. In diesem Zusammenhang sind auch Visa ein wesentliches Thema, wobei es für einen intracompany transfer, demnach dem Wechsel einer Mitarbeiter von der europäischen Niederlassung in die USA, eine Spezialregelung gibt. Dadurch wird es Unternehmen ermöglicht, geschultes Fachpersonal, das das europäische Unternehmen kennt und dadurch wesentlich zum Markteintritt beitragen kann, in die USA zu entsenden.

Trotz der aktuell wirtschaftlich ungewissen Zeiten ist das Interesse, in die USA zu expandieren, ungebremst. Die Außenhandelsstelle der Wirtschaftskammer Österreich ver-zeichnet nach wie vor unzählige diesbezügliche Anfrage. Österreichischen Waren haftet international ein „Qualitätssiegel“ an, wodurch die Nachfrage ungebremst hoch ist. Unter Betrachtung der aktuellen geopolitischen Entwicklungen und der zunehmend unattraktiven Standortbedingungen erscheint eine Expansion in die USA nicht nur als Option, sondern als strategisch kluger Schritt. Der amerikanische Markt bietet nicht nur Größe und Stabilität, sondern auch vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen mit hochwertigen Produkten und innovativen Lösungen. Für exportorientierte (österreichische) Betriebe kann der Schritt über den Atlantik daher ein entscheidender Impuls sein, um langfristig wettbewerbsfähig und international erfolgreich zu bleiben.