Nach der gestrigen Bundestagswahl zeichnen sich klare Koalitionsmöglichkeiten ab: Die Ergebnisse deuten auf eine mögliche Zusammenarbeit zwischen den Unionsparteien und der SPD hin, mit Friedrich Merz als wahrscheinlichem nächsten Bundeskanzler.
In der Immobilienbranche gibt es jedoch bereits im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen Besorgnis. Die unterschiedlichen Ansätze der beiden Parteien in Bezug auf wichtige Themen wie Wohnungsbau und Mietpreispolitik könnten zu einem Stillstand führen. Die CDU/CSU setzt auf steuerliche Anreize zur Förderung des Wohnungsbaus, während die SPD die aktive Rolle des Staates in diesem Sektor stärken möchte. Besonders kontrovers wird die Diskussion um die Mietpreisbremse, die von der Union auslaufen gelassen werden soll, während die SPD eine Verlängerung fordert.
Experten aus der Immobilienbranche erwarten schwierige Verhandlungen, bei denen aber keine Alternativen zu einer Einigung bestehen. In Anbetracht dessen gehen sie nicht von grundlegenden Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Branche aus, sondern vielmehr von vielen kleineren Kompromissen, die die Politik nach und nach umsetzen wird.
"Ein Wahlkampf liegt hinter uns, bei dem die Bau- und Wohnungspolitik eine erschreckend geringe Rolle gespielt hat. Keine der potentiellen Regierungsparteien glänzte mit durchdachten Konzepten auf diesem Gebiet. Entsprechend erwarte ich nicht, dass von der Bundespolitik in den kommenden sechs Monaten entscheidende Impulse für die Immobilienwirtschaft kommen werden. Denn zunächst muss ein Koalitionsvertrag ausgehandelt werden, was sich hinziehen kann. Und dann hat sich im Wahlkampf gezeigt, dass die Bau- und Wohnungspolitik nicht gerade oberste Priorität hat. Für die Immobilienbranche bedeutet dies, dass sie sich mit politischer Unsicherheit arrangieren muss. In Anbetracht der enormen Wohnungsnot in den Ballungsräumen ist dies bitter."— Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer, INDUSTRIA Immobilien
"Die kommende Bundesregierung muss schnell ins Handeln kommen und Gesetze unkompliziert auf den Weg bringen. Wir brauchen jetzt den Shift, wir haben keine Zeit mehr für endlose Diskussionen. Der gesellschaftliche Sprengstoff durch fehlende Wohnungen etc. wird ansonsten weiter zunehmen und würde den linken und rechten Demagogen nur weiteren Auftrieb geben. Vor allem eine deutliche Reduzierung der bürokratischen Bauvorschriften und eine erhebliche Vereinfachung der gesetzlichen Vorgaben für Konversionen sind notwendig. So kann die lähmende Stagnation der vergangenen Jahre in der Wohnungspolitik durchbrochen werden. Nur mehr Bauaktivität entlastet den Wohnungsmarkt, nicht die Verlängerung der Mietpreisbremse. Gleiches gilt auch für alle anderen Segmente wie beispielsweise Healthcare und Senior Living."—Alexander Lackner, CEO von neworld
"Deutschland hat gewählt. Die Wahlergebnisse legen eine Koalition zwischen den Unionsparten und der SPD nahe. Der nächste Bundeskanzler wird alles Voraussicht nach Friedrich Merz heißen. Unserer Meinung nach ist es wichtig, dass wir nun rasch zu einer neuen und stabilen Regierung kommen. Bei vielen Immobilienthemen droht allerdings ein Patt. Während CDU/CSU bei der Wohnungsbauförderung vor allem auf steuerliche Anreize setzen, möchte die SPD dagegen insgesamt die aktive Rolle des Staates im Bausektor stärken. Die Union will die Mietpreisbremse auslaufen lassen, die SPD das Gegenteil. Meiner Meinung nach stehen wir vor schwierigen Koalitionsverhandlungen, die aber zum Erfolg verdammt sind, da Alternativen nicht in Sicht sind. Unterm Strich rechnen wir nicht mit grundlegenden Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Immobilienbranche, sondern eher mit vielen kleinen Kompromissen."—Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG
"Der Wohnungsmarkt der vergangenen Jahre war arm an positiven Impulsen und arm an Chancen, ganz so als würde sich das Amtsverständnis des amtierenden Bundeskanzlers darin spiegeln. Das mag gut für Bestandshalter und -mieter gewesen sein, war aber schlecht für Wohnungssuchende, das Transaktionsgeschäft und den Wohungsbau. Ich hoffe, dass mit Friedrich Merz wieder etwas Dynamik in die Rahmenbedingungen und das Marktgeschehen kommt und wir die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität bekommen, die der Wohnungsbau als langfristiges Investment braucht."—Einar Skjerven, Geschäftsführer der Skjerven Group