Gleich vorweg: auch in Deutschland wird derzeit eine lebhafte Diskussion rund um das Thema leistbares Wohnen geführt. „Vor allem in den „Big Five“ und den Universitätsstädten“, sagt Andreas Gräf, Geschäftsführer formart GmbH & Co KG. Seine Einschätzung bestätigt auch eine aktuelle Studie der Deutschen Hypothekenbank, die die fundamentalen Faktoren hinter dem seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts anhaltenden deutlichen Anstieg der Mieten und Preise aufzeigt. Einerseits sei infolge des Zuzugs von Bildungsmigranten und Menschen aus dem Ausland sowie des Anstiegs der Haushaltseinkommen die Nachfrage deutlich gestiegen. Andererseits entwickelten sich die Wohnungsfertigstellungen jahrelang rückläufig. Damit nicht genug: Weiter angeheizt wurden die Preise durch die zinsenbedingte Flucht ins Betongold.
Um der rasanten Preisentwicklung entgegenzutreten, hat die deutsche Bundesregierung im vergangenen Oktober die Mietpreisbremse beschlossen. Seit Jahresbeginn darf bei der Wiedervermietung einer Bestandswohnung die zulässige Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Davor waren maximal 15 Prozent erlaubt. Diese Regelung betrifft allerdings nur Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt und nur über die nächsten fünf Jahre. Weiters ausgenommen sind neue und umfassend sanierte Wohnungen. Mit der Kappungsgrenze soll eine weitere Regelung Haushalte mit geringem Einkommen in den Boomregionen schützen. Konkret dürfen dort Mieterhöhungen auf das ortsübliche Niveau über einen Zeitraum von drei Jahren nicht über 20 Prozent ausfallen. Außerhalb der Brennpunktstädte liegt dieser Erhöhungsspielraum bei 15 Prozent.
„Ob die gesetzliche Mietpreisbremse einen Beitrag zur Diskussion um leistbares Wohnen leisten wird, sei jedenfalls dahingestellt“, sagt Carsten Jungk, Geschäftsführer Wüest & Partner. Tatsächlich gibt es – abseits der emotionalen Ebene – einige wesentliche Kritikpunkte an der Regelung. So ist für viele Experten die ortsübliche Vergleichsmiete ein ungenauer Referenzpunkt. Zu unscharf wäre darüber hinaus die Definition von „Modernisierung“ oder „angespannter Wohnungsmarkt“. Die Regelung bekämpfe nur die Symptome, nicht aber die Ursachen für die Mietpreisentwicklung, hieß es von einer anderen Seite. Vielmehr sollten unter anderem Bundesstädtebauförderungen erhöht werden, das Wohngeld an die tatsächliche Miet-entwicklung angepasst, Bauland und –kosten günstiger sowie im Eigentum des Bundes stehende Immobilien nicht mehr zum Höchstpreis veräußert werden.
Stichwort Wohnbauförderung. „Insgesamt kann man sagen, dass die Mittel in den letzten Jahren eher zurückgegangen sind“, sagt Jungk. Mangels entsprechender Mittel hätte es etwa in Berlin in den vergangenen zehn Jahren keine Bautätigkeit im öffentlich geförderten Bereich gegeben. In anderen Bundesländern habe es hingegen durchaus Programme gegeben. Festzuhalten ist jedenfalls, dass der von der öffentlichen Hand geförderte Wohnbau in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt ist. Grundsätzlich erfolgen Förderungen über zwei Wege: Mietzuschüsse für den Vermieter als Kompensation für die geringere Miete sowie vergünstigte Darlehen für die Entwickler bzw. Errichter. Für letzteres verpflichten sich die Vermieter über einen bestimmten Zeitraum – in der Regel 20 bis 25 Jahre – die Wohnungen zu niedrigen Mieten zwischen rund 5,50 und 8,50 Euro pro Quadratmeter anzubieten. Freilich dürften die Mieter gewisse Einkommensgrenzen nicht überschreiten und benötigten einen Wohnberechtigungsschein.
Wer ist in Deutschland für den geförderten Wohnbau zuständig? Laut Gräf sind hier die Hauptakteure der kommunale Wohnungsbau sowie diverse Genossenschaftsorganisationen. „Allerdings fließt in den geförderten Wohnbau durchaus privates Geld“, meint der Experte. Auch würden fertige Objekte an institutionelle Investoren und Stiftungen verkauft. Für sie sei die Sicherheit interessant und die Aussicht, nach dem Ablauf der vorgeschriebenen Frist die Wohnungen zum frei finanzierten Niveau vermieten zu können. Wie Gräf erklärt, würden jedes Jahr 250.000 neue Einheiten errichtet, die 35 Millionen geförderten Wohnungen gegenüber stünden. Bei Projekten, für die neues Baurecht benötigt würde, müsste in den deutschen Bundesländern im Übrigen ein fixer Prozentsatz an geförderten Wohnungen errichtet werden.
