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Alles in einer Hand

Brigitte Fiedler und Thomas Fastenrath, WISAG, erklären im Interview mit dem ImmoFokus, warum es schwer ist, Unternehmen für das Facility Management zu begeistern, und geben dennoch positive Ausblicke auf die Zukunft.
Michael Neubauer

Vertrauenssache. Brigitte Fiedler und Thomas Fastenrath, WISAG, erklären im Interview mit dem ImmoFokus, warum es schwer ist, Unternehmen für das Facility Management zu begeistern, und geben dennoch positive Ausblicke auf die Zukunft.

Wie sehen Sie den Facility-Management-Markt in Österreich im Vergleich zu Deutschland? Es heißt, wir hinken dem deutschen Markt noch immer ein wenig hinterher?

Thomas Fastenrath: Ein wenig?

Brigitte Fiedler: Ein wenig ist vielleicht ein bisschen untertrieben. Wir hinken hinterher, definitiv. In Deutschland ist FM schon viel weiter. Der Österreicher gibt generell schwer etwas aus der Hand.

Ist das eine Frage des Vertrauens?

Fiedler: Eine Frage des Vertrauens und des vermeintlich geglaubten Machtverlusts.

Warum tun sich die Deutschen da leichter?

Fastenrath: Die Deutschen sind auf diesem Gebiet einfach weiter. Aber wenn man über internationales Facility Management spricht, sind ganz klar die Vorreiter amerikanische, englische und vielleicht noch skandinavische Unternehmen. Der Trend kommt von dort. Vor allem die größeren Unternehmen sind stark „top down“ ausgerichtet – das heißt, sie haben irgendwo ihren Chef des FM, im Idealfall gleich für die ganze Welt. Diese erwarten, dass ihr FM-Dienstleister genauso aufgestellt ist. Ziel dieser großen Konzerne ist ganz klar die Reduzierung des Personal- und Administrationsaufwandes.

Österreichische Unternehmen sind in der Regel kleiner, mehrheitlich auch eigentümergeführt. Da gibt es auch schon mal einen Eigentümer, der Spaß daran hat, selbst mit den Lieferanten zu verhandeln, Ausschreibungen zu machen.

Oft wird das Einsparungspotenzial ins Treffen geführt. Geht es den österreichischen Unternehmen noch zu gut, dass sie dieses Potential nicht heben wollen?

Fastenrath: Aus unserer Sicht ist die Antwort eindeutig „Ja“. Obwohl das natürlich etwas unfair ist. Aber: Das ist in Deutschland nicht anders. Wir haben im letzten Jahr auch eine Mittelstandsoffensive in Deutschland gestartet. Diese Mittelständler sind wirklich schwer zu überzeugen. Weil, a priori, ein externer Facility Manager auf den ersten Blick gar nicht preiswerter zu kommen scheint. Die Einsparung kommt erst aus dem gemeinsam aufgesetzten Prozess. Daraus, dass wir Urlaubsvertretungen stellen, nicht mehr zehn verschiedene Lieferanten und 100 Positionen nachkontrolliert werden müssen, sondern im Idealfall nur eine. Es ist auf den ersten Blick nicht sichtbar, das kommt erst mit der Zeit. Diesen Schluss können viele Mittelständler noch nicht ganz nachvollziehen.

Fiedler: Umso besser man einen Kunden kennt, umso intensiver man zusammenarbeitet, umso mehr Einsparungspotenziale kann man gemeinsam realisieren. Da geht es nicht nur um Fragen der Technik. Schon allein, wenn man den Bereich Reinigung hernimmt: Es wäre ja kompletter Mumpitz, jeden Tag ein Büro zu reinigen, dass nur zwei Mal die Woche besetzt ist. Früher wurde das einmal festgelegt, ein Leistungsverzeichnis erstellt und so war es. Wenn man sich mit dem Kunden einmal zusammensetzt und das Leistungsverzeichnis in Hinblick auf Technik, Sicherheit und Reinigung anpasst, dann kann man wirklich Kosten sparen.

Wenn der Kunde glücklich ist, weil er 20 Prozent weniger zahlt, dann sind wir es auch.

20 Prozent  –  ein Durchschnittswert?

Fiedler: 20 Prozent Einsparung im Gebäudemanagement kann man fast immer erzielen, wenn man die Intervalle anpasst an die Kundenbedürfnisse. Das ist ein Erfahrungswert.

Fastenrath: Es kommt auch auf die Ausgangslage an. Wenn schon einmal etwas gemacht worden ist, ist es weniger, das ist klar.

