Nach mehrmonatigen Vorarbeiten, zwei umfassenden Begutachtungsverfahren und dem zwischenzeitlich bereits erfolgten Beschluss in der Sitzung der Wiener Landesregierung wurden am 13.Mai 2014 die Gesetzesentwürfe zur Wiener Bauordnung zur Beschlussfassung vorgelegt. „Die Neuregelungen umfassen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die wesentliche und auch richtungsweisende Verbesserungen im Wiener Baurecht bringen“, betonten Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und Gemeinderat Christoph Chorherr in einer gemeinsamen Präsentation des juristischen Großvorhabens. Dabei setzt die Politik auf drei Hauptthemen: Kostengünstiges Bauen und Wohnen, Verbesserungen im Bereich der Ökologie und der Sicherheit sowie Neuregelungen in Sachen Wohn- und Lebensqualität. Eine Übersicht.
Durch die Möglichkeit, die Widmung „Bauland“ nur befristet festzulegen, soll verhindert werden, dass Grundflächen mit Baulandwidmung von ihren Eigentümern insofern „gehortet“ werden, als sie nicht oder nicht in absehbarer Zeit bebaut werden. Somit soll dadurch eine bodenmobilisierende Wirkung erzielt werden. Sofern die Baubewilligung innerhalb der Frist nicht erwirkt wird bzw. danach wegen Nichtkonsum erlischt, verfällt auch die Widmung.
Wien wächst und benötigt neben zusätzlichen Wohngebäuden auch neue Infrastruktur wie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Erholungsflächen, Verkehrswege und Versorgungseinrichtungen. In der Wiener Bauordnung wird eine rechtliche Grundlage geschaffen, um in Zukunft privatrechtliche Verträge mit den GrundeigentümerInnen abzuschließen. Darin werden gegenseitige Verpflichtungen zur Schaffung von Infrastruktur transparent festgelegt. Mit der Möglichkeit des privatrechtlichen Vertragsschlusses zwischen der öffentlichen Hand und privaten Bauträgern wird ein zentrales Werkzeug zur Steuerung städtebaulicher Projekte geschaffen.
Maßnahmen für kostengünstiges Bauen und Wohnen
Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau“: Die Schaffung einer eigenen Widmungskategorie für förderbaren Wohnbau soll Wohnraum mobilisieren. In diesem Widmungsgebiet dürfen nur Bauten errichtet werden, die die bautechnischen Spezifikationen in Anlehnung an die Wohnbauförderung erfüllen – etwa Wärmeschutz und Nutzflächenbeschränkung pro Wohneinheit.
Dachgeschoßausbauten für Wohnzwecke, soweit diese mit einer „Ansteilung“ („Aufklappung“) des bestehenden Daches (auch eines Flachdaches) verbunden sind, sind künftig auch dann möglich, wenn dadurch die zulässige Gebäudehöhe, Bestimmungen des aktuellen Bebauungsplanes über die gärtnerische Ausgestaltung der Grundfläche oder Baufluchtlinien nicht eingehalten werden, sofern dadurch die bestehende Gebäudehöhe nicht überschritten wird. Der Ausführung dürfen städtebauliche Rücksichten nicht entgegenstehen.
Die verpflichtende Errichtung von Notkaminen ist für jene Gebäude nicht mehr vorgesehen, für die das Baubewilligungsverfahren nach Inkrafttreten der Techniknovelle 2007 (d.h. ab dem 12. Juli 2008) eingeleitet wurde. Die Abschaffung dieser Verpflichtung, die nicht nur eine Senkung der Errichtungskosten sondern auch Einsparungen durch den Entfall von Wartungskosten bewirkt, kann deshalb erfolgen, da mit der Techniknovelle 2007 bereits höhere Anforderungen an den Wärmeschutz festgelegt sind. Durch die verbesserte thermische Qualität der Außenhülle von Gebäuden bleiben Raumtemperaturen auch bei Ausfall einer Heizanlage durchaus im verträglichen Bereich. Die thermische Qualität der Außenhülle von Gebäuden entspricht mindestens dem Standard eines Energiespargebäudes bzw. im Neubau mittlerweile dem Standard Niedrigenergiegebäude. Diese Standards stellen sicher, dass die Gebäudehülle thermische Anforderungen für die grundlegende Wärmespeicherung von rund einer Woche erfüllt. Längerfristigen Ausfällen der Heizwärmeversorgung wird durch Versorgungssicherheitspläne Rechnung getragen. Für ältere Gebäude, die den genannten hohen thermischen Standard nicht aufweisen müssen (und die Auskühlkennzeit daher kürzer ist), ist der Notkamin weiterhin zu belassen.
