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Corona und Diokletian

Die Nähe zu anderen Menschen, die aktuell so gefährlich erscheint, ist für unser Wirtschaften von immensem Vorteil. Die Ansammlung an Wissen und Erfahrung, die mögliche stärkere Arbeitsteilung, das spezialisierte Angebot an Gütern und Diensten, die effizienter genutzte Infrastruktur, all das sind Gründe dafür, warum sich das Zusammenrücken auszahlt.
Amelie Miller
Gutnher Maier
Gutnher Maier
© REMG

Die Coronakrise und die mit ihr einhergehende Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung regt die Phantasie an. Werden sich die Menschen von den Städten abwenden? Werden wir alle aufs Land ziehen und das Häuschen mit Garten bewohnen? Müssen unsere Städte vielleicht ganz anders aussehen? Vielleicht gar völlig neu gebaut werden? Die Fragen sind berechtigt. Aber bei den Zukunftsvisionen, die damit oft hochschwappen, ist beträchtliche Skepsis angebracht. Die Immobilienbranche sollte sich von diesen Visionen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Denn Städte machen ökonomisch Sinn und lassen sich im Normalfall auch nur sehr langsam und graduell ändern. 

Ballungsvorteile

Die Nähe zu anderen Menschen, die aktuell so gefährlich erscheint, ist für unser Wirtschaften von immensem Vorteil. Die Ansammlung an Wissen und Erfahrung, die mögliche stärkere Arbeitsteilung, das spezialisierte Angebot an Gütern und Diensten, die effizienter genutzte Infrastruktur, all das sind Gründe dafür, warum sich das Zusammenrücken auszahlt. In der Regionalökonomie nennen wir diese Kräfte „Ballungsvorteile“ und sie überwiegen normalerweise die „Ballungsnachteile“ bei weitem. Seit dem Mittelalter haben diese Effekte viele unserer Städte größer und größer werden lassen. Natürlich gibt es auch Beispiele von Städten, die an Bedeutung verlieren, und manchmal sogar von der Landkarte verschwinden. Grund dafür ist aber in den allermeisten Fällen das Wegbrechen der wirtschaftlichen Basis; sei es der Rückgang des Bergbaus oder die Abwanderung der Automobilproduktion im Fall von Detroit und anderen Städten des US Rust Belts.

Langlebigkeit

Sowohl wenn sie wachsen als auch wenn sie schrumpfen, sind Städte und die Stadtentwickler mit der zweiten oben angesprochenen Eigenschaft konfrontiert: der Langlebigkeit der gebauten städtischen Strukturen. Unsere Städte tragen überall die Spuren vergangener Jahrhunderte in sich. Man muss nur genauer hinsehen. Eine wichtige Straße des 18. Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich auch heute noch eine Straße. Die Häuser wurden zwar inzwischen erneuert, richten sich aber heute wie damals an der Straße aus.

Sehenswürdigkeiten

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Langlebigkeit von Stadtstruktur ist die kroatische Stadt Split. Ihren Kern legte vor 1.700 Jahren der römische Kaiser Diokletian fest, der dort an der Küste seinen rund 30.000 m2 großen Palast errichten ließ. Seine massiven Außenmauern boten den Bewohnern in der turbulenten Geschichte der Stadt oft Schutz. Die beiden wichtigsten Straßen des Gebiets markieren die interne Aufteilung eines römischen Militärlagers. Und auch der kulturelle Geschmack Diokletians wirkt noch heute nach. Das Peristyl des Palastes mit seinem syrischen Bogen ist eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten von Split.

Univ. Prof. Dr. Gunther Maier: Modul Universität Wien (MU). Gründer des Forschungsinstituts für Raum- und Immobilienwirtschaft an der WU Wien und Vizepräsident der European Real Estate Society.