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„Das sagt die Wissenschaft“

Die Immobilienwirtschaft steht vor neuen Herausforderungen und muss sich dem Wandel der Gesellschaft fügen. Doch was wäre die Zukunft der Immobilienwirtschaft ohne Forschung & Lehre? Der ImmoFokus hat sich an den Fachhochschulen Österreichs umgehört und Experten nach Ihrer persönlichen Meinung gefragt.
Angelika Fleischl

Die Immobilienwirtschaft steht vor neuen Herausforderungen und muss sich dem Wandel der Gesellschaft fügen. Doch was wäre die Zukunft der Immobilienwirtschaft ohne Forschung & Lehre? Der ImmoFokus hat sich an den Fachhochschulen Österreichs umgehört und Experten nach Ihrer persönlichen Meinung gefragt.

Die Immobilienwirtschaft wird sich in den nächsten Jahren deutlich verändern; oder wird die Immobilienbranche geändert werden? Welchen neuen Herausforderungen muss sich die Immobilienwirtschaft stellen?

Digitalisierung verlangt neue Workflows und eine Neuausrichtung der Prozesse. Wo steht aus Ihrer Sicht die Immobilienbranche in Sachen Digitalisierung? Ist sie den Kinderschuhen entwachsen? Muss sie den Vergleich zu anderen Branchen - zum Beispiel Automobilindustrie - scheuen?

Was sind Ihre persönlichen drei Megatrends in der Immobilienwirtschaft?


Klemens Braunisch FH Wien der WKW Studiengangsleiter Immobilienwirtschaft

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Otto Bammer FH Wien der WKW Institutsleiter Immobilienwirtschaft

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Peter Sittler FH Wien der WKW Stiftungsprofessor Immobilienwirtschaft

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Gebäude bleiben immobil, aber Menschen und die Gesellschaft haben sich bereits erheblich verändert – dieser Prozess beschleunigt sich eher noch. Die raschen Veränderungen in der Immobilienbranche betreffen nicht nur rechtliche, wirtschaftliche und technische Themen, auch anlagenbezogene Geschäftsprozesse wandeln sich immer mehr zu informationsbezogenen Geschäftsmodellen, bei denen das Management von Daten und Informationen im Mittelpunkt steht. Die persönliche Information und Kommunikation kann und soll aber niemals ersetzt werden.

Die Digitalisierung läutet in vielen Bereichen der Immobilienwirtschaft eine nachhaltige Veränderung ein. „Industrie 4.0“ ist ein Begriff, „Immobilie 4.0“ nicht. Die Branche - und speziell Österreich - hat im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen und Ländern erheblichen Aufholbedarf. Darum haben wir am Institut im Rahmen der Stiftungsprofessur für Immobilienwirtschaft auch einen Forschungsschwerpunkt zu diesem Thema etabliert, um aktuelle Entwicklungen und Perspektiven aufzuzeigen. Unsere jeweiligen Studienpläne berücksichtigen bereits aktuelle Entwicklungen – und werden in Zukunft noch mehr in diese Richtung weiterentwickelt.

Building Information Modeling (BIM) betrifft den kompletten Lebens­zyklus und verbessert Planung, Bau und Bewirtschaftung von Immobilien, Big Data wird zu Smart Data und wesentlicher Erfolgsfaktor in der Immobilienwirtschaft, Augmented-Reality (AR) und Virtual-Reality (VR) werden die Vermarktung von Immobilien nachhaltig verändern.


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Christian Heschl FH Burgenland Gebäudetechnik und Gebäudemanagement Studiengangsleiter, Laborleitung Energie-Umweltmanagement

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Rahmenbedingungen wie die Digitalisierung und das damit verbundene Verschwinden von klar definierten Industriesektorgrenzen beeinflussen und prägen natürlich auch die Immobilienwirtschaft nachhaltig. So wird das Büro der Zukunft andere Anforderungen haben und die heute noch weit verbreiteten Büroformen ersetzen. Der Einzelhandelsimmobilienmarkt wird durch die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien gänzlich neu ausgerichtet. Zudem schafft der technologische Fortschritt neue Möglichkeiten der Individualisierung und somit auch neue Bedürfnisse am Wohnbaumarkt.

Bei den großen Bau- bzw. Technologiekonzernen ist bereits eine entsprechende, klare, strategische und technologische Ausrichtung deutlich erkennbar. Natürlich sind Bauprojekte nicht mit der Herstellung von Automobilen vergleichbar. Bauprojekte sind alleine aufgrund der verschiedenen Nutzeranforderungen, Bauordnungen und Brandschutzanforderungen wesentlich individueller. Zudem ist der Aufwand für eine detaillierte, gewerkeübergreifende Planung, die eine systematische Ableitung optimierter logistischer Prozesse ermöglicht, nicht zu unterschätzen und erfordert interdisziplinäres Know-how mit lokalen Branchenkenntnissen. Berücksichtigt man die Schnittstellenproblematiken und die individuellen Voraussetzungen jedes einzelnen Bauprojekts sind einige Unternehmen schon recht weit.

Digitalisierung, Individualisierung und Nachhaltigkeit.


