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Am Bau lebt sich’s gefährlich

Jeder fünfte Arbeitsunfall passiert am Bau, damit liegt dieser Sektor bei den Unfallraten weit über dem Durchschnitt. Dennoch sind Anzahl und Schwere der Unfälle tendenziell rückläufig. Sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter scheinen mehr Wert auf Bewusstseinsbildung und Achtsamkeit zu legen.
Thomas Malloth

Jeder fünfte Arbeitsunfall passiert am Bau, damit liegt dieser Sektor bei den Unfallraten weit über dem Durchschnitt. Dennoch sind Anzahl und Schwere der Unfälle tendenziell rückläufig. Sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter scheinen mehr Wert auf Bewusstseinsbildung und Achtsamkeit zu legen.

Die Zahlen der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) aus 2014 - aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor - zeigen einen Trend: 17.742 von 93.394 Arbeitsunfällen in Österreich passierten am Bau bzw. bei baunahen Tätigkeiten. Etwa 60 von 1000 Beschäftigten in dieser Branche erleiden im Schnitt im Jahr einen Arbeitsunfall. Weitere Spitzenreiter sind etwa die Abfallbeseitigung, die Metallindustrie oder die Forstwirtschaft. Betrachtet man die Entwicklung im Jahresverlauf – 2010 bis 2014 – zeigt sich jedoch, dass die Anzahl der Unfälle leicht rückläufig ist: Verunfallten im Jahr 2010 18.087 Personen (oder 18,27 Prozent aller Arbeitsunfälle) im Baugewerbe – 21 davon tödlich – lag diese Zahl 2014 bei 17.742 Personen (19 Prozent), 17 davon mit tödlichem Ausgang. Noch immer ist diese Zahl zu hoch, aber immerhin.

Maurer am gefährdetsten

Die meisten Unfälle – nämlich mehr als die Hälfte - passieren, wenn Baustellen vorbereitet oder errichtet werden: die gefährlichen Arbeiten reichen von Abbrucharbeiten über Bauinstallationsarbeiten bis zu klassischen Baugewerbetätigkeiten von Tischler bis Schlosser. Obwohl: Die am meisten gefährdete Berufsgruppe sind die Maurer mit 3.762 Arbeitsunfällen pro Jahr, gefolgt von den Bauspenglern und Sanitär- und Heizungsinstallateuren, den Zimmerern und Bautischlern, den Bauhilfsarbeitern und Elektroleitungsinstallateuren. Aber auch jeweils zwischen 300 und 700 Maler, Dachdecker, Schlosser, Boden- und Fliesenleger, Bauelektriker, Tiefbauer und Betonierer verunfallten 2014 am Bau. Insgesamt kamen 111 Personen seit 2010 bei oder in Folge eines Arbeitsunfalls im Bauwesen zu Tode – auch hier die meisten von ihnen bei „Vorbereitenden Baustellenarbeiten“ oder Bauinstallationen. Wenn sich die Bauarbeiter verletzen, dann eher an den oberen Extremitäten: Oberflächliche Verletzungen, Zerrungen und Frakturen sind hier die häufigsten Unfallfolgen.

Apropos Unfallfolgen. Ein Blick auf die Kostenstatistik zeigt, dass ein Arbeitsunfall am Bau durchschnittlich knapp 24.000 Euro kostet. Die Unternehmen tragen von den insgesamt 440 Millionen Euro jährlichen Unfallfolgekosten (dazu zählen Renten oder Unfallfolge-Behandlungen) gut ein Achtel oder 55 Millionen Euro.