Der Mietmarkt kann in den Niederlanden ohne Übertreibung als „stark reguliert“ bezeichnet werden. Zwar können Mieter den Mietpreis jedes Jahr erhöhen, allerdings dürfen sie dabei bestimmte, behördlich festgesetzte – und regelmäßig an die Inflationsrate angepasste – Mietsteigerungsraten nicht überschreiten. Die Bewertung einer Wohnung – und in weiterer Folge die Festlegung des Mietpreises – erfolgt mittels eines auf bestimmten Normen basierenden Punktesystems. Wer eine Wohnung neu bezieht und die Miete als zu hoch ansieht, kann diese innerhalb von sechs Monaten nach Unterzeichnung des Mietvertrags beanstanden. Das gesetzliche Punktesystem dient auch im Falle von Mietpreiserhöhungen nach Renovierungen als Grundlage.
Mieter mit geringem Einkommen können in den Niederlanden Mietzuschüsse beantragen. Sofern der Vermieter eine Privatperson ist, ist der Mieter für die Einreichung des entsprechenden Antrags bei der zuständigen Gemeinde verantwortlich. Handelt es sich beim Vermieter hingegen um die öffentliche Verwaltung, eine Institution oder einen Gewerbetreibenden, so muss dieser den Antrag einreichen. Bewilligt werden die Mietzuschüsse von der niederländischen Finanzverwaltung. Auffallend hoch ist in den Niederlanden jedenfalls mit rund 32 Prozent der Anteil des sozialen Wohnbaus am gesamten Wohnungsbestand. Zum Vergleich: in Deutschland sind es lediglich 5 Prozent. Damit sind die Niederlande in dieser Hinsicht im europäischen Vergleich Spitzenreiter. Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf eine geförderte Wohnung liegt bei 38.000 Euro.
Der englische Wohnmarkt ist traditionell stark eigentumslastig geprägt. Allerdings hat sich der private Mietmarkt seit den frühen Nuller Jahren auf knapp 20 Prozent verdoppelt. Der Hintergrund dieser Entwicklung: Angesichts des drastischen Anstiegs der Immobilienpreise, können sich immer weniger – vor allem junge – Menschen leisten, in den sprichwörtlich eigenen vier Wänden zu leben. Nicht umsonst wird dieser Tage auf der Insel von der „Generation Rent“ gesprochen. In England und Wales handelt es sich bei den meisten Mietverträgen jedenfalls um „Assured Shorthold Tenancies“ (ASTs). Sie sind im Normalfall auf ein Jahr begrenzt. Während dieses Zeitraums werden Mieterhöhungen oder –anpassungen in der Regel nicht vorgenommen. Räumt ein AST dem Mieter die Option auf eine Verlängerung um ein oder zwei Jahre ein, so kann die Miete erhöht werden.
Privatvermieter können im Falle eines AST grundsätzlich den Mietpreis verlangen, den der Markt hergibt – der „Rent Act“, der darauf abzielte, Wohnungsmieter vor zu drastischen Preiserhöhungen zu schützen, wurde 1988 aufgehoben. Eine hitzige Diskussion über die Einführung von Mieterhöhungsgrenzen ist derzeit in Gange. Maßnahmen wie das „Affordable Homes Programme“ oder das „National Affordable Housing Programme“ zielen jedenfalls darauf ab, leistbaren Wohnraum für weniger prall gefüllte Geldbörsen zu schaffen. Dazu kommen der soziale Wohnbau, in dem in ganz Großbritannien rund 17 Prozent der Haushalte leben, sowie der von Kommunen oder gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften geförderte Wohnbau. Der von ihnen jedes Jahr geschaffene Output reicht jedoch bei weitem nicht aus, um mit der Nachfrage Schritt zu halten.
Schweden wird – im Übrigen nicht nur in Österreich – bekanntlich in vielerlei Hinsicht gerne als Vorbild dafür strapaziert, wie man es richtig macht. In der Wohnbaupolitik ist das nicht anders. Anstelle des „Sozialbaus“ wurde in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg der Begriff des „Öffentlichen Wohnbaus“ geprägt. Ziel war es, verschiedene Bevölkerungsgruppen zwecks Integration unter einem Dach zusammenzubringen. Dementsprechend wurde auch nicht auf Einkommensgrenzen geachtet. Beim EU-Beitritt Schwedens wurde auch vereinbart, dass das eigene System der Festlegung des Mietpreisniveaus beibehalten werden darf. Demnach wenden sich Vermieter und Mieter, für den Fall, dass keine Einigung erzielt werden kann, an regionale Mietpreistribunale. Als Vergleichswert für einen angemessenen Mietpreis zogen diese gemeinnützige Wohnungen heran.
[caption id="attachment_562" align="aligncenter" width="640"] © Fotolia / Marco2811[/caption]Leidtragende dieses Systems waren Privatvermieter, die ihre Wohnungen günstiger vermieten mussten. Über die European Property Federation (EPF) wandten sie sich 2005 dann an die EU-Kommission. Die Beschwerde betraf jedenfalls nicht nur das Mietpreisniveau, sondern auch die – aus Sicht der Vermieter – wettbewerbsverzerrenden staatlichen Garantien für Darlehen an öffentliche Wohnbaugesellschaften. Mit der letztlich erzielten Einigung müssen seit Anfang 2010 auch die privaten Wohnungsmieten bei der Ermittlung des durchschnittlichen Mietpreises berücksichtigt werden. Heute lebt noch jeder siebente Schwede in einer Sozialwohnung. Insgesamt zeichnet der öffentliche Wohnbausektor für knapp 20 Prozent des gesamten Wohnungsbestands sowie die Hälfte des Mietsektors verantwortlich.
Tendenz: rückläufig.