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Bestand ist das Problem

Es ist nur eine Frage der Zeit. Peter Schnieper, Vorsitzender der Geschäftsführung der Schindler Aufzüge und Fahrtreppen GmbH zeigt sich im Gespräch mit dem ImmoFokus überzeugt: „Das Thema Energieeffizienz wird in der Zukunft einen höheren Stellenwert bekommen. Definitiv.“
Michael Neubauer

Es ist nur eine Frage der Zeit. Peter Schnieper, Vorsitzender der Geschäftsführung der Schindler Aufzüge und Fahrtreppen GmbH zeigt sich im Gespräch mit dem ImmoFokus überzeugt: „Das Thema Energieeffizienz wird in der Zukunft einen höheren Stellenwert bekommen. Definitiv.“

Beim Neubau wird auf die Energieeffizienz der einzubauenden Anlagen geschaut – und im Bestand?

Peter Schnieper: Beim Neubau ist Energieeffizienz ein Thema. Definitiv. Da gibt es Unternehmen, die das entsprechend auch ausschreiben. Es gibt auch Firmen, die ganz stark darauf schauen. Energieklasse A wird von allen unseren Produkten vorausgesetzt. Die Power Factor 1 Technologie erlaubt sogar eine Energierückspeisung ins System. Gerade in öffentlichen Bereichen, wie dem Handel (Einkaufscenter) oder dem Transportwesen (Bahnhof, Flughafen), machen solche Innovationen Sinn und sind aus den Köpfen unserer Kunden nicht mehr wegzudenken. Unsere Produkte finden Sie daher u.a. in „The Mall Wien Mitte“, SCN Shopping Center Nord, Stadion Center, Kaufhaus Tyrol, die Kufstein Galerien, Werbezeile Ried, Ikea SCS oder in Projekten der SES Spar European Shopping Center, wo der starke Betrieb ein System wie dieses mehr als nur rechtfertigt.

Im Bestand ist Energieeffizienz kein Thema. Sollte es aber sein. Da sind noch Anlagen in Betrieb, die sehr energieintensiv sind. Darunter sogar noch einige tausend hydraulisch angetriebene Anlagen. Die sind sehr zuverlässig, sehr robust und sind in die Jahre gekommen. Aber obwohl diese relativ viel Energie brauchen, ist es kein großes Thema, sie zu ersetzen. 

Ich bin mir sicher, das wird ein Thema werden. Das wird sogar ein großes Thema werden. Wir haben in Österreich rund 100.000 bis 110.000 Aufzüge. Einige sind natürlich neu, aber viele sind relativ alt. Da gibt es wirklich zehntausende von Altanlagen. Es wird aber nicht nach dem Kriterium Energieeffizienz investiert. Man stellt sich die Frage: „Was schreibt der Staat vor?“ – und das wird dann gemacht. Nicht mehr und nicht weniger. Mit dem Nachrüsten der Anlagen auf die neuen Sicherheitsstandards haben dann viele Kunden den Eindruck, sie hätten eigentlich investiert, was zu investieren ist. Die Anlagen sind aber nach wie vor sehr alt. Kombiniert mit zum Teil neuerer Technologie, zum Teil neuen Steuerungen. Da wird irgendwann ein ganz großer Neuerungsbereich nachkommen.

Die Anlagen werden also gefahren, bis es einmal keine Ersatzteile mehr gibt?

So muss man es leider sehen. Allein in Wien gibt es 45.000 Aufzüge im Bestand. Wenn wir jedes Jahr ein Prozent erneuern würden, wären das 450 Anlagen. Da liegen wir aber weit darunter. Der Bestand wird im Moment nicht einmal alle 100 Jahre ersetzt.

Rein mechanisch gibt es viele Dinge, die kann man 100 Jahre alt werden lassen, das ist kein Problem. Führungsschienen, die können 100 Jahre alt sein. Das ist aber auch ein finanzielles Problem: Eigentümer von Gebäuden mit gebundenen Mieten werden so wenig wie möglich investieren.