Im Vorjahr wurde von der WISAG Deutschland die Sparte Energie Contracting an die Energie Steiermark verkauft. Ist Energie Contracting kein Geschäft? Zu Beginn gab es einen regelrechten Hype … 

Fastenrath: Es ist ein riesen Hype gemacht worden. Wir haben aber festgestellt, dass die Anzahl der wirklich gewonnenen Kontrakte viel geringer war, als das, was man selbst erwartet hat. Irgendwann hat man festgestellt: Es geht nicht so weiter, wie man sich das vorstellt, und dann hat der Inhaber eben sich zum Verkauf entschlossen.

Wo sehen Sie den aktuellen Trend im FM?

Fiedler: Eindeutig im Bereich Digitalisierung. Hier stehen wir erst am Anfang.

Fastenrath: Digitalisierung ist ja ein großes Schlagwort. Da versteckt sich irgendwie alles dahinter. Digitalisierung um jeden Preis macht keinen Sinn. Wir – und auch unsere Mitbewerber – verwenden computergestützte CAFM-Softwaretools. Wir versuchen, Anwendungen in diese Systeme zu integrieren, wo wir denken, dass es Sinn macht. Angefangen bei Ticketing-Systemen über Reklamationssysteme, die dann auch IT-übergreifend direkt mit den Anwendungen der Kunden kommunizieren. Das ist dann konkret ein Added Value.

Das geht allerdings nur, wenn auch der Kunde mitspielt. Hängt die Zustimmung von der Unternehmensgröße ab?

Fiedler: Es gibt große Kunden, die FM schon einige Zeit lang betreiben – in Eigenregie oder outgesourct. Die haben solche Systeme auch an Bord. Da kommt es dann auf den Einzelfall an, ob wir mit unserem System andocken oder ob wir das System des Kunden benutzen.

Fastenrath: … oder der Kunde auch nur Teilbereiche unseres Systems nutzt. Da gibt es sehr individuelle Lösungen. Natürlich wollen die Kunden auch wissen, was mit ihren Daten passiert – wo diese zum Beispiel gespeichert werden.

Je kleiner ein Kunde ist bzw. je weniger er sich in der Vergangenheit mit dem Thema bislang beschäftigt hat, umso eher ist er bereit, seine Daten „aus der Hand“ zu geben“. Der ist dann froh, keine eigene Entwicklung betreiben oder sich eine eigene Software zulegen zu müssen.

Damit schnellen die Anlaufkosten aber in die Höhe?

Fastenrath: Das ist eine logische Konsequenz. Bei uns ist es üblich, dass wir im ersten Jahr sehr knapp kalkulieren, weil wir immer mehr an Leistung erbringen, als vertraglich vereinbart. Das versuchen wir dann in den Folgejahren wieder zu normalisieren. Das ist ja klar.

Gibt es da einen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland im Verhalten, wie mit den eigenen Daten umgegangen wird?

Fastenrath: Wir haben ja eingangs festgehalten, dass wir gegenüber Deutschland ein paar Jahre hinten nach sind. Logischerweise hängen wir auch hinten dran mit den Daten, die wir im FM dann an irgendjemanden outsourcen. Ob das ein eigener Effekt ist oder ob das zusammenhängt, das mag ich nicht beurteilen. Ich denke, es hängt mit dem generellen Trend zusammen.

Was mir aufgefallen ist in den vier Monaten, in denen ich intensiver hier arbeite, bzw. in den zwei Jahren, wo ich zumindest regelmäßig Gast war, ist: Ich habe immer gedacht, die Bürokratie in Deutschland wäre schon schlimm – ich bin hier definitiv eines Besseren belehrt worden. (lacht)

Haben Sie ein konkretes Beispiel für mich?

Fastenrath: Wenn wir Verträge übernehmen im Facility Management, dann übernehmen wir ja auch die Betreiberverantwortung, die Betreiberhaftpflicht. Damit sind wir auch erster Ansprechpartner für die Behörden. Der Aufwand, den wir hier betreiben müssen, ist deutlich höher als in Deutschland. Es ist aber wirklich so: Die Behörden bzw. die Personen, die dort arbeiten, haben eine unglaublich hohe Verantwortung und Entscheidungsbefugnis. Wir haben letztens ein neues Hotel eingerichtet bzw. sind in der Einrichtung und dann kommen die Vertreter der Behörde. Es gibt welche, die nicken alles ab – ich drücke es jetzt ein bisschen schwarz und weiß aus – und es gibt andere, die bis in den kleinsten Krümel eine 30-seitige Mängelliste haben. Da hat man dann keine Chance, da raus zu kommen, und man kann auch kaum diskutieren.

Da ist man in Deutschland flexibler?

Fastenrath: Da ist man in Deutschland etwas flexibler, denke ich. Es gibt insgesamt weniger Vorschriften – die sich in Österreich teilweise auch widersprechen. Wenn es hier irgendwelche Hygienevorschriften oder Energieverordnungen gibt und auf der anderen Seite den Denkmalschutz oder Ensembleschutz – dann widerspricht sich das manchmal.