Die Praxis zeigt das Erfordernis einer Flexibilität in der Nutzung von Erdgeschoßzonen. Da gewisse Nutzungen (etwa Handel oder Bildung) nur bei einer entsprechenden Raumhöhe möglich sind, soll der Stadtplanung die Möglichkeit eröffnet werden, im Bebauungsplan gegebenenfalls Mindestraumhöhen für Erdgeschoße vorzusehen.
Zur barrierefreien Erschließung bestehender Gebäude werden auch Aufzugszubauten – sofern mit dem Stadtbild vereinbar – erleichtert. In Zukunft werden Bewilligungen für Aufzugszubauten auch dann zu erteilen sein, wenn sie über eine Baufluchtlinie in eine gärtnerisch auszugestaltende Fläche ragen.
Derzeit muss – von besonderen Ausnahmen abgesehen – für jede Wohnung ein Kfz-Stellplatz errichtet werden. Dies ist meist unabhängig vom tatsächlichen Bedarf und vor allem auch unabhängig von der Wohnungsgröße. Gerade beim Bau kleinerer Wohnungen verteuern diese Stellplätze die Baukosten deutlich. In Zukunft ist im Regelfall pro 100 m² Nutzfläche ein Stellplatz zu errichten. Eine Reduktion der auf die einzelnen Wohnungen entfallenden Baukosten ist die Folge, gerade im Zusammenhang mit den kompakten und gut durchdachten Wohnungsgrundrissen der SMART-Wohnungen wird dies auch für die Mieter und Mieterinnen spürbar.
Im Sinne einer weiteren Ökologisierung wird ein eigenes Regenwassermanagement vorgesehen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, im Bebauungsplan eine Beschränkung der in den Kanal einleitbaren Niederschlagswässer vorzusehen, um bei Starkregenereignissen Überschwemmungen zu verhindern. Es bleibt dem Bauwerber überlassen, welche Art der Beseitigung oder Speicherung des Regenwassers er vornimmt.
Mit einer Erhöhung der zulässigen Dämmstärke von 16 cm auf 20 cm bei der nachträglichen Anbringung eines Wärmeschutzes kann durch Einsatz eines guten Dämmstoffes ein U-Wert von unter 0,15 W/m²k und damit ein verbesserter Wärmeschutz erreicht werden. Darüber hinaus soll eine Vergrößerung der Gebäudehöhe um nicht mehr als 30 cm durch die nachträgliche Anbringung einer Wärmedämmung auf dem Dach zulässig sein.
In Zukunft wird bereits ab der Bauklasse II – bisher kam diese Regelung erst ab der Bauklasse III zur Anwendung – mit dem Ansuchen um Baubewilligung auch ein Gestaltungskonzept für die gärtnerisch auszugestaltenden Flächen des Bauplatzes erforderlich. Um zu gewährleisten, dass dieses Konzept auch tatsächlich umgesetzt wird bzw. davon abweichende Gestaltungsmaßnahmen als gleichwertig anzusehen sind, ist künftig als Beleg der Fertigstellungsanzeige die diesbezügliche Bestätigung eines Ziviltechnikers erforderlich.
