Im Wiener Landesgericht ist am Dienstag der Auftakt zum Prozess gegen den früheren Wiener Grün-Politiker Christoph Chorherr sowie weitere teils prominente Angeklagte aus der Immobilienbranche erfolgt. In dem Verfahren geht es um Bestechungsverdacht. Spenden für einen Verein sollen mit Widmungen im Zusammenhang stehen. Geständnisse werden in dem Verfahren aber nicht zu erwarten sein, das kündigten die Verteidiger heute bereits an. Die Beschuldigten waren noch nicht am Wort.
Chorherr muss sich seit Dienstag mit neun weiteren Angeklagten bzw. einigen Verbänden vor einem Schöffensenat (Vorsitz Richter Michael Tolstiuk) verantworten. Der frühere Gemeinderatsabgeordnete, der zum betreffenden Zeitraum unter anderem Planungssprecher seiner Fraktion war, soll von namhaften Unternehmern bzw. Firmen Zahlungen für einen von ihm initiierten gemeinnützigen Verein gefordert oder angenommen haben. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den neun Mitangeklagten Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor. Zu letzteren gehören unter anderem der Investor Rene Benko, der Industrielle Michael Tojner und die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler. Chorherr soll für das Herbeiführen entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse Spenden an den Verein S2Arch erhalten haben bzw. sollen ihm solche versprochen worden sein.
Die gemeinnützige Organisation hat in Südafrika zwei Schulen, Behinderten-Einrichtungen sowie mehrere Kindergärten errichtet. Die betreffenden Vorgänge fanden von 2011 bis 2018 statt, damals waren die Grünen auch Teil der Stadtregierung. Von der Anklage umfasst sind Spenden in Höhe von insgesamt 1,6 Mio. Euro. Jeweils 100.000 Euro sollen Firmen um Benko und Kerbler bezahlt haben, Tojner werden 56.100 Euro, Soravia 15.000 Euro zugerechnet.
Chorherr, so versicherte sein Verteidiger Richard Soyer, sei der Meinung gewesen, dass man mit den Bürgern der Stadt auf Augenhöhe kommunizieren solle - auch mit Bauwebern. Er habe die Arbeitshypothese vertreten, dass nur so die Interessen der Stadt bestmöglich gewahrt werden könnten. Es sei ihm um qualitäts- und anspruchsvolle Projekte gegangen. Niemals seien Ansinnen an ihn gestellt worden, für Spenden Gegenleistungen zu erbringen. Es sei immer mit offenen Karten gespielt worden.
Die Vorgänge würden keine Anklage rechtfertigen. Der Anwalt begründete die Tatsache, dass 2011, also kurz nach Regierungseintritt der Grünen in Wien, die Spenden angestiegen seien: Dies habe damit zu tun, dass Chorherr ab diesem Zeitpunkt öffentlichwirksamer aufgetreten sei.
Jedoch: Chorherr habe sich schon 2003 bzw. 2004 für "diese Sache" entschieden, also für sein Engagement in Afrika. "So einfach kann man es sich nicht machen", bekrittelte der Anwalt die Anklageschrift. "Es sind nur Spekulationen zu Lasten des Angeklagten." Es hätten auch nicht wohlhabende Personen gespendet, hob er hervor. Dass Unternehmer solche Projekte mitfinanzieren, sei ebenfalls nicht unanständig. Den Prozess kritisierte Soyer als "Hochamt".
Der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sah dies völlig anders. Jeder in Wien habe gewusst, dass man gegen Spenden bekomme, was man wolle. Dafür gebe es nun Beweise. Konversationen von Tojner würden etwa belegen, dass davon ausgegangen worden sei, dass man Einfluss auf die Politik nehmen könne, "um sein Projekt durchzubringen". "Ohne Magister Chorherr kein Projekt, so einfach ist das", zeigte sich der Anklagevertreter überzeugt. "Zeigen sie uns, dass der Kampf gegen Korruption kein sinnloser ist", bat er die Schöffen.
Ganz fehlerfrei sei das Vorgehen seines Mandanten tatsächlich nicht gewesen, befand selbst der Verteidiger. Chorherr hätte die Vereins-Obmannschaft schon vor 2011 zurücklegen müssen. Die Botschaft sei angekommen. Dies sei "nicht zeitgemäß", es sei sogar falsch gewesen, das nicht schon früher zu tun. Darum habe man im Verfahren auch um Diversion angesucht. Diese wäre rechtlich zulässig gewesen, ohne Schuldspruch und unter Wahrung der Unschuldsvermutung. Chorherr hat erst 2018 seine Funktionen im Verein zurückgelegt.