[caption id="attachment_6498" align="aligncenter" width="300"]Arbeiter mit Sicherheitsschuhen tritt in einen Nagel (c) Fotolia[/caption]

Gesetze helfen

Unternehmen und Mitarbeiter begründen den leichten Rückgang bei Arbeitsunfällen am Bau unterschiedlich. „Die Anzahl der Arbeitsunfälle geht seit Jahren zurück. Besonders schwerste und tödliche Unfälle inklusive Wegunfälle nehmen ab“, interpretiert Wolfgang Birbamer, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Bau Holz Wien, die Entwicklung. Er führt die „positive“ Entwicklung auf strengere Regelungen sowohl auf EU als auch auf nationaler Ebene zurück. Freilich sieht auch er das Verständnis für Arbeitnehmerschutz in den Betrieben gestiegen: „Vor Jahren eingeleitete Maßnahmen zeigen Wirkung.“ Wie „ernst“ nehmen seiner Meinung nach Bauunternehmen das Thema Sicherheit? Birbamer: „Arbeitnehmerschutz hat generell einen höheren Stellenwert erlangt. Viele Firmen haben erkannt, dass ihnen verletzte Mitarbeiter teuer zu stehen kommen: Bezahlung, Entgeltfortzahlung, Ersatzarbeitskraft …“Arbeitssicherheit gilt ja für alle Unternehmen, die in Österreich tätig sind, gleichermaßen. Ortet er spezielle Probleme gerade in der Baubranche durch Unternehmen bzw. Mitarbeiter aus dem benachbarten Ausland? „Viele Beschäftigte aus anderen Ländern und Kulturkreisen kennen die österreichischen Schutzvorschriften nicht bzw. haben viele von den auf Baustellen eingesetzten Materialien, Maschinen und Geräten noch niemals gesehen und kennengelernt. Eine Erstunterweisung ist oftmals schwierig bzw. wird nicht verstanden“, erläutert der Gewerkschafter den Usus, dass „non-verbale Unterweisungen“ oft die Regel sind: „Meist ist ein Kollege der Sprache mächtig und übersetzt für die restliche Arbeitsgruppe.“

Hört man den Bau- und baunahen Unternehmen zu, liegt die Latte für Arbeitssicherheit am Bau hoch. Alexander Boubal, Abteilungsleiter Managementsysteme bei Reinigungsprofi Simacek, sieht gerade für den Bereich Sonderreinigung die hohe Bedeutung der Sicherheit und erläutert die Herausforderung an einem Beispiel: „Wir haben nichts mit Gruben ausbaggern oder Gerüstarbeiten bei einem Rohbau zu tun. Jedoch ist das Objekt fertig gebaut, kommen unsere Reinigungskräfte in das Gebäude und führen eine sogenannte Endreinigung - Glasreinigung, Bodengrundreinigung - durch. Das Hauptproblem dabei ist für uns, dass das Objekt eventuell nur teilweise bzw. nur einzelne Stockwerke fertig gebaut wurden. Nacharbeiten von den Handwerkern oder Arbeiten in anderen Stockwerken sind voll im Gange, wie z.B. Liftarbeiten, Elektroarbeiten, Schweißarbeiten. Diese Arbeiten bedeuten für ein Gebäude und die darin befindlichen Personen große Gefahren.“ Ein weiterer großer Nachteil ist für Boubal, dass Baustellen als solche oft nicht mehr erkennbar sind, wenn z.B. Beschilderungen frühzeitig abgenommen werden. Wie funktioniert bei Simacek Unfallvermeidung? Boubal: „Das Verständnis der Unterweisungen wird durch einen Multiple Choice-Test kontrolliert und nachweislich festgehalten. Es werden auch stichprobenartige Kontrollen für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften durchgeführt.“ Eine Vorgangsweise, die freilich Geld kostet. Billiganbieter können da nicht mithalten, ist Boubal überzeugt: „Arbeitssicherheit kostet Geld. Diese Kosten werden durchaus durch gezielte Einschränkung oder nicht sorgfältige Durchführung minimiert. Unternehmen versuchen ständig, an der Grenze des noch Erlaubten zu wandern. Risikofreudigkeit ist bei jenen, die noch keinen schwerwiegenden Arbeitsunfall hatten bzw. noch keine Verwaltungsstrafen erhielten, noch immer sehr groß.“