Weil sie aus ihrer Investition keinen Nutzen ziehen?

Ja. Das ist das Problem. Profitiert man von der Investition, weil man dadurch in der Folge niedrigere Betriebskosten zahlt, also zum Beispiel bei einer Eigennutzung der Gebäude, sind die Betriebskosten ein Thema. Wenn aber, wie im Wohnungsbereich gesetzlich vorgeschrieben, die Nebenkosten weiterverrechnet werden, dann ist die Energieeffizienz weniger bis kaum ein Thema. Insofern kommt es ganz stark darauf an, was geschieht mit dem Gebäude, wie wird es genutzt? Sehr oft kommt es auch ein bisschen darauf an, wieviel Idealismus der Investor hat.

Sie haben auch einen Solaraufzug im Portfolio. Mit welchen Mehrkosten ist bei einem Solaraufzug zu rechnen?

Das sind jetzt wahrscheinlich Mehrkosten von 30 bis 40 Prozent aus heutiger Sicht betrachtet. Da stehen wir aber erst am Anfang. In fünf oder zehn Jahren wird die Geschichte schon ganz anders aussehen. Denken Sie nur an die rasante Entwicklung im Bereich E-Mobility. Solaraufzüge sind im Moment kein Massenprodukt – könnten es aber durchaus werden.

Schnieper, Dipl. Ing. FH Peter (Schindler GF) _ 004 @ cityfoto

Schindler unterstützt das Projekt „Solar Impulse 2“, die erste Erdumrundung mit einem Solarflugzeug. Welchen Nutzen zieht Schindler aus dieser Kooperation? 

Wir unterstützen das Projekt von Piccard und Borschberg nicht nur finanziell, sondern auch mit Knowhow. Unsere Techniker sind am Projekt beteiligt und garantieren damit einen direkten Wissenstransfer von und zu unserer F&E-Abteilung. Dies betrifft u.a. das Thema extremer Leichtbau bei gleichzeitig höchsten Sicherheitsansprüchen. Modernste Materialien wie Carbon machen den Aufzug viel leichter und erhöhen merkbar die Lebensdauer um das Doppelte. In weiterer Folge profitieren wir von der intelligenten Verarbeitung der unendlich vielen Daten. Informationen sind heute nicht mehr nur am Aufzug vorhanden. Sie stehen dem Kunden, dem Servicetechniker sowie den Experten in der Zentrale zur Verfügung und bringen allen Nutzen – in absoluter „real time“.

Wie lange dauert es, bis sich Ergebnisse aus dem Projekt Solar Impulse 2 in den Aufzügen wiederfinden?

Das ist wie bei der Automobilindustrie. Auch in einem Golf finden sich Innovationen, die ursprünglich aus der Formel 1 gekommen sind. Das hat aber auch Jahre gedauert. Vielleicht geht das heute ein bisschen schneller. Ich bin mir sicher, dass auch das Projekt Solar Impulse  Einfluss auf die Produkte der nächsten Generation haben wird. Dasselbe gilt für den Solaraufzug. Der Solaraufzug ist für uns so der nächste Schritt.

Ich bin überzeugt, dass das Thema Energieeffizienz in der Zukunft einen höheren Stellenwert bekommen wird. Da bin ich ganz sicher. Deshalb ist es für uns gar nicht Thema „Tun wir das? Gehen wir in die Richtung oder nicht?“  Sondern: Wir haben das zu tun. Das ist ganz klar.

Wo wird die Reise hingehen? Wo sehen Sie die Zukunft, in welchem Bereich können noch Potenziale gehoben werden?

