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Corona-Pandemie zeigt veralterte Rollenbilder auf

Die Vereinbarung von Beruf und Familie ist nach wie vor ein brisantes Thema. Frauen müssen noch viele weitere Jahre laut sein, aufstehen und für sich einstehen, um in Zukunft eine genderneutrale Rollenverteilung auch nur annähernd zu erreichen.
Lisa Grüner
Fitzek-Unterberger_Ingrid_salonreal
Fitzek-Unterberger_Ingrid_salonreal
© Stephan Huger

Hat der Lockdown bzw. Corona die Gesellschaft nachhaltig verändert? Inwiefern?  

 Der Lockdown und die damit einhergehenden Vorgaben im Hinblick auf Social Distancing haben mit Sicherheit ihre Spuren in der Gesellschaft und ihrer weiteren Entwicklung hinterlassen. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir vor Corona auch physisch, z.B. in Form von Händeschütteln, in Kontakt getreten sind, ging verloren und die Frage nach dem langfristigen Einfluss, den diese neue Form des sozialen Interagierens mit sich bringt, bleibt – abhängig der weiteren Entwicklungen – noch offen. 

Wie sind die Auswirkungen auf das Arbeitsleben? Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen derzeit? 

 Berufe, die auch im Home Office ausgeübt werden können, stellen Frauen vor die Herausforderung, keine räumliche Trennung ihrer Rollen mehr vornehmen zu können. Sie sind Mutter, Partnerin, Lehrerin und Arbeitskraft – alles unter einem Dach. Frauen konnten diese Mehrfachbelastung vorher schon zum Teil nur schwierig unter einen Hut bekommen, jetzt kam eine zusätzliche psychische Belastung hinzu, wenn das Esszimmer zum Dreh- und Angelpunkt für familiären Austausch, Arbeit und Schule wird. 

Frauen konnten keine räumliche Trennung ihrer Rollen mehr vornehmen und waren Mutter, Partnerin, Lehrerin und Arbeitskraft – alles unter einem Dach.

Der Wohnraum wurde in der ersten Jahreshälfte 2020 kurzfristig zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten Alltags. Gibt es tatsächlich Tendenzen zur Veränderung der Wohnsituation?  

 Nicht im Speziellen in der Wohnsituation – nicht jeder verfügt aktuell auch über die finanziellen Mittel bzw. die finanzielle Sicherheit und Stabilität, um einen Wohnungswechsel in Betracht zu ziehen. Es werden aber – und das war während des Lockdowns schon stark zu beobachten – neue Wege gesucht, um den verfügbaren Wohnraum der Situation entsprechend optimal zu nutzen. So werden bzw. wurden z.B. bisherige Leseecken zur kleinen Arbeitsecke u.Ä. 

Wie haben berufstätige Mütter – insbesondere in Leitungsfunktionen – die Herausforderung Home-Office gestemmt?  

 Genauso, wie sie jede andere Herausforderung stemmen: Sie machen es einfach. 

Welche Hauptprobleme haben sich dabei gezeigt und welche Maßnahmen werden für eine mögliche zweite Welle getroffen?  

 Die Vereinbarung von Beruf und Familie war schon vor Corona ein brisantes Thema, gerade für Frauen und unabhängig von ihrer Position. Was es schon längst und gerade in Zeiten wie diesen braucht, ist ein Konzept, wie berufstätige Mütter entlastet werden können. Dieses sollte neben klaren Maßnahmen auch ein zeitgemäßes Werteleitbild beinhalten, immerhin können neben dem Arbeitgeber oder zusätzlichen Kinderbetreuungsangeboten auch die Gesellschaft, die Familie und der Partner unterstützend wirken. Frauen können alles schaffen, sie sollten es aber nicht müssen. 

Frauen können alles schaffen, sie sollten es aber nicht müssen. 

Wie können Frauen in Zukunft im Home-Office mehr Unterstützung einfordern bzw. umsetzen?  

