Das Durchschnittsalter deutscher Wohnimmobilienbestände ist hoch, der Sanierungsstau immens. Zusätzlich nehmen die Vorgaben zur Klimaneutralität Gestalt an und setzen Eigentümer älterer Wohnimmobilien in Zugzwang. Gleichzeitig schwächeln die Immobilienwerte, besonders für ältere Immobilien mit Sanierungsbedarf. Lassen sich Wohnimmobilienbestände dennoch wertsteigernd managen? Darüber diskutierten auf einem von RUECKERCONSULT organisierten Online-Panel vier Experten: Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer der INDUSTRIA, Dominik Barton, CEO der Barton Group, Gerhard Lehner, Head of Germany bei Savills Investment Management, und Einar Skjerven, CEO der Skjerven Group.
Gewaltiger Sanierungsstau, aber Objekte dennoch vermietbar
Gegenwärtig ist der Wohnimmobilienmarkt von gegenläufigen Entwicklungen geprägt: Einerseits sind nach der Zinswende die Immobilienwerte unter Druck, andererseits ist die Nachfrage nach Wohnraum enorm. „In meinem Heimatmarkt Berlin beispielsweise gibt es keinen Leerstand. Daher lassen sich – leider – auch unsanierte Objekte ohne Weiteres vermieten“, sagt Einar Skjerven. Aber ist dies auch nachhaltig? „Wohnen war viele Jahre als Investment zu einfach. Viele Eigentümer haben jahrzehntelang mitunter nur wenig in die Bestände investiert. Deshalb und aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Bestandsgebäude sind umfassende Sanierungen zwingend notwendig“, erklärt Gerhard Lehner. Dominik Barton ergänzt: „Es gab zwar eine Verschärfung der ESG-Regulierung, aber die harte Sanierungsverpflichtung ist abgemildert. Dennoch liegt es in der Verantwortung des Eigentümers, seine Immobilien auf dem Stand der Technik zu halten.“
Hohe Nebenkostenbelastung in unsanierten Beständen
Um Immobilienwerte zu heben, würde man unter normalen Umständen umfangreich sanieren. Aber lohnt es sich aktuell, Wohngebäude zu sanieren? „Wegen des höheren Mietniveaus rechnen sich komplette Refurbishments in der Regel in A- oder B-Städten, aber in C-Städten wegen der dort niedrigeren Mieten nicht unbedingt. Sie werden darunter leiden, dass dort möglicherweise weniger in den Bestand investiert wird“, sagt Barton. Lehner pflichtet ihm bei: „Die Miete wird sich in den schwächeren Lagen nicht so schnell steigern lassen, um einen Return on Investment innerhalb von zwei bis vier Jahren realisieren zu können. Doch wir alle haben eine soziale Verantwortung, für jeden einen gewissen Wohnkomfort herzustellen. Das ist das S in ESG.“ Auch Ahlborn weist auf die soziale Komponente dieser Entwicklung hin: „In Bestände mit ohnehin schlechtem Standard, wo die Kaltmiete niedrig ist, wird nicht investiert werden. Die Bewohner, die oft ohnehin schon unter finanziellem Druck stehen, werden zusätzlich noch mit höheren Nebenkosten belastet. Ich kann nur an die Branche appellieren, dass sie Wege findet, auch an Standorten zu investieren, wo sich eine Sanierung nicht unmittelbar rechnet. Hier müssen wir auch auf die Politik einwirken.“
Der Ruf nach staatlicher Unterstützung war unter den Diskussionsteilnehmern ansonsten eher verhalten. Barton: „Ich finde, die Privatwirtschaft muss das aus eigener Kraft umsetzen. Staatliche Förderung ist außerdem derzeit mit vielen Unsicherheiten behaftet. Schlussendlich muss sich aber jedes Investment rechnen und eine entsprechende Rendite erwirtschaften.“ Skjerven: „In Deutschland gibt es viel weniger Planungssicherheit bei staatlichen Zuschüssen als in anderen Ländern.“ Das mache sich auch bei der Nachfrage internationaler Investoren bemerkbar. Dennoch sei der deutsche und speziell der Berliner Wohnimmobilienmarkt weiterhin für internationale Anleger attraktiv. Interesse gibt es vor allem von institutionellen Investoren aus Großbritannien, den USA und Fernost.
