Die Umsätze des stationären Einzelhandels werden kaum je wieder auf das Niveau von vor der Corona-Krise steigen. Durch die Abhängigkeit der Mieten von den Umsätzen der Händler wird für einige Einzelhandelsbranchen eine dauerhafte Mietreduktion erwartet. Das zeigt die aktuelle bulwiengesa-Analyse Auswirkungen des Shutdown auf die Einzelhandelsmieten sowie eine darin publizierte eigens erstellte Modellrechnung.
„Der Corona-Effekt beschleunigt den Strukturwandel im Einzelhandel. Ein Teil des Einzelhandelsumsatzes, der während des Shutdowns an den Onlinehandel abgegeben wird, bleibt dauerhaft für den stationären Einzelhandel verloren“, so Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel bei bulwiengesa.
Eine Folge des Umsatzrückgangs sind langfristige Mietreduktionen. Offen ist die Frage, in welcher Höhe sich der aktuelle Shutdown auch längerfristig auf die Mieten im Einzelhandel auswirken wird. Die Umsatzentwicklung nach der Shutdown-Phase hängt entscheidend von der Geschwindigkeit des „Hochfahrens“ ab.
Neben Mieten und Nebenkosten sind die Personalkosten und natürlich Wareneinstandskosten die herausragenden Kostenblöcke. Da Warenbeschaffung – der Hauptkostenblock – und Personalkosten kaum zu reduzieren sein werden, bleiben die Miet- und Mietnebenkosten. Hier dürfte das Gros der Einzelhändler ansetzen.
Mit Beginn der Shutdown-Phase haben viele der betroffenen stationären Einzelhandelsunternehmen ihre Mietzahlungen eingestellt oder reduziert. Nach dieser Phase werden weitere Abstimmungen zwischen Vermietern und Mietern anstehen. Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien müssen sich bei Mietern bestimmter Branchen, z. B. Mode und Bekleidung, Schuhe und Lederwaren, Hausrat und Haushaltswaren, Spielwaren, Elektronik sowie Uhren und Schmuck, auf niedrigere Mieten einstellen. In welcher Höhe diese Reduktion schließlich ausfällt, ist gegenwärtig schwer auszumachen.
Um einen ersten Anhaltspunkt zur möglichen Höhe der Mietreduktion zu erhalten, hat bulwiengesa eine Modellrechnung zur Umsatzentwicklung im stationären Einzelhandel erstellt. Einzelhandelsmieten orientieren sich in erster Linie am Umsatz. Das kommt in der Miet-Umsatz-Belastung (RSR, Rent-to-Sales-Ratio) zum Ausdruck. Ein Anstieg der RSR kann aus einer Umsatzschwäche bei konstanter Miete oder einer Mietsteigerung bei konstantem Umsatz resultieren.
bulwiengesa hat zwei Szenarien gerechnet: ein Basisszenario sowie das Szenario „Langes U“. Die Wirkungen beider Szenarien wurden für die Umsatzentwicklung der Hauptwarengruppen im Einzelhandel eingeschätzt.
Soll der Einzelhandelsmieter im Jahr 2020 und 2021 mit derselben Miet-Umsatz-Belastung wie im Jahr 2019 kalkulieren können, so ist die Miete im selben Maße wie der Umsatzrückgang anzupassen. Wird beispielsweise ein Umsatzindex von 90 ausgewiesen, so ist die Miete gegenüber dem Jahr 2019 um 10 Prozent abzusenken, damit der Einzelhandelsmieter wieder mit der identischen Mietbelastung wie vor der Corona-Krise operieren kann.
Pauschalisieren lassen sich Mietreduktionen nicht, sondern müssen mit Augenmaß und individualisiert vorgenommen werden. Allein die Shoppingcenter-Branche muss sich auf Mietreduktionen von rund 75 Mio. Euro p. a. einstellen. Dies erfordert ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Mieter und Vermieter, in dem der Mieter mit offenen Karten spielt und dem Vermieter auch Einblicke in seine Kostenstrukturen gewährt.