Wie kann in den großen Städten bis Mitte 2021 wieder eine akzeptable Auslastung der Hotels erreicht werden?
Frans-Jan Soede: Wirtschaftliche Krisen in der Hotellerie, rückläufige Umsätze, sinkende Gästezahlen und explodierende Kosten haben viele Ursachen. Hotels, Hostels und Pensionen existieren nicht im Vakuum. Der Beherbergungsmarkt ist extrem abhängig von verwandten Industrien. Das ist zum einen die Reise- und Flugbranche im nationalen, kontinentalen und globalen Bereich, aber auch die Tourismusbranche an sich und die einzelnen Destinationen.
Um einen Hotelbetrieb am Leben zu erhalten, braucht es eine Auslastung von jährlich mindestens 50 Prozent. Viele Hotels werden schließen müssen, da große Überkapazitäten vorhanden sind. Zusätzlich befinden sich noch weitere Hotels in Bau beziehungsweise in Fertigstellung. Allein in Österreich sind 94 Hotels in Planung. Viel zentraler wird deshalb die Frage sein, wie man bereits bestehende Hotels anders nutzen kann. Ein Hotel lässt sich sehr wohl für Micro-Living-Projekte, aber auch für Student-Housing oder Senior-Living nutzen. Die 25hours-Hotels beispielsweise haben bereits ein spezielles Angebot für Langzeit-Gäste und Studenten auf den Markt gebracht. So zahlen Schüler, Studenten und Azubis weniger. Orientiert hat sich 25hours hier an den Preisen der Student-Hotels in Berlin.
Auch die Frage, wie sich ein Hotel eventuell für das Gesundheitswesen umfunktionieren lässt, bleibt bestehen. In Kalifornien und in Frankreich wurden bereits Hotels auf Spitalbetrieb umgestellt. Hier hat man die Betten, die im Krankenhaus eventuell gefehlt haben oder fehlen werden.
Ein Buy-to-let-Investment in einer Top Destination stellt ebenfalls eine gute Möglichkeit dar. Die Hotelgruppe Achat hat in ausgewählten Städten während des Lockdowns zehn Prozent ihrer Zimmer in Büros umgewandelt und möchte dieses Angebot beibehalten.
Laut einer Umfrage des Gallup Instituts wirkt sich die Krise auf die Urlaubsplanung der österreichischen Bevölkerung aus. Kärnten, Salzburg und Steiermark gelten als favorisierte Urlaubsziele. Droht der Ferienhotellerie destinations-abhängig ein Einbruch von 50 Prozent oder mehr?
Für die Zukunft sehe ich eine große Chance für den lokalen Tourismus. Mit dem Ende der Krise und den Grenzöffnungen steigt das Reiseverhalten – aber nicht in die Ferne. Lokal und regional statt global ist hier das Stichwort. Die Fernmärkte werden bis auf Weiteres stark einbrechen. Erreichbarkeit und Sicherheit treten in den Vordergrund. Genau darin besteht aber die Chance der Ferienhotellerie mit der richtigen Positionierung von der Krise saisonal zu profitieren. Der Urlaub zuhause wird folglich eine Renaissance erleben. Will man über die Grenze, gibt es zum Beispiel großes Potenzial in gut positionierten Resorts in den Nachbarländern wie der Slowakei, Ungarn und Tschechien etc.
Zentral ist jetzt die Frage, wie man Hotels anders nutzen kann – etwa für Student-Housing.
Mit dem 29. Mai konnten die Hotels in Österreich ihren Betrieb wieder aufnehmen. Die Auslastung ist allerdings verhalten. Wie entwickeln sich die (inter-)nationalen Reisemärkte und welche Auswirkungen haben diese auf den Hotelmarkt und das Hotelgeschäft?
Bis die Werte von 2019 wieder erreicht werden können, rechnen wir mit folgendem Verlauf der internationalen Reisemärkte: Für 2020 erwarten wir in Europa und den CEE-Ländern einen Einbruch von 75 Prozent. Wir gehen davon aus, dass das Reiseverhalten von Jahr zu Jahr wieder zunimmt und sich somit die Zahlen wieder erholen werden. Von einer neuen Normalität kann man aber erst 2024 sprechen. Das heißt, auf Basis unserer Berechnung wird sich das Minus 2021 mit den Märkten im Mittleren Osten, Afrika, den GUS-Staaten, den CEE-Ländern und Europa auf 60 Prozent belaufen. 2022 wird das Minus mit dem Erstarken der Reisemärkte im asiatischen und pazifischen Raum bei 45 Prozentpunkten liegen. Bis 2023 lässt sich mit dem zusätzlichen Reisemarkt in Nord- und Südamerika ein Wert von ca. 35 Prozent unter den 2019 Ergebnissen verzeichnen. Das Ganze pendelt sich dann 2024 bei 15 Prozent unter den Zahlen von 2019 ein. Das Marktvolumen ist derzeit nicht groß genug, um bestimmte Hotels überhaupt wieder zu eröffnen. Nur Betriebe mit großer Liquidität und sehr guter Positionierung können es sich leisten, wieder zu eröffnen.
Foto: REMG/Katharina Schiffl
Die Krise hat gezeigt, Digitalisierung ist essentiell. So können Gäste in Deutschland ab sofort mit dem sogenannten digitalen Hotelmeldeschein einchecken. Wie kann diese zu einer besseren Kundekommunikation, beziehungsweise Gesundheit und Sicherheit von Gästen und Mitarbeitern im täglichen Hotelbetrieb aussehen und genutzt werden?
