News

Das Haus hört zu

Kannst Du bitte das Licht etwas zurückdrehen und Musik auflegen? Es war ein ziemlich stressiger Tag, und ich möchte mich etwas entspannen!“ Heute richtet sich der Wunsch noch an den liebevollen Partner oder Mitbewohner, in naher Zukunft könnte ihn das intelligente Haus gleich selbsttätig erfüllen.
Angelika Fleischl

Wie Spracherkennung die Heimautomatisierung vereinfacht.

Kannst Du bitte das Licht etwas zurückdrehen und Musik auflegen? Es war ein ziemlich stressiger Tag, und ich möchte mich etwas entspannen!“ Heute richtet sich der Wunsch noch an den liebevollen Partner oder Mitbewohner, in naher Zukunft könnte ihn das intelligente Haus gleich selbsttätig erfüllen. Spracherkennungssysteme, wie sie heute schon in jedem besseren Handy implementiert sind, sollen künftig auch die Kontrolle über das Smart Home übernehmen. Erste Lösungen sind in den Vereinigten Staaten bereits auf dem Markt, und auch wenn diese Anwendungen momentan noch etwas holprig erscheinen, geht die Entwicklung zügig voran.

Reale Welt liefert keine strukturierten Daten 

So arbeitet man bei IBM seit einigen Jahren eifrig an dem Projekt Watson, einer künstlichen Intelligenz, mit deren Hilfe es in Zukunft möglich sein wird, in ganz normaler Umgangssprache mit Maschinen zu kommunizieren. „Bisher mussten Computersysteme für alle Aufgaben programmiert werden und sie konnten nur mit strukturierten Daten wie Tabellen, Datenbankeinträgen oder Ähnlichem umgehen“, erläutert Marcus Kottinger, der Watson-Experte bei IBM Österreich, die Hintergründe des so genannten „kognitiven Computing“. Die reale Welt liefert aber keine strukturierten Daten – die Menschen kommunizieren untereinander in natürlicher Sprache, bei der Grammatik und Redewendungen ebenso entscheidend für eine Aussage sind, wie Humor und Ironie. Und all das lernt Watson sukzessive zu verstehen. Der Computer erkennt nicht nur die einzelnen Wörter als solche, sondern setzt diese auch in Kontext zu den anderen Wörtern, analysiert die Sätze grammatikalisch, strukturell und sucht nach Zusammenhängen - Watson versucht damit, die Absicht hinter dem Gesagten zu erkennen und darauf eine logische Antwort zu entwickeln. Und das mit dem Hintergrund, in Sekundenbruchteilen auf praktisch das gesamte Wissen der Welt zugreifen zu können.

Internet of Things

Vor allem in Verbindung mit dem vielzitierten „Internet of Things“, der Vernetzung von Geräten und Gegenständen unterschiedlichster Art und Herkunft, soll kognitiven Systemen wie Watson in Zukunft eine immer größere Bedeutung zukommen.

„In einem digital vernetzten Gebäude, egal ob Büro, Fertigungs-standort oder Wohnung, interagieren unterschiedliche Systeme und bieten so den maximalen Komfort für die Bewohner“, schildert Kottinger. „Mit Systemen wie IBM Watson kann das Home Automation System selbständig die Präferenzen der Person im Raum erkennen und darauf reagieren und sie ermöglichen eine Interaktion in natürlicher Sprache. Einfach gesagt: Ihr Haus spricht mit Ihnen und Sie mit ihm.“ Und die Zukunft, die Marcus Kottinger da schildert, liegt in gar nicht mehr so weiter Ferne.