Anwalt Karl Liebenwein führte für seinen Mandanten Michael Tojner aus, warum die Anklage seiner Ansicht nach zu Unrecht erhoben wurde. Im Zentrum der Vorwürfe steht das - berühmte und nicht unumstrittene - Heumarkt-Projekt beim Hotel Intercontinental. Dieses Verfahren habe sich über viele Jahre gezogen, betonte der Verteidiger. Und alle Schritte seien stets öffentlich und transparent durchgeführt worden.
Tojner habe das Areal revitalisieren wollen. Viele Personen seien damit befasst gewesen, nicht nur Chorherr. Dieser sei ein Gemeinderatsmitglied wie 99 andere gewesen, betonte Liebenwein. Der Flächenwidmungs-Beschluss im Gemeinderat sei 2017 erfolgt. Spenden und Zuwendungen an den Verein bzw. das afrikanische Schulprojekt Ithuba seien nicht in Zusammenhang damit gestanden. "Es gibt nicht einen einzigen Ermittlungsschritt in diese Richtung."
Tojner habe bei einem Geburtstagsfest für - den ebenfalls angeklagten - Unternehmer Erwin Soravia bzw. deren Schwester auf Bitte der Ausrichter des Festes für soziale Zwecke gespendet. Später, also erst nach dem Beschluss im Gemeinderat, habe er privat dem Ithuba-Projekt geholfen. Tojner habe sich bemüht, den Schulbetrieb zu sichern.
Erwin Soravias Verteidiger Markus Fellner ging näher auf die inkriminierte Geburtstagsfeier für die Zwillingsgeschwister in den Sofiensälen ein. Sie hat nicht nur Tojner, sondern auch zwei weiteren Angeklagten, darunter einem Vorstand der Soravia-Gruppe, Vorwürfe eingebracht. Die Gäste beim großen Fest 2017 sind demnach ersucht worden, zu spenden. Zur Auswahl sei ein österreichisches Projekt und eben Ithuba gestanden. Man konnte damals direkt Zuwendungen tätigen oder Kunstwerke kaufen, wie Fellner ausführte.
Ithuba sei der Familie Soravia bekannt gewesen, weil man immer wieder soziale Projekte unterstützt habe. Der Verein sei in der Einladung erläutert worden, es habe sich um keine "klandestine" Aktion gehandelt. Ein Zusammenhang etwa mit dem vom Unternehmen betriebenen Wohnturm-Projekt "Triiiple" im dritten Bezirk bestehe nicht, beteuerte der Anwalt. Diese seien zwei Jahre vorher bewilligt worden.
Der Anwalt des Immo-Entwicklers Günter Kerbler, Johann Pauer, erläuterte wiederum die Geschehnisse rund um ein Projekt in der Seestadt Aspern. Für dieses sei eine Ausnahme von einer Bausperre gewährt worden, was jedoch ein Formalakt sei, wie versichert wurde. Denn für das Areal in dem Stadtentwicklungsgebiet habe es noch keinen Bebauungsplan gegeben. Objekte, die dort errichtet worden sind, hätten darum solche Ausnahmen benötigt. Das habe auch andere Gebäude betroffen. Spenden an den Verein seines langjährigen Freundes Chorherr habe Kerbler unabhängig davon getätigt.
Ein Projekt am Wiener Hauptbahnhof steht im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Rene Benko bzw. die Signa-Gruppe. Verteidiger Stefan Prochaska betonte nicht nur, dass Benko zum damaligen Zeitpunkt nicht mit Chorherr in Kontakt war, sondern verwies auch auf den - wie er beteuerte - völlig rechtmäßigen Ablauf der entsprechenden Ausschreibung bzw. der anschließenden Widmung.
Diese sei keinesfalls eine "Wunschwidmung" gewesen, sondern eine Festlegung der Bebauungsbestimmungen. Eingereicht hätten unter anderem Signa und die ÖBB. Für Ithuba hat Benko laut seinem Rechtsvertreter 100.000 Euro gespendet. Die Empfehlung sei von einem seiner Finanzberater, Wilhelm Hemetsberger, gekommen, der sich sehr für die Initiative eingesetzt habe.
Benko bzw. Signa würden seit vielen Jahren immer wieder verschiedene Einrichtungen unterstützen, erläuterte sein Anwalt. Das habe Hemetsberger gewusst, der Benko darum auf Ithuba angesprochen habe. Hemetsberger selbst gehört ebenfalls zu den Angeklagte in dem Großverfahren. Dessen Anwalt Michael Rami hob heute hervor, dass Hemetsberger schon viel Geld in sein "Lebensprojekt" investiert habe. Die strafrechtlichen Vorwürfe wies er zurück.
Der Prozess wird am kommenden Montag - erneut im großen
Schwurgerichtssaal - fortgesetzt. Dann werden auch erste Einvernahmen
der Angeklagten auf dem Programm stehen. Insgesamt wurden bis zum 20.
Dezember elf Verhandlungstage anberaumt. (apa)