ESG-Investitionen rechnen sich nicht unmittelbar, aber langfristig
Auch ohne unmittelbare Sanierungsverpflichtung steht die Branche unter Druck: Laut dem European Green Deal muss der Gebäudebestand bis 2050 klimaneutral werden, was mittelfristig umfangreiche Investitionen nach sich ziehen wird. Institutionelle Investoren haben das durchaus im Blick, auch wenn sich ESG-Investitionen aktuell oft nicht unmittelbar rechnen. „Wir haben Investoren, die aktuell sehr stark darauf aus sind, ihre Wohnungsbestände energetisch zu sanieren. Uns fordern Investoren auf, mehrjährige ESG-Capex-Pläne zu erstellen“, berichtet Lehner. Nicht zuletzt deshalb sollte die Anlage in Wohnimmobilien immer einen langfristigen Horizont haben, mindestens zehn Jahre, idealerweise mehrere Jahrzehnte.
Ahlborn: „Auch unsere institutionellen Anleger haben in der Regel einen Horizont von mindestens zehn Jahren. Damit lassen sich Businesspläne mit umfangreichen Investitionen über mehrere Jahre aufstellen. Dafür ist erstens relevant, in welchen Lagen sich die einzelnen Assets in einem Portfolio befinden, weil das ausschlaggebend ist für die zukünftige Mietentwicklung. Zweitens ist die Mietvertragsstruktur entscheidend: ob sie Modernisierungsumlagen zulässt oder nicht. Der dritte elementare Faktor ist, ob sich das, was geplant ist, auch technisch umsetzen lässt.“
Barton führt aus: „Die Zeiten sind vorbei, in denen man eine Immobilie nur ‚gedreht’ hat. Einen Immobilien-Wohnfonds muss man eher als Evergreen denken. Die Wohnimmobilie ist nicht der Renditetreiber in einem Portfolio und darf es auch grundsätzlich nicht sein, sondern sie dient als Stabilitätsanker. Man darf heute auch nicht mehr nur auf Wertsteigerung setzen. Mieterhöhungen und Indexierungen sind essentiell, um gegen einen fallenden Markt arbeiten zu können und um eine Netto-Rendite erwirtschaften zu können.“
Skjerven ergänzt: „Wir müssen neben der Eigenkapital- auch die Fremdkapitalseite berücksichtigen. Banken schauen sich aktuell beispielsweise ganz genau die Energieausweise an. Es ist auch eine Form von Value Add, wenn man mit Investitionen in Energieeffizienz einen höheren Beleihungsauslauf oder bessere Finanzierungskonditionen bekommen kann.“
Asset Manager brauchen digitalisierten Property Manager
Wesentlicher Erfolgsfaktor für die Immobilienbewirtschaftung ist das Property Management. Das hoben alle Diskussionsteilnehmer hervor. Ahlborn konkretisierte das für die INDUSTRIA: „Wir haben fünf unserer acht Spezialfonds in Artikel 8 umgewandelt. Das war nur in dieser Geschwindigkeit möglich, weil wir das Property Management im Haus haben. Denn man muss die Details zu jedem einzelnen Objekt kennen.“ Dabei haben sich die Anforderungen, die Asset Manager an das Property Management stellen, verändert: „Wir brauchen einen Fokus auf ESG. Außerdem ist Digitalisierung eine wichtige Anforderung, die wir stellen. Da fallen mittlerweile einige Anbieter durchs Raster“, sagt Lehner. „Gut ist, dass die Mieter heute viel technologieaffiner sind als früher. Denn gerade in der Mieterkommunikation lassen sich viele Routineaufgaben digital erledigen, etwa mit Chatbots. Geschwindigkeit ist ein wichtiges Thema im Property Management, gerade beim Mieterwechsel“, sagt Skjerven. Die Barton Group erbringt in großen Teilen das Facility Management eigenständig. Dazu Dominik Barton: „Der Facility Manager ist unerlässlich, wenn es darum geht, die direkte Mieterbetreuung vor Ort zu gewährleisten.“