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Chemie am Bau trifft Nachhaltigkeit

Michael Jernei, Bereichsleiter Forschung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Verkauf Export bei Sika Österreich im Interview über ESG und Nachhaltigkeit.
Lisa Grüner
Jernei, Michael_Sika
Jernei, Michael_Sika
© Sika

Die Bauwirtschaft kann die ESG-Ziele nur erreichen, wenn die Zulieferer entsprechend nachhaltige Produkte anbieten und bereit stellen: Wie werden Sie in Ihrem Unternehmen das Thema ESG angehen? Denken Sie an die Entwicklung neuer Produkte? Wenn ja, forschen Sie bereits konkret? 

Sika produziert und entwickelt nahezu jede Art von Chemie, die am Bau eingesetzt werden kann. Beinahe alle unsere Produkte vereinfachen die Bauweise bzw. verlängern das Leben von Bauwerken und sparen daher seit Jahrzehnten mehr CO2 ein, als ihre Herstellung verursacht. Mit weltweit mehr als 300 Produktionsstandorten, über 1.100 Mitarbeitern in der Forschung und Entwicklung sowie 508 angemeldeten Patenten seit 2015 kann man sagen, dass wir in allen oben erwähnten Richtungen forschen und entwickeln. 

Wie sieht ihre Nachhaltigkeitsstrategie aus? 

Dabei setzen wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie „More Value – Less Impact“ auf Produktebene und auch auf Ebene unserer Fabriken laufend um. Sika hat klare Nachhaltigkeitsziele bis 2023 und diese sind elementarer Bestandteil der persönlichen Ziele in jeder Führungsebene. 

Sind Innovation und Nachhaltigkeit ein Widerspruch? Nein, wir sehen sie als die beiden Haupttreiber des profitablen Wachstums bei Sika. Weltweit entfallen 39 % aller CO2-Emissionen auf die Bauwirtschaft, welche Maßnahmen zur Senkung machen Ihrer Meinung nach langfristig am meisten Sinn?

Folgende Trends und Entwicklungen spielen aus unserer Rolle einen essenziellen Beitrag: 

  • Reduktion des Portlandzementanteils und damit des CO2-Ausstoßes in Beton und Mörteln. Derzeit werden noch 7% des weltweiten CO2-Ausstoßes von Portlandzement verursacht. 
  • Erhöhung der Dauerhaftigkeit der Bauwerke und dadurch Reduktion des CO2-Fußabdrucks (Cradle to grave) 
  • Instandsetzung anstatt Neubau 
  • Recycling und Upcycling anstatt deponieren   
  • Emissionsarme bzw. -freie Produkte
  • Nachwachsende Rohstoffe als Ersatz petrochemischer Rohstoffe
  • Reduktion bzw. Vermeidung von CO2-Ausstoß in der Herstellung der Produkte

Welche Rolle wird die Kreislaufwirtschaft im ESG-Zusammenhang spielen? Vor allem in Bezug auf Recycling von Baustoffen?

  • Bereits vor mehr als 25 Jahren hat Sika eine Polyurethan-Beschichtung auf den Markt gebracht, deren Hauptbestandteile recycelte PET-Flaschen und nachwachsender Rohstoff waren. Damals war die Zeit noch nicht reif und Preis-Leistung standen im Vordergrund. 
  • Mit unseren ViscoCrete Betonzusatzmitteln, mit denen wir Weltmarktführer sind, sparen wir seit zwei Jahrzehnten 10 – 30% Zement und auch Frischwasser bei der Betonproduktion ein und verbessern die Dauerhaftigkeit von Beton. 1 kg ViscoCrete® Polymer spart daher ein x-Faches des bei der Herstellung verursachten Treibhausgasausstoßes. In Frankreich haben wir auch bereits das erste Fließmittel basierend auf erneuerbaren Rohstoffen auf den Markt gebracht.
  • Das Betonrecycling „reCO2ver“, das sich gerade im Übergang von der Grundlagenforschung auf die Pilotanlage befindet, könnte unter gleichzeitiger Bindung von CO2 aus anderen Prozessen (Zementherstellung, fossile Kraftwerke) eine 100%-ige Wiederverwendung der Betonzuschläge ermöglichen. Somit könnte man in Zukunft den CO2-Ausstoss der Zementerzeugung umkehren.