Verpflichtung zur Erstellung eines „Bauwerksbuches“ sowie Dokumentationspflicht für Instandhaltungsmaßnahmen: Gemäß § 129 Abs. 5 ist der Eigentümer eines Bauwerks verpflichtet, dessen Bauzustand zu überwachen. Der Eigentümer eines Gebäudes soll nun verpflichtet werden, bestimmte Bauteile (z.B. Tragwerke, Fassadenkonstruktionen) selbst oder durch andere Personen (etwa einen Ziviltechniker) einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen und die Ergebnisse dieser Überprüfungen in einem von einem Ziviltechniker oder einem gerichtlich beeideten Sachverständigen zu erstellenden Bauwerksbuch zu dokumentieren.
Gemäß § 129 Abs. 4 Wiener Bauordnung wäre der Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn dessen Instandsetzung einer Substanzveränderung von mindestens der Hälfte der vorhandenen Bausubstanz des Bauwerkes gleichkäme. Auf Basis dieser Rechtslage wäre ein solcher Abbruchauftrag auch dann zu erteilen, wenn die Instandsetzung technisch möglich ist. Um ein Provozieren von Abbruchaufträgen – betrifft insbesondere bewohnte bzw. in Schutzzonen befindliche Gebäude etwa aus spekulativer Absicht heraus – zu unterbinden, entfällt in dieser Bestimmung die derzeit normierte quantitative Betrachtung der für einen Abbruchauftrag erforderlichen Substanzveränderung. Hinzu kommt, dass im jeweiligen Einzelfall der Nachweis für die wirtschaftliche Undurchführbarkeit erbracht werden müsste. Somit kann auch kein technischer Abbruchauftrag, der einen Kündigungsgrund nach MRG darstellt, von den Eigentümern in spekulativer Absicht genutzt werden. Dieser Punkt ist von großer Bedeutung im Sinne der präventiven Maßnahmen, um Wohnungsspekulation entgegenzutreten.
Künftig schreibt der Gesetzgeber vor, dass für Bauführungen durch juristische Personen zwingend eine fachlich befugte Person als „baurechtlicher Geschäftsführer“ zu bestellen und der Behörde bekannt zu geben ist. Diese Person muss über die nötigen fachlichen Kenntnisse und die nötige Anordnungsbefugnis verfügen und ihrer Bestellung zugestimmt haben. Denn der baurechtliche Geschäftsführer zeichnet bei der Bauführung für die Einhaltung der Bauvorschriften verantwortlich. Damit wird sichergestellt, dass bei gesetzlichen Übertretungen auch Personen zur Verantwortung gezogen werden können. Eine finanzielle Mehrbelastung für die Bauwirtschaft ergibt sich daraus nicht.
Neue Dienstleistungsgebäude (z.B. Bürogebäude) tragen künftig zur Erhöhung des Anteils an erneuerbarer Energie in Wien bei, da mit der Novelle der Bauordnung der neue „Wiener Solarstandard“ eingeführt wird. Im Neubau wird auf bislang brach liegenden Fassaden- und Dachflächen saubere Energie erzeugt – also dort, wo sie auch benötigt wird. Solare Energieträger werden an der Außenhülle der Gebäude angebracht, sie erbringen eine Mindestleistung von 1 kW Peak pro 100 m² Bruttogeschoßfläche. Eine Ausnahme kann gewährt werden, wenn der Einsatz aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zweckmäßig ist. Mit nachgewiesenen, über die Norm hinausgehenden Effizienzmaßnahmen kann dieser Solarstandard überdies auf 0,3 kW Peak reduziert werden (denn die beste kWh ist jene, die gar nicht benötigt wird).
Die Praxis zeigt das Erfordernis einer Flexibilität in der Nutzung von Erdgeschoßzonen. Da gewisse Nutzungen (etwa Handel oder Bildung) nur bei einer entsprechenden Raumhöhe möglich sind, soll der Stadtplanung die Möglichkeit eröffnet werden, im Bebauungsplan gegebenenfalls Mindestraumhöhen für Erdgeschoße vorzusehen.