Digitalisierung ist ein Must. Was mit dem kontaktlosen Ein- und Auschecken begann, lässt sich spätestens jetzt auch bei allen Hygienestandards anwenden. Wichtig ist hier, den Vertrieb über die eigene Webseite zu stärken, um die Abhängigkeit von den Online Travel Agents zu reduzieren. Digitale Kommunikation mit den Gästen vor, aber auch während und nach dem Aufenthalt (Customer Journey) wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Das digitale Check-in ermöglicht ein Kosteneinsparungspotenzial von rund 100 Millionen Euro jährlich nur in Österreich.
Corona ist nicht das Ende des Reisens. Die Reise- und Hotelbranche ist eine gesegnete Industrie.
Auf dich wartet ein guter Sommer! Mit diesem Slogan startet die Österreich Werbung eine Kampagne für den Urlaub zu Hause. Welche Hotel- und Tourismuskonzepte werden in Zukunft funktionieren und welche nicht?
Gruppenreisen im Allgemeinen werden sehr leiden. Das liegt daran, dass hier Hygienestandards wie Abstandsregeln nicht eingehalten werden können. Was hingegen sicher funktionieren wird, sind sogenannte Low-Budget-Angebote wie zum Beispiel B&B Hotels, Ibis oder Branded Hostels. High-end Luxury wird in Zukunft ebenfalls weiterhin Steigerungen verzeichnen und auch für Investoren interessant bleiben. Auch Online-Plattformen stellen sich neu auf. TUI und Booking.com haben beispielsweise eine strategische Partnerschaft für den Bereich Touren, Aktivitäten und Ausflüge vereinbart.
Geringe Auslaustung, hohe finanzielle Einbußen. Wie kann eine langfristige Neustrukturierung von Finanzierung, Pachtvertrag oder Mietvertrag aussehen?
Die Kommunikation ist hier entscheidend. Alle Stakeholder wie Betreiber, Investoren, Entwickler, Banken sollten sich die nächsten Jahre realistisch und pragmatisch regelmäßig an einen Tisch setzen, um den Verlauf der Buchungen beziehungsweise des Marktes zu eruieren, um sich wieder langsam aber sicher in Richtung neuer Normalität zu entwickeln.
1,26 Milliarden Euro Hoteltransaktionen im Jahr 2019. 94 Hotels sind allein in Österreich in Planung. Wie wird mit aktuellen und zukünftigen Developments umgegangen?
Die im Bau befindlichen Hotels werden fertiggestellt. Es werden aber sicher Hotels, die in Planung sind, gestoppt und verzögert werden. Das hängt von den Prioritäten, der Liquidität der Stakeholder und der Marktvolatilität im Segment ab.
Wie sieht eine COVID-19-konforme Hotel Operation nach dem Re-Opening aus? Und ist diese in der Praxis dauerhaft umsetzbar?
Hotels als auch Hotelkonzerne haben ihre Hygiene-Standards und operativen Verfahrensweisen schon erheblich erhöht und sich mit den hiesigen Partnern auf eine lange Kooperation geeinigt, speziell um damit die zusätzlichen Kosten zu minimieren. Es wurden mittlerweile sogar neue Sub-Marken für diesen Bereich kreiert um den Gast das maximale Sicherheitsgefühl zu geben wie „Clean IHG Promise“ bei InterContinental oder CleanStay bei Hilton. Falkensteiner hat zum Beispiel mit Diversey neue Hygienestandards für den Spa-und Wellnessbereich entwickelt.
Gruppenreisen im Allgemeinen werden sehr leiden. Das liegt daran, dass hier Hygienestandards wie Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.
Wie stark trifft die Krise den Betreiber? Was kann dieser zur Problemlösung beitragen?
Den Betreiber trifft es von allen Stakeholdern am stärksten, da er sich in einer sehr starken Co-Abhängigkeit von anderen Industrien befindet. Er ist letztendlich auch der Lösungsbringer, weil er nicht nur den Hotelbetrieb beherrscht, sondern auch mit der Reise- und Tourismusindustrie verbunden ist. Sollte dieser für eine bestimmtes Produkt oder eine Destination nicht die vollen Voraussetzungen haben, müssen andere Experten wie Marketingunternehmen, Berater oder Asset Manager herangezogen werden.
Aus Developer-Sicht: Welche marktbedingten Szenarien ergeben sich bei einer geplanten Eröffnung 2020/2021 oder danach – speziell in Osteuropa?
Es wird eine starke Konsolidierungswelle kommen und viele Projekte werden auf Eis gelegt werden. In Osteuropa wird vor allem die große Bettenkapazität in Prag, Budapest und Bratislava eine sehr große Herausforderung. Wien, Salzburg und die anderen westeuropäischen Städte werden sich etwas schneller von der Krise erholen.
Für Osteuropa stellt sich die Frage, wie schnell das Segment Geschäftsreisen wieder das Niveau von 2019 erreichen wird.
Die Trend-Anlageklasse Hotel wird kurz- bis mittelfristig an Glanz verlieren, jedoch nach Konsolidierung der Branche wieder höhere Ren-diten als andere Immobilienarten lukrieren.
Die Reise- und Hotelbranche ist eine gesegnete Industrie. Corona ist nicht das Ende des Reisens. Längst haben wir uns viel zu sehr an den Menschheitstraum der globalen Entdeckung ferner Ziele gewöhnt.