Internationale Gebäudemodelle dienen als Vorbilder für zukunftsfähiges Bauen. So strebt Schweden konsequent nach „Fossilfreiheit“ in allen Bereichen. Die 2226 GmbH in Lustenau wiederum hat ein Konzept gefunden, wie ein Haus ohne Heizung und Kühlung ein angenehmes Raumklima bieten kann. Es wurden auch die Rahmenbedingungen für zielführende Lösungsansätze diskutiert.
Aktuelle Fragen zur nachhaltigen Transformation des Bauens standen im Fokus der vielfältigen Runde. Keynotes vom schwedischen Forscher Lars Zetterberg, Mistra Carbon Exit, und dem österreichischen Bauphysiker Sebastian Nödl, 2226 GmbH, sorgten für inspirierende Impulse, die von den anderen gern aufgegriffen wurden: Robert Jansche, Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB), Filip Johnsson und Ida Karlsson, Mistra Carbon Exit und Chalmers University Göteborg, sowie Gerd Pichler, Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), und Henriette Spyra, Bundesministerium für Klimaschutz. Die zentrale Fragestellung war, welche Baukonzepte für die Gesellschaft notwendig sind, um den ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen standhalten zu können.
Lasten der Vergangenheit - Assets für die Zukunft?
„Wir wollen konkrete Beispiele aufzeigen, die als praktische Orientierung dienen. Denn wo nachhaltige und klimafreundliche Lösungen einmal realisiert sind, lassen sich Erkenntnisse für weitere Entwicklungen ableiten“, erklärt Christian Egenhofer, Centre for European Policy Studies Brüssel sowie Repräsentant von ReConstruct und Moderator der Veranstaltung. Diskutiert wurden einerseits Konzepte aus Schweden, andererseits aus dem Westen Österreichs. „Sich international umzuschauen ist naheliegend, denn die Herausforderungen an die Baubranche sind in allen europäischen Industrieländern ähnlich: Ein gewaltiger Gebäudebestand muss saniert und ‚klimafit‘ gemacht werden. Und neue Gebäude sollen diese Ansprüche von Vornherein erfüllen, damit sie keine Hypothek für die nächsten Jahrzehnte, sondern ein Asset sind“, so Egenhofer weiter.
Schweden: Entschlossen zum Ausstieg aus fossilen Rohstoffen
Zetterberg zeichnete die bisherige Erfolgsstory von Mistra Carbon Exit nach und zeigte, wie Schweden entschlossen am Ausstieg aus fossilen Rohstoffen arbeitet. Mistra ist eine schwedische Stiftung für strategische Umweltforschung, die das Carbon Exit Forschungsprogramm finanziert. Die Forschung identifiziert die Potenziale in Technik, Wirtschaft und Politik, die mit dem Klima-Ziel Schwedens, bis 2045 die Netto-Nullemission zu erreichen, verbunden sind. Analysiert werden die Lieferketten, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt, inklusive Energiebedarf. „Das Programm selbst wird nicht nur durch die Forschung entwickelt, sondern in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Behörden, Gemeinden und anderen gesellschaftlichen Playern“, erläutert Zetterberg, so sei sichergestellt, dass die Konzepte realistisch sind und finanzierbar bleiben.
CO2 Emissionen schon heute halbierbar
Seine Ausführungen wurden konkretisiert von Ida Karlsson und Filip Johnsson, beide Teilnehmende der Panel-Diskussion. Karlsson illustrierte die Methode der Lieferkettenanalyse mit Zahlen: „Schon mit aktuell verfügbaren Technologien und Praktiken lassen sich die Treibhausgase bis zu 50 Prozent reduzieren – und diese Rate lässt sich mittelfristig noch steigern.“ Im Jahr 2045 könne nahezu Netto-Null Emissionen erreicht sein. Dies erfordere Maßnahmen entlang der gesamten Lieferkette, wodurch eine große Herausforderung in viele kleine Ansatzpunkte zerlegt werde. „Ein wichtiger Milestone ist die Etablierung systematischer Arbeitsmethoden – dazu gehören Klima Aktionspläne und die Einführung eines Carbon Managers, zuständig für den Co2-Haushalt eines Gebäudes“, so Karlsson.
Johnsson erläuterte die Dekarbonisierung von Materialien, wie sie in Gebäuden und Infrastruktur benutzt werden. “Um Emissionen entscheidend zu senken, braucht es unter anderem klimaneutralen Zement und Stahl mit Co2-Abscheidung und Elektrifizierung,“ die schwedischen Projekte ‚HYBRIT‘ und ‚H2 Green Steel‘ würden derzeit an der Entwicklung von fossilfreiem Stahl arbeiten.
Architektur bietet Lösungen: Gebäude mit minimaler Haustechnik
Wie Energieeffizienz funktionieren kann, zeigte der Bauphysiker Sebastian Nödl. Sein Büro bietet Optimierung durch Unterstützung der Architektur sowie Reduktion der klassischen Haustechnik – ersetzt durch intelligente Software nach dem 2226 Prinzip: Ein Haus ohne Heizung und Kühlung hält eine angenehme Raumtemperatur von 22 bis 26 Grad. Dazu dienen Frischluft und die Wärme von Menschen und Geräten einerseits sowie ein System von Lüftungsklappen andererseits. Ein Pioniergebäude in Lustenau liefert seit zehn Jahren den praktischen Beweis, dass das Konzept funktioniert. Der jährliche Energieverbrauch ist weniger als ein Drittel dessen, was eine vergleichbare Standardimmobilie benötigt. „2226 steht für ressourcenschonend und reduzierte Kosten – und ist geeignet für Neubau und Gebäudesanierung,“ erklärt Nödl. Die angewandte Technik sei langlebig und brauche keine Updates. „Darauf basiert unser Anspruch, auch technisch für einen Zeithorizont von 100 Jahren und mehr zu planen,“ so Nödl, der abschließend an die Politik appellierte: Um innovative Technologie zur Energieeffizienz voranzubringen, braucht es mehr Förderungen sowie vereinfachte und standardisierte Genehmigungsverfahren.
Lebhafter Austausch im IDEASLAB
Neben diesen Impulsen gab es auch interaktive Möglichkeiten beim Event. Alle Anwesenden konnten ihre Expertise über ein digitales Tool einbringen. In Ideas Labs, also kleinen Arbeitsgruppen, kam es am Ende zu einem regen Austausch. Alle waren sich einig: Empirische Forschung liefert die Basis für zukunftsfähiges Bauen, funktionierende reale Projekte sind als Leitbilder der Transformation unersetzlich. Energie ist ein Knackpunkt, und die Rolle als Rohstofflieferant macht die Baustoffindustrie zu einer wichtigen Gestalterin der Transformation. Neben neuen Energiekonzepten ist die Beachtung von Faktoren, die über das Bauen hinausgehen wesentlich, wie etwa neue Geschäftsmodelle, kurze Wege und soziale Fragen, wie die Verbindung von Arbeit und Wohnen in einem Quartier. Wie sich am Beispiel Schweden zeigt, kann die Politik durch geeignete Rahmenbedingungen die Prozesse vorantreiben, vor allem durch Förderungen, die zudem motivieren und identitätsstiftend wirken.