Der Online-Händler Amazon etwa bietet seinen US-amerikanischen Kunden seit ein paar Monaten ein zylinderförmiges, etwa 25 Zentimeter hohes Device namens „Amazon Echo“ an, das an einem zentralen Punkt in der Wohnung aufgestellt wird und auf Zuruf reagiert. Es liefert dem Benutzer dann beispielsweise einen Wetterbericht, liest ihm seine nächsten Kalendereinträge vor oder es schaltet das Licht ein und aus und lässt die Jalousien herunter. Alexa, wie das Gerät im Sinne der Vermenschlichung auch genannt wird, soll, wenn es nach den Entwicklern geht, zu einem „Familienmitglied“ werden, mit dem man plaudern kann, das einem beim Frühstück erzählt, was in der Welt gerade geschieht, und das den Benutzer darauf aufmerksam macht, dass auf dem Weg zur Arbeit ein Stau ist und dass es günstig wäre, eine halbe Stunde früher aufzubrechen. Vor allem aber soll Alexa den Anwender beim Online-Shopping unterstützen: Man muss nur seinen Wunsch äußern und automatisch wird bei Amazon ein entsprechender Bestellprozess angestoßen. In der ersten Phase gilt dies nur für digitale Güter, sprich: man kann sprachgesteuert Musik, Videos und elektronische Bücher einkaufen, später soll das System jedoch auch auf andere Waren ausgeweitet werden. Der Vorteil für den Händler liegt auf der Hand: Kaufentscheidungen werden auf diese Weise viel spontaner getroffen, als wenn man sich erst vor den PC setzen, sich einloggen und dann eine Bestellung eintippen muss.

iveeDas amerikanische Startup-Unternehmen Ivee hat ebenfalls ein solches Spracherkennungssystem entwickelt, das allerdings, da es an keinen Großkonzern wie Amazon gebunden ist, sondern durch Crowd Funding finanziert wird, wesentlich offener und flexibler sein soll. So kann Ivee nachträglich in eine bereits bestehende Smart Home-Umgebung eingebunden werden und mit Geräten verschiedenster Hersteller kommunizieren. Damit kann das System beispielsweise auch Heizung und Klimaanlage kontrollieren. Wie Alexa ist auch Ivee – gesprochen wie Ivy – ein Mädchen. Die Entwickler denken allerdings bereits darüber nach, auch eine männliche Version auf den Markt zu bringen. Das Gerät selbst sieht aus wie eine kleine Stabantenne und ist Multiroom-fähig, das heißt, bei Bedarf kann in jedem Zimmer ein solches Device installiert werden, sodass man überall und jederzeit mit Ivee plaudern kann.

Alexa spricht nur amerikanisches Englisch 

So wie Alexa versteht auch Ivee vorerst nur amerikanisches Englisch. Während man sich bei Amazon noch bedeckt hält, ob und wann das System auch außerhalb der USA verfügbar sein wird, verkündet man bei Ivee stolz, die Geräte schon in Bälde praktisch in die ganze Welt zu verschicken. An der Implementierung anderer Sprachen und Akzente wird bereits gearbeitet.

Tüftler können ein derartiges System übrigens auch selbst realisieren: So findet man im Internet Bau- und Programmieranleitungen, wie man das Spracherkennungssystem von Google, das auf praktisch jedem Android-Handy läuft, für die Steuerung eines Home Automation Systems zweckentfremden kann. Für den Normalanwender sind derart komplexe Anwendungen freilich nur schwer bis gar nicht zu realisieren, aber sie beweisen zumindest, dass sich der finanzielle Aufwand für die Hardware in Grenzen hält – immerhin soll das Ganze sogar mit einem Raspberry Pi, einem nur knapp 30 Euro teuren Miniatur-Computer, funktionieren. Der wahre Wert der Anwendung liegt freilich in der Logik dahinter, sprich in der Software – und in der Intelligenz, die all das verwaltet und die viel zu mächtig ist, um – zumindest nach dem heutigen Stand der Technik – in irgendeinem Gerät, das direkt beim Anwender steht, Platz zu finden.

Und dort liegt auch das größte Problem, das freilich nicht verschwiegen werden darf und das allen derartigen Lösungen anhaftet: Die Spracherkennung erfolgt nicht in den kleinen Gerätchen, die im Haushalt stehen, egal, ob sie Alexa oder Ivee heißen oder selbst zusammengebaut wurden, sondern irgendwo in einem großen Rechenzentrum in der Cloud. Cloud heißt Wolke und es liegt nun einmal in der Natur einer Wolke, nicht wirklich greifbar zu sein. Natürlich versprechen die Anbieter der Services alle nur erdenkbaren Sicherheitsmaßnahmen und garantieren höchste Einhaltung der Privatsphäre, aber der Endverbraucher selbst hat keine Möglichkeit, zu kontrollieren, was mit seinen Daten tatsächlich geschieht. Er muss darauf vertrauen, dass das Automation System wirklich nur dann zuhört, wenn es von seinem Besitzer dezidiert dazu aufgefordert wird, und dass die Technologie nicht für einen umfassenden Lauschangriff, von welcher Seite her er auch immer kommen möge, missbraucht wird.