Die steigende Inflation, hohe Zinsen und strengere Regeln für die Kreditvergabe machen den Erwerb von Eigentum zunehmend schwieriger. Die Bausparkassen sehen darin bereits eine "dramatische Situation", der gegengesteuert werden müsse. Ein Hebel wäre aus ihrer Sicht die Anhebung der Höchstgrenze für Bauspardarlehen. Auch bei der KIM-Verordnung, die strengere Vergabekriterien für Wohnkredite festlegt, sehen die Vorstände der Bausparkassen Verbesserungspotenzial.
Der Erwerb von Eigentum sei "ein Vorsorgethema, ein gesellschaftspolitisches Thema - das ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben", sagte die Wüstenrot-Generaldirektorin Susanne Riess-Hahn am Donnerstag. Vor allem für junge Familien sei es im Zuge der jüngsten Veränderungen der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit fast unmöglich, neues Eigentum zu erwerben. Das mache sich auch am Finanzierungsmarkt - nicht nur bei den Bausparkassen - bemerkbar, wo die Nachfrage im Zuge der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) massiv zurückgegangen sei.
Die Bausparkassen wünschen sich daher eine Anhebung ihrer Darlehensgrenze. "Wir haben seit 2010 eine Verdoppelung der Preise in etwa, die Darlehensobergrenze ist aber nur um 30 Prozent gestiegen", so Riess-Hahn. Derzeit liege die Darlehens-Obergrenze der Bausparkassen bei 240.000 Euro, das entspreche zu den aktuellen Marktpreisen für Immobilien jedoch einer Differenz von rund 170.000 Euro. Eine angemessenere Obergrenze wäre aus Sicht der Bausparkassen bei rund 350.000 Euro gelegen.
Weiters brauche es zusätzliche Nachbesserungen bei der KIM-Verordnung, die bisher angekündigten Lockerungen seien noch nicht weit genug gegangen. Riess-Hahn strich unter anderem die vollständige Anrechnung von bestehenden Immobilien als Sicherheit hervor. Mit der jüngsten Lockerung können diese nur zu 80 Prozent angerechnet werden.
Die von der KIM-VO festgelegten Vorschriften für die Eigenmittel und Schuldenquote seien dagegen kein allzu großes Problem, sind sich Riess-Hahn und Christian Reingruber, Vorstandsvorsitzender der s Bausparkasse und derzeit Vorsitzender des Bausparkassenverbands Österreich (BVO), einig. "Die 40 Prozent (Rückzahlungsrate gemessen am verfügbaren Nettoeinkommen, Anm.) sind keine schlechte Regelung, wir wollen aber nur eine Ausnahme haben für Junge", so Reingruber. Hier wäre mehr Flexibilität wünschenswert - angepasst an die zu erwartenden Einkommensdynamik bei Jungen. "Das würde schon deutlich helfen", so Reingruber.
Begrüßt wird von den Bausparkassen dagegen die Forderung des Finanzministers, die Grunderwerbssteuer für den Erstkauf einer Immobilie bis zu 500.000 Euro entfallen und die Eintragungsgebühr streichen zu lassen. "Wir unterstützen das sehr, das ist vor allem für junge Familien und gerade für den Ersterwerb eine wichtige Initiative", sagte Riess-Hahn.
Trotz der Schwierigkeiten beim Immobilienerwerb erlebt Bausparen derzeit ein "Comeback". Die Zahl der neu abgeschlossenen Bausparverträge lag im Jänner und Februar 2023 bei 107.900, nach 61.500 Neuverträgen im Jänner und Februar des Vorjahres. Das ist ein Plus von 75 Prozent. Vergleicht man das vierte Quartal 2021 mit dem vierten Quartal 2022 ergibt sich eine Wachstumsrate bei den Neuverträgen um 14 Prozent. Derartig hohe Wachstumsraten habe man in den letzten zehn Jahren nicht mehr gesehen, sagte Reingruber. Er rechnet damit, dass sich dieser Trend auch in den kommenden Monaten fortsetzen wird.
Das Gesamtjahr 2022 lief indessen nicht so rosig wie das Schlussquartal alleine. 2022 reduzierte sich die Zahl der neu abgeschlossenen Bausparverträge auf 395.097, im Jahr 2021 waren es noch 447.989 Neuverträge. Auch die Bauspareinlagen gingen auf 14,8 Mrd. Euro zurück, nach 15,6 Mrd. Euro 2021. Die Finanzierungsleistung stieg dagegen von 2,8 Mrd. Euro auf 3,7 Mrd. Euro an.
In der Bevölkerung ist Sparen und im speziellen Bausparen dennoch weiterhin ein fester Bestandteil des Sparverhaltens. Laut einer Integral-Umfrage (im Auftrag des BVO) unter 1.000 Befragten haben 4 von 10 Personen aktuell einen Bausparvertrag. Rund ein Viertel der Befragten (24 Prozent) plane in den kommenden zwei Jahren einen weiteren oder neuen Bausparer zu eröffnen.
Gespart wird der Umfrage zufolge vor allem um auf Unerwartetes vorbereitet zu sein (70 Prozent), um ein Gefühl der Sicherheit zu haben (55 Prozent), aber auch um Geldreserven im Alter zu haben (40 Prozent). Generell geht der Trend beim Sparen mittlerweile eher in Richtung Vorsorge und weg von einem konkreten Ansparziel, so Marcus Kapun, Vorstand der start:bausparkasse. Das gelte über alle Altersgruppen hinweg.
Forderungen an die Regierung hinsichtlich der Leistbarkeit von Immobilien stellte heute auch die Freiheitliche Wirtschaft. Die hohen Zinsen, die Inflation und die strengen Kreditvergaberegeln sorgten nicht nur für eine Kreditklemme bei den Kunden, sondern würden auch die Finanzierung von Bauprojekten erschweren. Das bedrohe den Sektor, der auch für viele Arbeitsplätze sorge. "Es benötigt erschwingliche Finanzierungen, die keine unüberbrückbaren Richtlinien aufweisen, um Investitionen in diesem Bereich zu ermöglichen", schreibt Reinhard Langthaler von der Freiheitlichen Wirtschaft in einer Aussendung. Der Staat solle beispielsweise Haftungen und Bürgschaften anbieten, um Planungssicherheit zu gewährleisten, so Langthaler. (apa)