Steigende Anforderungen

Auch bei Österreichs größtem Bauunternehmen, der Strabag, gilt Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten als zentrales Anliegen. Jochen Berger, für die Arbeitssicherheit in Österreich zuständig, erklärt dies so: „Wir verpflichten uns in unserer Sicherheits- und Gesundheitsschutzpolitik zur Aufrechterhaltung und ständigen Verbesserung der Standards zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz für alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die von unseren Aktivitäten Betroffenen, einschließlich der Öffentlichkeit.“ Und dieses Vorhaben ist oft nicht so einfach. „Steigende Anforderungen, wie z.B. immer mehr Verantwortung und weniger Bauzeit sowie Überregulierung, sind die Herausforderungen - für Führungskräfte ist das kaum mehr zu überschauen.“ Was hat sich zu diesem Thema besonders in den letzten Jahren verändert? Berger: „Die Gesetzgebung wurde zum Teil sehr detailliert, teilweise überschießend - der Dokumentationsaufwand steigt. Schwerpunkte waren in den letzten Jahrzehnten techniklastig, wie z. B. Gerüste oder der Umgang mit Arbeitsgeräten. Heute liegen die Schwerpunkte eher beim Verhalten und der psychischen Belastung der Mitarbeiter sowie bei der gesunden Führung von Baustellen“, erzählt Berger auch von unternehmenseigenen Initiativen, mit denen die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten erhalten werden sollen: Sicherheitsschulungen, die im Vorfeld und während der Bautätigkeit durchgeführt werden, E-Learning Schulungen, die Grundwissen zu den Themen betriebliche Organisation, Arbeitsplatzgestaltung sowie Unfall und Notfallorganisation vermitteln oder auch Kooperationen mit Arbeitsmedizinern. Auch die Strabag führt laufend sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Begehungen durch die Präventivfachkräfte durch, im Rahmen derer die Mitarbeiter über Arbeitssicherheit unterrichtet und auf dieses Thema sensibilisiert werden.

Sicherheit als Wettbewerbsvorteil

Auch bei Porr ortet man, dass das Thema Sicherheit am Bau extrem an Bedeutung gewonnen hat, wie Hans Wenkenbach, COO der Porr AG und verantwortlich für den Bereich Arbeitssicherheit, erzählt: „Durch zahlreiche Maßnahmen unserer Arbeitssicherheitsexperten ist das Thema mittlerweile weitestgehend in den Köpfen unserer Kolleginnen und Kollegen auf den Baustellen verankert. Herausfordernd sind jene Situationen, in denen eine schnelle, unkomplizierte Lösung einer sicheren, dafür aufwändigeren Variante gegenübersteht. Genau hier setzt unsere „Null Unfälle“-Bewusstseinsbildungskampagne an.“ Regelmäßigkeit sieht Wenkenbach als Schlüssel zum Erfolg an: „Wir sehen, dass regelmäßige Schulungen und eine offene Kommunikation die beste und nachhaltigste Wirkung zeigen. Herausforderungen zu thematisieren, konkrete Unfallhergänge gemeinsam zu analysieren und vor allem die Auseinandersetzung mit „Beinahe-Unfällen“ oder gefährlichen Situationen lenken die Aufmerksamkeit auf kritische Situationen und mögliche Unfallvermeidungsstrategien.“ Von Einsparungen auf Kosten der Arbeitssicherheit hält man bei Porr nichts, so Wenkenbach weiter: „Als Premium-Anbieter sind wir für unseren hohen Qualitätsanspruch bekannt. Und der gilt natürlich auch im Bereich Arbeitssicherheit. Das macht uns als Arbeitgeber für die besten Fachkräfte attraktiv. Insofern hat sich Arbeitssicherheit für uns als Wettbewerbsvorteil herauskristallisiert“.