Ein Bauprojekt in Grafenwörth (Bezirk Tulln), wo Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl Bürgermeister ist, sorgt weiter für Aufsehen. Vor dem Hintergrund umstrittener Grundstücksverkäufe gab es zuletzt Kritik am ÖVP-Politiker. Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Tulln leitete ein aufsichtsbehördliches Prüfungsverfahren ein. Der Zeithorizont für dessen Ende ist noch offen, hieß es auf APA-Anfrage. Riedl selbst bestreitet indes die Vorwürfe.
Stein des Anstoßes ist das Projekt "Sonnenweiher Grafenwörth". Mit mehr als 200 Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern sowie kleinen Seehäusern entsteht es rund um einen etwa 36.000 Quadratmeter großen Foliensee im Weinviertel. Medienberichten zufolge soll Riedl im Grünland am Rand von Grafenwörth zwei Grundstücke erworben und später zwei angrenzende Felder als Treuhänder des Bauträgers dazu gekauft haben.
Neun Liegenschaften für das Projekt wurden schließlich per Gemeinderatsbeschluss in Bauland umgewidmet. Riedl soll mit dem Verkauf von davon betroffenen Grundstücken rund eine Million Euro verdient haben. Ins Treffen geführt wurde von den NEOS die Tatsache, dass Riedl im Aufsichtsrat der Niederösterreichischen Versicherung sitze. Das Unternehmen ist mit 74 Prozent Mehrheitseigentümer des Bauträgers VI-Engineers Bauträger GmbH & Co KG. Kritik an der Optik des Deals gab es zuletzt zudem seitens der Bundes-Grünen sowie via Ö1-"Morgenjournal" von Gemeindevertretern aus mehreren Bundesländern.
Während die Raumplanungsabteilung des Landes Niederösterreich das Projekt ursprünglich durchgewinkt hatte, wie auch der ORF berichtete, leitete nun die BH Tulln ein aufsichtsbehördliches Prüfungsverfahren gemäß Paragraf 85 der NÖ Gemeindeordnung ein. "Die Frist für die Gemeinde zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen beträgt vier Wochen. Nach Vorlage der Gemeinderatsprotokolle, Beschlüsse, etc. erfolgt eine Prüfung auf das gesetzmäßige Zustandekommen der Beschlüsse gemäß Paragraf 92 NÖ Gemeindeordnung", betonte Bezirkshauptmann-Stellvertreterin Renate Giller-Schilk in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Bis wann Resultate feststehen, blieb offen. "Der Zeitraum der Überprüfung ergibt sich u.a. aufgrund des Umfanges der vorgelegten Unterlagen", hieß es. Über das Prüfverfahren hatte zuerst die "WZ" ("Wiener Zeitung") berichtet.
Riedl selbst wies die bereits 2021 medial bekanntgewordenen Vorwürfe stets zurück und sprach u.a. davon, dass ein Teil der Grundstücke über Jahrzehnte im Familienbesitz gestanden sei. Ähnlich äußerte sich der Gemeindebund-Präsident auch auf APA-Anfrage. "Ich bin mir keiner Schuld bewusst", betonte Riedl. Alle Punkte im Zusammenhang mit dem Projekt seien "transparent abgelaufen". Zum aktuellen Vorgehen der BH wurde betont, dass alles geprüft werden dürfe.
Walter Leiss, Generalsekretär des Gemeindebundes, meinte im Ö1-"Mittagsjournal", dass es immer Profiteure von einer Umwidmung gebe. Er sieht keinen Handlungsbedarf - weder beim Gemeindebund noch bei den Kompetenzen der Gemeinden. Es sei nach den rechtlichen Vorgaben gehandelt worden, das Projekt sei mehrfach geprüft worden und es sei keine rechtliche Handhabe gegeben, um Fehlverhalten festzustellen, meinte Leiss.
WWF Österreich ortete in einer Aussendung mangelndes Problembewusstsein des Gemeindebundes in Bezug auf bodenfressende Bauprojekte wie jenes in Grafenwörth. "Der Gemeindebund will den Skandal herunterspielen. Dabei zeigt gerade dieses Projekt ganz klar, dass es strengere und vor allem verbindliche Regeln in der Raumordnung auf Bundes- und Landesebene braucht", sagte WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories: "Denn solange Gemeinden allein über Flächenwidmungspläne entscheiden, aber dabei primär Steuereinnahmen durch eine Ausdehnung der Siedlungs- und Gewerbegebiete anstreben, wird das Problem weiterhin bestehen." Gemeinden sollten auch in Zukunft mitbestimmen, aber nicht mehr allein entscheiden dürfen. (apa)