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Der (bau)gesperrte Wirtschaftsraum

Wien - Bratislava:.Viele Hindernisse bremsen große Entwicklungschancen. Eine davon sind Bausperren.
Ernst Denk

Wien - Bratislava:.Viele Hindernisse bremsen große Entwicklungschancen. Eine davon sind Bausperren.

Die Region Wien-Bratislava war schon vor dem Ersten Weltkrieg ein bedeutender Kultur-, Verkehrs- und Wirtschaftsraum in Europa. Vor allem durch die Aufteilung der Monarchie in Nationalstaaten und das Entstehen des Ostblocks nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen die Synergien der einzelnen Teile dieser Region für Jahrzehnte verloren. Nach dem Niedergang des Ostblocks und Wegfall des „Eisernen Vorhanges“, besonders aber nachdem das gesamte Regionsgebiet seit 2004 in der Europäischen Union und seit Dezember 2007 in der im Inneren grenzkontrollfreien Schengenzone befindet, wurden die großen Chancen und Möglichkeiten teilweise erkannt und die Entwicklung des Gebietes zu einem der stärksten Wirtschaftsräume Europas angestrebt.

Keine Hauptstädte in Europa liegen so nah beieinander wie Wien und Bratislava mit bloß 60 km Entfernung. Diese unmittelbare Nachbarschaft bietet eine einzigartige Zukunftsper-spektive durch Nutzung der jeweiligen regionalen Stärken, wie hohes Ausbildungsniveau der Bevölkerung, wirtschaftliche Dynamik, unterschiedliche industrielle Schwerpunkte, ideale Lage an den Schnittstellen mehrerer europäischer Verkehrsachsen und freie Flächen für Betriebs- und Bevölkerungsansiedlungen.

Hindernisse für die Weiterentwicklung

Trotz dieser einmaligen Grundlagen zur Entwicklung eines gemeinsamen führenden europäischen Wirtschaftsraumes kam das Fortschreiten dieses Projektes in den letzten Jahren ins Stocken und konnten nicht alle Chancen verwirklicht werden.

Ein wesentlicher Faktor für die Verlangsamung des Zusammenwachsens und Entwickelns in dieser Region liegt vor allem darin, dass auf politischer Ebene vermehrt die notwendige Unterstützung fehlt. Dies zeigt sich in letzter Zeit auch in der Bestrebung österreichischer Gemeinden, den Zuzug slowakischer Einwohner und Betriebe, welcher eine natürliche Reaktion auf das Zusammenwachsen dieses Wirtschaftsraumes wäre und auch tatsächlich ist, zu verhindern.

Tatsache ist, dass die Nachfrage nach Bauland in den grenznahen österreichischen Gemeinden insbesondere durch slowakische Bürger stark steigt. Schon jetzt sind die Liegenschaftspreise in Bratislava höher als in den österreichischen Umlandgemeinden. Wegen der hohen Lebensqualität, der Sicherheit und der geringen Entfernung zu ihrer Hauptstadt wollen sich daher immer mehr slowakische Bürger hier ansiedeln und Wohnraum erwerben.

Hindernis Bausperre

Ein in der Praxis vermehrt vorkommendes Hindernis sind Bausperren auf Gemeindeebene. Als Beispiel hierfür kann die Bausperren-Praxis einer kleineren burgenländischen Marktgemeinde, direkt an der Grenze zu Bratislava, angeführt werden. Bereits in der Vergangenheit wurde eine Bausperre mit Verordnung erlassen, diese Bausperre im Oktober 2013 wieder aufgehoben und im Dezember 2013 eine neuerliche befristete Bausperre mit Geltungsdauer von zwei Jahren kundgemacht, wobei bereits in dieser Verordnung festgelegt wurde, dass „zur Sicherung der Planungsvorhaben“ diese „einmal um ein Jahr verlängert werden“ kann.

Grundlage dieser Verordnung ist § 26 des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes. Gemäß dieser Bestimmung hat der Gemeinderat, „wenn dies zur Sicherung der späteren Durchführung des aufzustellenden Planes notwendig ist“ für das Gemeindegebiet oder für Teile desselben durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen.