Ganz sicher in den Antrieben und in der intelligenten Steuerung des Personenflusses. Es gilt den Aufzug besser zu nutzen. Traffic-Management-Systeme wie unser System PORT, das in den TwinTowers am Wienerberg, im Millennium Tower oder bei Mondi in Wien Mitte, dem TGM – Technologisches Gewerbemuseum oder der Rudolfsstiftung eingesetzt ist, helfen dabei. Ein Aufzug, der leer fährt, verbraucht Energie und hat keinen Nutzen. Es geht auch darum, die Effizienz der Liftanlagen zu erhöhen. Ich denke da zum Beispiel an unsere Smartphone-Applikation myPORT. Mit dieser App wird nicht nur sichergestellt, dass der Besitzer des Smartphones auch tatsächlich die Berechtigung hat, sich im Gebäude aufzuhalten. Die Bewohner können Türen mit dem Smartphone öffnen oder auch den vorprogrammierten Aufzug rufen. Bewohnern und Besuchern ist es so möglich, sich deutlich schneller und einfacher im Gebäude zu bewegen.

Bei den Wolkenkratzern werden sich wohl Doppel-Deck-Varianten durchsetzen. Mit dem Schindler 7000 Produkt lassen sich gleichzeitig zwei Etagen anfahren. Einerseits erhöht man dadurch die Beförderungskapazität, was sich gerade in Spitzenzeiten bemerkbar macht. Andererseits wird der Energieverbrauch deutlich reduziert. Daraus resultiert neben den geringeren Betriebskosten auch der Vorteil, mehr Fläche in Form von vermietbarer Fläche zur Verfügung zu haben. Das Gebäude wird durchwegs profitabler.

Wann rechnet sich so ein System? 

Das kann sich auch in vergleichsweise kleinen Gebäuden bereits auszahlen. Es kommt darauf an, wie flexibel das Gebäude genutzt werden soll. Beispielsweise planen wir für uns selbst einen Neubau. Dieses Gebäude wird nur fünf Etagen mit 6.500 Quadratmetern Bürofläche und ein Kellergeschoß haben. Aber wir werden so eine Steuerung einbauen, auch wenn nur zwei Aufzüge geplant werden. Wir sind damit aber für alle Eventualitäten vorbereitet. Wenn wir feststellen, dass wir eine Etage nicht mehr brauchen, können wir die Etage einfach vermieten und haben die Zutrittsberechtigungskontrolle schon im System. Es kann sich auch schon in einfachen Fällen rechnen.

… und wo werden Sie bauen?

Hier am Wiener Berg. Das Areal gehört ja Schindler. Unser Bürogebäude ist aber in die Jahre gekommen. Hier war schon Wertheim zuhause, Schindler ist jetzt auch seit 30 Jahren hier. Gebaut wird gleich nebenan. Wir rechnen damit, dass wir Anfang 2018 einziehen werden können.

Wo liegt der USP von Schindler? 

Sicherlich im Umgang mit den Kunden. Das Produkt allein macht den Unterschied nicht aus. Alle großen seriösen Anbieter arbeiten professionell. Wir versuchen ein starkes Vertrauensverhältnis zum Kunden auf- und auszubauen. Wir versuchen ihm das Leben einfacher machen. So werden wir demnächst unserem Architekten ein einfacheres Planungshilfsmittel zur Verfügung stellen, sodass für ihn die Arbeit einfacher  wird. Ein weiterer Punkt ist unser Verständnis von Qualität. In Österreich muss jeder Aufzug, der in Betrieb geht, vorher geprüft werden. Wir gehen einen Schritt weiter. Wir haben den TÜV beauftragt, bei allen Anlagen zusätzlich zu dem, was gesetzlich gefordert ist, eine verschärfte Prüfung zu machen. Also alle fünf Jahre macht der TÜV einen zusätzlichen Check nach Schindler-Richtlinien. Und das ist etwas, das uns wichtig ist, weil Schindler steht auf der ganzen Welt da und wir möchten auf der ganzen Welt mit derselben Qualität, mit demselben Standard präsent sein. Und deshalb wurde das definiert und das ziehen wir auch durch. Da stecken wir auch viel Geld hinein, das sind zusätzliche Kosten.