Was sind Ihre Pläne für die kommenden Jahre?

Fiedler: Wir möchten auf alle Fälle wachsen und ob das jetzt auch zum Teil durch eine Erweiterung ist oder eine Sparte dazu kommt, die wir jetzt vielleicht noch nicht abdecken – das ist genauso möglich, wie dass wir kleinere Firmenzukäufe machen in unserem bestehenden Gewerbe.

Fastenrath: Klar ist: Für die WISAG ist Österreich der wichtigste Auslandsmarkt. Trotz aller Unterschiede gibt es auch einige Gemeinsamkeiten. Österreich ist für uns ein wichtiger Markt. Das Marktpotenzial ist da. Outsourcing steht hier vielleicht noch ein bisschen hinten an. Das müsste der Branche in den nächsten Jahren auch in die Händen spielen. Wir sind einer der ganz wenigen, die wirklich alles aus eigener Hand anbieten. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, dass wir ausbauen wollen. Daher sind wir auch ganz guter Dinge und – wie schon gesagt –  wir würden auch eine Akquisition nicht ausschließen.

Ist organisches Wachstum möglich – oder muss man kaufen, um weiterzuwachsen?

Fiedler: Wir sind in Österreich, bis auf einen kleinen Firmenzukauf in den 90er Jahren, nur organisch gewachsen. Man kann definitiv organisch wachsen. Es ist schwierig, aber es geht. Es kann auch notwendig sein, einmal Know-how zuzukaufen. Zum Beispiel, wenn man nie etwas im medizinischen Bereich gemacht hat. Da mag es vorteilhafter sein, zuzukaufen. Vielleicht dann nicht immer in der (Umsatz-)Größe, wie man gern möchte.

Fastenrath: Ich sehe es optimistischer. Um ein Beispiel zu nennen: Vor einigen Wochen haben wir intern über das Thema Winterdienst gesprochen, das auch ein Teil des Portfolios ist. Wenn ich bei null anfange, dann würde mich das sehr viel Geld und viel an Zeit kosten –  für ein, vorsichtig ausgedrückt, renditeschwaches und mit hohem Risiko versehenes Geschäft. Organisches Wachstum geht hier nicht. Wenn man bei null anfängt, muss man sich durchbeißen und lange Vorlaufzeiten einkalkulieren, damit man auf vernünftige Zahlen kommt. In unserem Bereich spielt das Gesetz der kritischen Masse eine wichtige Rolle.

Steht die Branche vor einer Konsolidierung? Viele kleinere Familienunternehmen finden keine Nachfolger – typische Übernahmekandidaten?

Fastenrath: Ja, definitiv. Die Frage ist nur, wie schnell? Das denken wir schon seit zehn Jahren. Aber was ich schon sagen kann: Wir bekommen regelmäßig Kaufangebote herein. Das betrifft insbesondere Dienstleister, die nur ein Gewerk abbilden. Die sehen auch, dass man hier den direkten Draht zum Kunden verliert. Damit wird man auch immer erpressbarer und austauschbarer.

Und wo kann man in Österreich noch organisch wachsen?

Fiedler: Ich würde sagen Linz und Graz. Das sind die Regionen, wo man aufgrund der Industriegebiete, die es dort gibt, das größte Potenzial sehen kann.

In welchen Sparten wächst die FM-Branche aktuell am stärksten?

Fiedler: Die Sparte Sicherheit ist in den letzten Jahren aufgrund der politischen Großwetterlage extrem gewachsen. Das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben. Sicherheit ist heute auch eine Haftungsgeschichte. Versicherungsprämien sind oft schon gebunden an ein ordentliches Sicherheitssystem. Das ist natürlich immer ein Vorteil für uns.

Wie komme ich zu gutem Personal? Immer wieder wird Kritik an der mangelnden Ausbildung von Sicherheitskräften laut … 

Fiedler: Da versuchen wir uns definitiv abzuheben. Wir sehen uns unsere zukünftigen Mitarbeiter genau an. Ohne polizeiliches Führungszeugnis gibt es auch keine Anstellung

Fastenrath: Ich empfinde FM als ein unheimlich spannendes Feld. Man hat jeden Tag mit anderen Personen und anderen Problemen zu tun. Ich glaube, der Beruf wird unterschätzt. Es gibt Handlungsbedarf –  uns sterben die Handwerker weg. Jeder, der keine akademische Laufbahn einschlagen will, sollte sich die FM Branche ansehen. Ich bewundere unsere Mitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt stehen. Diese müssen auch ein kaufmännisches Grundverständnis haben. Es ist so ein bisschen die Eier legende Wollmilchsau, die wir von unseren eigenen Mitarbeitern erwarten.