Die in der betroffenen burgenländischen Gemeinde auf Grundlage dieser landesgesetzlichen Bestimmungen im Dezember 2013 erlassene Verordnung des Gemeinderates über eine befristete Bausperre legte als Zweck der Bausperre die „Erhaltung des dörflichen Charakters“ fest und wurde hierbei als Ziel angeführt, „die Durchführung von Bauvorhaben, die dem Ziel der Erhaltung des dörflichen Charakters möglicherweise entgegenstehen, solange zu unterbinden, bis der Bebauungsplan mit dem präzisierten Zielvorschreibungen und Bebauungsbestimmungen verordnet werden konnte“.

Wegen der räumlichen Nähe der betreffenden burgenländischen Gemeinde zum slowakischen Staatsgebiet und insbesondere auch der Hauptstadt Bratislava wurden sodann bei dieser Marktgemeinde auch während dieser Bausperre Bauvorhaben eingereicht und Aus-nahmen von der Bausperre beantragt, da eine Nachfrage, insbesondere auch durch slowakische Staatsbürger und Betriebe, schon vor Ablauf der Sperre als interessant erschien.

Zur Überraschung der Bauwerber wurden aber gar nicht erst der eigentlich gemäß § 26 Burgenländisches Raumordnungsgesetz für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen zuständige Gemeinderat befasst, sondern auf Grundlage einer „Stellungnahme“ eines Sachverständigen an den Bürgermeister ohne nähere Begründung das Zuwiderlaufen des Zieles mitgeteilt und eine Ausnahme­bewilligung abgelehnt. Mit den gutachterlich vom Bauwerber nachgewiesenen Übereinstimmungen mit den Zielen setzte man sich gar nicht erst auseinander.

Abgesehen davon, dass bei der „Abweisung“ der Ausnahmegenehmigung gar nicht das zuständige Organ, nämlich der Gemeinderat, tätig wurde, lag auf der Hand und wurde unter „vorgehaltener Hand“ mitgeteilt, dass ein weiterer Zuzug von slowakischen Staatsbürgern politisch nicht gewünscht und akzeptabel sei und daher jegliche Bauvorhaben, welche einen solchen Zuzug unterstützen, verhindert werden sollen.

Dies entspricht auch schon dem „Geist“ des Zustandekommens der Bausperren, in welchen in der Gemeinderatsitzung bemängelt wird, dass in der betroffenen Gemeinde „einige bebaute Gebiete ... einen Baustil wie in Petrzalka auf(weisen)“, also durch Errichtung von Bauten durch slowakische Bürger die Ge-meinde einem Stadtteil von Bratislava mit sehr hoher Wohndichte ähnelt.

Vor Abschluss des Bauverfahrens und insbesondere vor Einräumung hinreichenden Parteiengehörs wird daher offensichtlich aus rein politischen Gründen durch die Gemeindevertretung (und nicht das eigentlich zuständige Organ Gemeinderat) eine Entscheidung getroffen, nämlich keine Ausnahme von der Bausperre zu gewähren, um keinen weiteren Zuzug slowakischer Staatsbürger und Betriebe zu ermöglichen. Durch dieses Vorgehen wird daher ohne Durchführung eines ordentlichen Verwaltungsverfahrens die Ermessensentscheidung gemäß Verordnung zu einer behördlichen Willkür verwendet und dem burgenländischen Raumplanungsgesetz bzw. der Bausperren-Verordnung ein gesetzes-, verfassungs- und europarechtswidriger Inhalt unterstellt.

Mögliche Vorgangsweisen

Sofern mit der Gemeindebehörde kein Einvernehmen über eine Ausnahmebewilligung gefunden werden kann, bleibt dem Bauwerber nichts anderen übrig, als den Weg des Instanzen­zuges bzw. der Normprüfung zu gehen: Kann durch Ausschöpfung des Rechtszuges gegen den abweisenden Bescheid in der In-stanz (Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht) keine Aufhebung des abweisen-den Bescheides erreicht werden, wäre es als aussichtsreich anzusehen, den Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof und/oder Verfassungsgerichtshof mit Revision gemäß Art 133 B-VG bzw. Beschwerde gemäß Art 144 B-VG anzufechten. Allenfalls wäre auch eine unmittelbare Anfechtung des Raumordnungsgesetzes und/oder der Bausperren-Verordnung beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 B-VG bzw. Art 140 B-VG zu erwägen.

Letztlich ist auch noch zu überlegen, Schadenersatzansprüche (insbesondere auch auf Grundlage des Amtshaftungsgesetzes) gegen die Gemeinde geltend zu machen. Die Bauprojekte sind jeweils mit großen Vorbereitungskosten verbunden, dessen Ersatzleistung durch die Gemeinde angestrebt werden könnte.