 Frauen verfügen häufig über ein stark ausgeprägtes Harmoniebedürfnis und nehmen daher oft eine konfliktvermeidende Haltung ein. Hier könnte frau meines Erachtens gut ansetzen. Es werden keine angenehmen Gespräche sein, aber es ist ungemein wichtig, sowohl dem Partner als auch dem Arbeitgeber die eigenen Grenzen klar zu vermitteln. Eine Frau, die mit Kindern zuhause ist, kann schlichtweg keinen Vollzeitjob im Home Office ausüben, ebenso wenig kann sie sich zur Gänze alleine um den Haushalt kümmern. Es gilt zu vermeiden, dass Frauen ob der Mehrfachbelastung langfristig ausbrennen und das sollte nicht nur im Sinne jeder Frau selbst sein, immerhin profitieren davon auch Arbeitgeber und Partner.  

Wie weit haben die Männer bzw. Väter während des Lockdowns eine partnerschaftliche Rolle eingenommen? Oder blieb das meiste an den Frauen bzw. Müttern hängen?  

 Ohne einen persönlichen Blick in die Haushalte Österreichs geworfen zu haben ist mein Eindruck, dass das ganz stark abhängig von der Art der Beziehung und dem Arbeitsplatz beider Partner war. In einer zeitgemäßen Partnerschaft bin ich davon überzeugt, dass auch Männer großes Engagement gezeigt haben. Dennoch ist ein patriarchalisches Rollenbild in unserer Gesellschaft immer noch überwiegend präsent, daher ist anzunehmen, dass ein Großteil der Arbeit an den Frauen hängen blieb. 

Das Rollenbild 2020 zeigt deutlich, dass die Gesellschaft noch einen weiten Weg zu gehen hat. Was wünschen Sie sich für 2025? Wie können Frauen eine positive Entwicklung beschleunigen? Woran scheitern Frauen, wenn es um eine gleichberechtigte Haushaltsführung und Kinderbetreuung geht? Welche konkreten Tipps zur Umsetzung geben Sie?  

 Für 2025 wünsche ich mir, dass der gesellschaftliche Diskurs in punkto Rechte der Frau, nicht erloschen ist. Wir werden bis dahin keine großartigen Veränderungen erleben, das wird noch dauern, aber wir dürfen niemals aufhören, uns dafür einzusetzen. Es heißt also für uns Frauen: dranbleiben. Beschleunigen können wir diese Entwicklung, wenn Frauen, die es in führende Positionen geschafft haben, diese und ihren daraus gewonnenen Einfluss auch nutzen, um anderen Frauen den Weg zu bereiten. Was es noch mehr braucht, als wir aktuell bereits haben, sind starke Netzwerke. Frauen müssen sich gegenseitig noch mehr unterstützen und gemeinsam an einem Strang ziehen und das über alle sozialen Schichten hinweg. 

Frauen sollen sich nicht ruhigstellen lassen und nicht mit Rechten zufriedengeben, über die Männer schon seit Lebzeiten verfügen.

Warum hängen Haushaltsführung und Kinderbetreuung immer noch genderspezifisch an der Frau, auch wenn diese berufstätig ist?  

 Das ist eine gute Frage. Frauen dürfen seit Jahrzehnten wählen, Berufe ausüben, Auto fahren, etc. – dh. es fand eine schrittweise Angleichung der Rechte von Männern und Frauen statt. Dennoch blieb die klassische Rolle der Frau, nämlich die der Hausfrau und Mutter, beinahe zur Gänze weiter an ihr hängen. Es entsteht der Eindruck, Frauen hätten sich gewisse Rechte zwar hart erkämpft, diese aber nur erhalten, um sie quasi „ruhigzustellen“. Frauen sollen sich nicht ruhigstellen lassen und nicht mit Rechten zufriedengeben, über die Männer schon seit Lebzeiten verfügen – wir müssen auch im Jahr 2020 und bedauerlicherweise vermutlich noch viele weitere Jahre laut sein, wir müssen aufstehen und für uns einstehen, um in Zukunft eine genderneutrale Rollenverteilung auch nur annähernd zu erreichen. 

Ingrid Fitzek-Unterberger  ist Präsidentin des Salon Real.