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Das Bessere ist der Feind des Guten

Hohe Nachfrage. Zahlreiche internationale Ketten haben in den vergangenen Monaten erstmals Geschäfte in Wien eröffnet. Bei bereits in Österreich vertretenen Retailern geht der Trend in Richtung Standortoptimierung.
Harry Weber

Hohe Nachfrage. Zahlreiche internationale Ketten haben in den vergangenen Monaten erstmals Geschäfte in Wien eröffnet. Bei bereits in Österreich vertretenen Retailern geht der Trend in Richtung Standortoptimierung.

Die ungewöhnlich hohe Zahl an Übersiedlungen in der Innenstadt zeigt, dass die Retailer von bereits sehr guten an noch bessere Standorte ziehen“, sagt Jörg Bitzer, Einzelhandelsexperte bei EHL. Beispiele dafür sind Furla, Diesel oder Chanel. „Welche Lagen für ein Label optimal sind, kann aber nur individuell je nach Image und Zielgruppe beantwortet werden.“ In Einzelfällen rücken Unternehmen daher auch von den Top-Standorten in der Innenstadt ab, um sich in kostengünstigeren, aber durch potenzielle Kunden deutlich stärker frequentierten Lagen anzusiedeln. Das Jeans-Label Diesel zog beispielsweise vom Kohlmarkt in die Mariahilfer Straße um.

Aufgrund der starken Nachfrage können die Spitzenmieten ihr hohes Niveau von 400 Euro pro Quadratmeter halten, auf der Kärntner Straße liegen die Höchstmieten bei bis zu 230 Euro pro Quadratmeter, auf der Mariahilfer Straße bei bis zu 110 Euro pro Quadratmeter. In den Top-Shoppingcentern bewegen sich die Mieten zwischen 40 und 110 Euro pro Quadratmeter.

Unverändert schwierig ist die Situation in den B- und C-Lagen und für in die Jahre gekommene Shoppingcenter und Bezirkszentren. „Umfassende Attraktivierungs- und Umbaumaßnahmen, um den Standort zu stärken, sind daher jedenfalls einer der bestimmenden Trends in den kommenden Jahren“, so Bitzer. Derzeit wird z.B. das Shopping Center Nord einer Renovierung unterzogen. Dass sich Umbauarbeiten für Einkaufsstraßen rechnen, zeigt das Beispiel Meidlinger Hauptstraße. Diese weist nach der Revitalisierung deutlich gestiegene Frequenzen und mit 1,1 Prozent den österreichweit niedrigsten Leerstand auf.

Die Auswirkungen der Umbaumaßnahmen auf der Mariahilfer Straße lassen sich hingegen noch nicht abschließend abschätzen, die Tendenz ist jedoch positiv. „Es gab bereits einige Neuansiedlungen, wie z.B. Guess oder Hunkemöller, was als positives Signal zu werten ist. Derzeit sind neben der ALDO/Accessorize Fläche neben der Mariahilfer Kirche, dem ehemaligen Wien-Energie-Haus und den Slama-Flächen noch einige größere Leerstände zu verzeichnen, aber auch hier laufen bereits die Verhandlungen für eine Neuvermietung“, so Bitzer.

Potenzial für eine Umgestaltung bestehe mittelfristig auch bei der Favoritenstraße, die durch die Eröffnung des Bahnhofcenters am Hauptbahnhof unter Druck geraten ist und durch die Schließung des Traditionsmodehauses Tlapa im Frühjahr 2016 einen wichtigen Frequenzbringer verlieren wird. „Gleichzeitig wächst aber auch die Zahl potenzieller Kunden durch die zahlreichen Wohnbauprojekte im Sonnwendviertel, sodass sich hier interessante Perspektiven bieten könnten.“

[caption id="attachment_1709" align="alignleft" width="150"]Walter Wölfer, Head of Retail bei CBRE Österreich Walter Wölfer[/caption]

"Adäquate Gastronomie hilft, die Aufenthaltsdauer und den Durchschnittsumsatz pro Besucher zu erhöhen."

Zum Essen in Center

Shoppingcenter in der Region EMEA (Europe, Middle East and Africa) sind für Konsumenten die bevorzugten Orte, um zu essen und zu trinken. Dies ist das Ergebnis des erstmals veröffentlichten Reports „Food and Beverage in Shopping Centers“ von CBRE. Von den insgesamt 22.000 befragten Personen in ganz Europa gaben 41 Prozent an, Shoppingcenter in erster Linie zum Essen und Trinken aufzusuchen. Auf Restaurants und Cafés in der Innenstadt entfiel lediglich ein Anteil von 10 Prozent, weitere 7 Prozent nehmen ihr Essen in Fachmarktzentren zu sich.

Darüber hinaus gaben über 30 Prozent der Befragten an, die Shoppingcenter nur aufzusuchen, um zu essen und zu trinken. Vier von zehn befragten Personen gehen im Anschluss an ihr Essen im Shoppingcenter auf Einkaufstour, obwohl sie ursprünglich nur an der Gastronomie interessiert waren. „Dies zeigt, dass es eine beachtliche Synergie zwischen Gastronomie und Einkaufen in Shoppingcentern gibt. Adäquate Gastronomie hilft, die Aufenthaltsdauer und den Durchschnittsumsatz pro Besucher zu erhöhen“, sagt Walter Wölfler, Head of Retail bei CBRE Österreich. „Ein vielfältiges gastronomisches Angebot in Verbindung mit einem ansprechenden Ambiente hat eine große Bedeutung bekommen. Die Eigentümer und Betreiber von Shoppingcentern sind weiterhin in der Pflicht, moderne Konzepte mit hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln, um den gestiegenen Anforderungen der Konsumenten gerecht zu werden. Allerdings vermissen aktuell noch 43 Prozent der Kunden gute Restaurants und 45 Prozent das Angebot an gesunder Ernährung in den Shoppingcentern“, so Wölfler.

Verunsicherung Online-Handel

Die zunehmenden Aktivitäten des Online-Handels führen aber weiter zu gewissen Verunsicherungen in vielen Branchen. Die Einzelhandelsunternehmen reagieren mit unterschiedlichen Strategien auf den Trend zum Einkauf im Internet. Einerseits investieren sie in eigene Online-Shops, um zusätzliche Umsätze zu erzielen und Kosten zu sparen, andererseits investieren sie in die Eröffnung größerer Flagship-Stores an konzentrierten Standorten. Kleinere Geschäfte werden immer häufiger mit Online-Angebots-Unterstützung eröffnet.

Standorte mit einem hohen Anteil an Touristen gewinnen an Attraktivität. Nicht zuletzt beeinflusst auch die aktuelle Diskussion um die Sonntagsöffnung die Standortwahl. Die Schaffung von ausgewählten Zonen, in denen Geschäfte am Sonntag offen gehalten werden dürfen, wird weiterhin ein bestimmendes Thema im Wiener Einzelhandel bleiben. In allen anderen Bundesländern wurden solche „Tourismuszonen“ bereits verwirklicht.