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Christian Huber FH Kufstein Studiengangsleiter Bachelor Facility Management & Immobilienwirtschaft, Master Facility- & Immobilienmanagement, Institutsleiter Facility Management & Immobilienwirtschaft

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Die Immobilienwirtschaft ist Teil einer sich ändernden Gesellschaft und Teil der sich ändernden Industrie. Dennoch sind unsere Produkte immobil und bestehen deutlich länger als aufkommende Trends. Genau darum müssen Immobilien anpassbar und veränderbar bleiben. In der Entwicklung und dem Betrieb wird die Digitalisierung noch stärker Einzug halten. Dabei muss aus meiner Sicht jedoch kritisch hinterfragt werden, welche Digitalisierung tatsächlich auch zu einer besseren Performance über die gesamte Lebensdauer der Immobilie führt. Nicht alle aktuellen Digitalisierungstendenzen sind dringend notwendig. Als große Herausforderung sehe ich den Trend zur Individualisierung und Personalisierung unserer Gesellschaft. Dies hat starken Einfluss auf die Immobilien, in denen wir leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Das Individuum steht im Fokus. Hier muss sich die gesamte Immobilienbranche noch deutlich entwickeln. Eine gute Möglichkeit ist das Zuhören und Fragen nach den individuellen Bedürfnissen der Immobilienkundinnen und -kunden. Ich beziehe mich hier nicht nur auf die Eigentümerinnen und Eigentümer, sondern bewusst auch auf die Endverbraucher.

In der Immobilienbranche werden auch in Zukunft Prototypen ent- wickelt. Und dies ist gut so: Immobilien sind für einen bestimmten Zweck, einen bestimmten Ort und für eine bestimmte NutzerInnenschaft gestaltet und werden dafür betrieben. Auch wenn Flexibilität eine wichtige Immobilien-Eigenschaft ist. Hier geht es nicht um Masse, sondern um exzellente Abstimmung auf diese jeweils spezifischen Anforderungen. Daher ist die Immobilienbranche aus meiner Sicht anders als andere Branchen und kann mit diesen nicht verglichen werden. Dennoch könnte eine noch stärkere Digitalisierung erfolgen. Hier gilt es aber, kritisch die tatsächlichen Errungenschaften der anderen Branchen zu beleuchten und – wenn möglich – als Transfer im Immobilienbereich einzusetzen. Gerade im digitalen Workflow gibt es einige gute Ansätze, die auch für eine breite Masse anwendbar wären.

Stärkere Personalisierung und Fokussierung auf die Kundenzufriedenheit, Sinnvolle Analyse der Datenflut, Stärkere Vernetzung von Facility Management & Immobilienwirtschaft, Entwicklung & Betrieb, Wirtschaftlichkeit & Design.

Besonders im Bereich Kundenzufriedenheit und Datenanalyse bearbeitet mein Institut aktuell Forschungs- & Entwicklungsprojekte, die zur Zeit in der Branche große Beachtung finden. Siehe auch http://fmi.fh-kufstein.ac.at


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Christian Polzer FH Campus Wien Studiengangsleiter Green Building

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In der Immobilienwirtschaft, speziell in der Planung und im Bau der Immobilien, wird der Einfluss des nachhaltigen Bauens immer größer. In Zukunft wird das Gebäude über die Lebenszykluskosten und nicht mehr über die Errichtungskosten bewertet.

Derzeit ist die Automobilindustrie der Bauindustrie in Sachen Digitalisierung noch voraus. Jedoch wird in Zukunft die Immobilienbranche stark aufholen, Stichwort BIM, integrale Planung, modulares Bauen etc.

Green Building, BIM


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Michael Weintögl FH Wiener Neustadt

 

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Die Immobilienwirtschaft ist zum einen ständig Änderungen unterworfen, da je nach der wirtschaftlichen Entwicklung unterschiedliche Produkte (Büros, Mietwohnungen, Eigentumswohnungen, Investitionsobjekte, Logistikimmobilien etc.) nachgefragt werden. Einschneidende Änderungen wird es durch die Digitalisierung aller Lebens­bereiche geben. Insbesondere das Suchen und Finden von Immobilien, das Zusammenkommen von Anbietern und Nachfragen von Wohn-und auch von Büroraum wird sich entscheidend ändern.

In den Bereichen der Bewirtschaftung von Immobilien sowie ihrer wertmäßigen Beurteilung und Erfassung ist die Digitalisierung immer weiter auf dem Vormarsch; Insbesondere Wohnraum ist allerdings ein sehr individuelles Produkt und kann weder in der Herstellung noch im Betrieb oder im Vertrieb mit automotiven Produkten verglichen werden. Dennoch wird der Online-Vertrieb von Immobilien weiter stark zunehmen. Neue Geschäftsmodelle sind im Entstehen. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht weiterhin fachliche Expertise und umfassende Marktkenntnisse von außerordentlicher Bedeutung sein werden.

Nachfrage nach leistbarem Wohnraum (kleinere Einheiten, einfachere Bauweisen, am Rande von Ballungsräumen) wird weiter zunehmen. Beratungsleistungen werden viel bedeutender werden (in allen Immobilienbereichen). Vermittlerleistungen werden an Bedeutung einbüßen. Multifunktionale Immobilien (Nutzung z.B. als Logistik- aber auch als Retailimmobilie) werden Immobilien mit singulärer Nutzung ablösen.