Da fallen Aussagen wie „das kann man den Österreichern nicht wegnehmen“ oder in Umfragen sprechen sich extreme Mehrheiten für das Einfamilienhaus aus. Da laufen wir Gefahr, dass niemand den Mut findet, sich dagegen zu stemmen, damit Zersiedelung und Flächenverbrauch nicht weiterhin erfolgen dürfen. Ich habe schon in einigen Gesprächen, Vorträgen und Publikationen versucht, inhaltlich auf die Konsequenzen dieser Wohnform einzugehen und damit gegen das Einfamilienhaus Stellung genommen. Freundlich wurde das nicht aufgenommen, es ist wirklich schwierig. Ich getraue mich aber, eine kurze Analyse der Bedürfnisse, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, zu formulieren: Eine Familie, mit oder ohne Kinder, möchte im Eigentum, mit Nähe zur Natur, also eigenem Garten, (eher) ungestört, für sich allein, also nicht einsehbar, mit großer Wohnfläche, also jedem sein Zimmer und ausreichend Platzreserven, jedenfalls unterkellert u.v.m. wohnen. Vielleicht denken auch viele an die Art und Weise, wie früher Gutsherren oder Adelige gewohnt haben, ein Gebäude inmitten der umliegenden Ländereien.
Was wir daraus machen: Wir bauen auf immer kleiner werdenden Grundstücken viel zu große Häuser mit Grünstreifen vorne und auf den Seiten und einem kleinen Garten dann hinter dem Haus. Wir erreichen maximale Einsicht von allen Seiten, die wir mit schnell wachsenden Hecken verdecken wollen, die uns unendliche Gartenarbeit bescheren. Gerüche und Geräusche kommen weiter zu uns und die Nichteinsehbarkeit nimmt uns jeden Ausblick. Der Keller wird vollgeräumt mit Dingen, die wir großteils nicht mehr brauchen, und das viel zu große Haus, meist zwei Wohngeschosse, wird nach dem Ausziehen der Kinder nur mehr im Erdgeschoss bewohnt, das obere Wohngeschoss muss trotzdem gereinigt werden. Wir verbrauchen viel Grund und Boden, die Orte dehnen sich unermesslich aus, wir bauen Infrastruktur mit sehr langen Wegen, deren Erhaltung wir uns nicht mehr leisten können, um dann im Alter zu vereinsamen, weil die Wege zu den gesellschaftlichen Treffpunkten zu weit werden. Wir verbrauchen viel Energie für viel Wohnraum, der oft nur teilweise genutzt wird – und sanieren nicht.
Nun ist der Bewohner, der kein Fleisch isst, nur mit dem Fahrrad fährt und in der Stadt wohnt, aus ökologischer Sicht das Optimum. Der Zeitgeist schon seit 2015 und nun beschleunigt durch Corona führt jedoch zu einer Stadtflucht und Wohnen auf dem Land, d.h. noch mehr Einfamilienhäuser, mehr Autos etc.
Wir müssen die Zielsetzungen hinterfragen, um vielleicht zu festzustellen, dass Wohnen im verdichteten Flachbau, mit geschlossenen Straßenzügen, einem L-förmigen Baukörper mit nicht einsehbarem Eigengarten – also ein Zurück in die Ortskerne – ein guter Weg wäre, individuell zu wohnen und einigermaßen ökologisch zu bleiben. So wie es schon die „Alten“ gemacht haben. Nein zur weiteren Zersiedelung und weiteren Aufschließung von Baugründen, ja zur Belebung der Ortskerne, Nutzung schon versiegelter Flächen durch Verkleinerung der Siedlungsgebiete. Es ist möglich, wir müssen aber die Diskussion über Inhalte und Zielsetzungen führen.
Ich vertraue auf den Verstand.
Michael Pisecky ist Geschäftsführer der s Real und Obmann der Wiener Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder.