Wie wird sich der steirische Immobilienmarkt in den nächsten Jahren entwickeln? In welchen Assetklassen sehen Sie das größte Potenzial?
Dieter Johs: Das Zentrum des steirischen Immobilienmarktes ist natürlich Graz beziehungsweise Graz Umgebung als Speckgürtel. In Graz verzeichnen wir einen Zuzug, es kommen ca. 3.000 Menschen pro Jahr dazu. Wir werden von aktuell rund 290.000 Einwohnern in den nächsten zehn Jahren – also bis 2028 bzw. 2030 – auf 320.000 ansteigen. Diese Menschen müssen alle wohnversorgt werden. Es wird notwendig sein, zusätzliche Wohnungen zu bauen. Diese Wohnungen sollen in erster Linie unter dem Titel „leistbar“ eingestuft werden. Die meisten Menschen, die aus der Obersteiermark bzw. aus den angrenzenden Nachbarländern zu uns kommen, haben nicht so viel Geld, sich in den Bestlagen im Grazer Osten Häuser zu bauen oder Luxuswohnungen zu kaufen. Das sind die Mieter der Anlegerprojekte, die auf Flächen von 35 bis 60 Quadratmetern – je nach Anzahl der Familienmitglieder – ihre Wohnbedürfnisse erfüllen wollen. Das Preisniveau ist in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gegangen. Sowohl bei Eigentums- als auch Mietwohnungen haben wir Steigerungen von bis zu 30 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Was dazu kommt, ist, dass wir derzeit in der erfreulichen Situation sind, nahezu Vollbeschäftigung anbieten zu können. Weil die Steiermark als Gewerbe- und Industriestandort sich gut etabliert hat. Die Autoindustrie und auch namhafte Forschungsunternehmen, wie Magna, Knapp, Andritz, AVL List oder die AMS Auto- u. Motoren-Service in Premstätten. Diese Unternehmen führen dazu, dass wir auch temporäre Arbeitskräfte begrüßen dürfen, die fachspezifische Aufgaben erfüllen.
Was bedeutet das für Sie als Projektentwickler?
Das heißt für uns Projektentwickler einerseits, dass wir genügend Projekte anbieten können. Andererseits, dass wir die Grundrisse so gestalten, dass auf möglichst wenig Raum alle Funktionen abgedeckt sind. Warum pfiffige Grundrisse? Viele Mieter können sich nur noch Wohnungen für 500 bis 700 Euro pro Monat leisten. Da gehen sich nicht mehr als 50 bis 60 Quadratmeter aus.
Wie schaut es am Büromarkt aus? Wenn man durch Graz fährt, hat man den Eindruck, es gibt keine Büroprojekte.
Wir haben einen nach wie vor konservativen Büromarkt in Graz. Es finden kaum neue Unternehmen den Weg nach Graz. Die meisten Büronutzer, die neue Büroflächen in Graz suchen, sind Unternehmen, die expandieren oder ihren Standard verbessern wollen. Aktuell haben wir mit dem A2Z BUSINESS TOWER ein rechtskräftig bewilligtes Bauprojekt in der Pipeline. Auf der rund 15.000 Quadratmeter großen Nutzfläche ist die Unterbringung von Hotel- und Büroeinheiten und einer Tiefgarage vorgesehen.
Wie sieht es bei diesem Projekt mit der Vorverwertung aus?
Keine Frage: Es ist nicht leicht, 13.000 Quadratmeter in Graz zu füllen. Wir sind gerade in Gesprächen mit potenziellen Nutzern, ich bin positiv gestimmt. Es bietet sich das Projekt aber klarerweise für Headquarter an.
Was spricht für den Standort Graz?
Graz ist eine Stadt der kurzen Wege. Wir haben eine hohe Lebensqualität, ein gutes Klima – nicht nur, was das Wetter betrifft, auch, was das Freizeitverhalten betrifft. Wir haben vier Universitäten, eine Menge an Fachhochschulen. Was die Unternehmen an Graz und Umgebung schätzen, ist der hohe Bildungs- und Ausbildungsstandard. Die Infrastruktur ist bestens in Graz – überall. Egal, wo ich baue. Wir haben Schulen, Kindergärten, Lebensmittelhändler, das Krankhaus Ost, West und Süd. Graz bietet eine hohe Freizeitqualität.
… und was spricht gegen Graz?
Was in Graz nicht so gut funktioniert, ist die Verkehrspolitik. Viele, die in Graz arbeiten, kommen – auch aufgrund der hohen Preise in Graz – aus dem Umland. Vorzugsweise aus dem Süden und dem Osten der Landeshauptstadt. Die Park&Ride-Projekte funktionieren nicht bzw. nicht zur Gänze. Der Behördenablauf muss optimiert werden. Die Verfahren im Bereich der Bebauungspläne und zur Erlangung der Baubewilligung dauern zu lange. Das liegt daran, dass die Behörden oft den wirtschaftlichen Druck nicht erkennen, dem die Projektentwickler ausgesetzt sind. Zudem gibt es auch differenzierte Zugänge zu einzelnen Fachthemen in der Behörde selbst – ich möchte es Partikularinteressen nennen.
Wie sehen Sie die zukünftige Preisentwicklung?
Ich gehe davon aus, dass die Preissteigerungen, aber auch die Mietpreisentwicklung abflachen werden. Aufgrund der entsprechenden Zuwanderung denke ich, dass wir weiterhin produzierte Wohnungen am Markt gut platzieren können. Anlegerwohnungen sind die logische Folge. Wenn es Mieter gibt, dann gibt es auch Anleger, die die Wohnung anbieten wollen. Da haben wir in den letzten Jahren verstärktes Interesse und Nachfrage orten können. Nicht nur von den individuellen, sondern auch von den institutionellen Anlegern, wie Kapitalanlagegesellschaften, Immobilienfonds, die früher auf Wien beschränkt waren und jetzt auch aus der Not, weil es in Wien zu wenig Projekte gibt, auf andere Landeshauptstädte ausweichen. Da meine ich nicht nur die Wiener Kapitalanlagegesellschaften und Fonds, sondern auch die deutschen. Aus meiner Sicht vollkommen zu Recht. Ich bin auch Sachverständiger und sehe auch an Projekten der institutionellen Anleger, dass diese wirklich gut verwertet sind.
Mit welchen Renditen darf ich in Graz rechnen?
Für Büroflächen erwarte ich eine Rendite von 4,5 bis 5,5 Prozent – immer vorausgesetzt, es sind Neubauprojekte. Beim Wohnen bin ich mit 3 bis 3,5 Prozent auch schon zufrieden. Es sind immerhin mindestens zwei Prozent mehr als am Sparbuch.
Sind Sonderimmobilien für Sie ein Thema?
Als WEGRAZ-Gruppe haben wir nicht nur den klassischen Wohnbau im Fokus. Wir beschäftigen uns nach wie vor auch mit den Bereichen Handel, Industrie, Büro und Gewerbe. Den Schwerpunkt sehen wir entsprechend der Nachfrage am steirischen Markt jedoch im Wohnbau.
Mit Schwerpunkt Graz …?
Nein, nein. In der Steiermark sind wir nicht nur in Graz, sondern auch vorzugsweise in den Bezirkshauptstädten tätig. Beispielsweise in Hart bei Graz, dort läuft der Wohnbau hervorragend. Wir haben Projekte in Bärnbach, dort haben wir gerade einen Wettbewerb ausgelobt und beginnen aktuell mit den Planungstätigkeiten. Im Zentrum von Hartberg haben wir ein Projekt mit durchaus achtbarem Erfolg realisiert und mit „Sun Lodge Schladming“ in Schladming ein Ferienimmobilien-Objekt, auf das wir besonders stolz sind.
Wir sind auch in Wien tätig. Wir wissen, dass der Immobilienmarkt in Wahrheit der Wiener Markt ist. Die Märkte in den Landeshauptstädten sind im Vergleich dazu „Märktchen“. Aber wir haben auch den Grundsatz: Wenn Du den Heimmarkt verlässt und in einen fremden gehst, brauchst du Partnerschaften. Ein Partner muss im jeweiligen Markt vernetzt sein und von Grund auf nachhaltig gut situiert sein, Erfahrung haben – sonst bist du als frisch Hinzugekommener immer Zweiter.
Mit welchen Partnern arbeiten Sie in Wien?
Wir haben zwei verschiedene Partner in Wien. Einen privaten Projektentwickler und wir sind gerade dabei, auch einen institutionellen als Partner zu gewinnen.
Wann ist das spruchreif?
Ich schätze, in den nächsten drei Monaten werden wir das finalisieren.
Welche Bedeutung hat der Tourismus für den steirischen Immobilienmarkt?
Eine deutlich steigende. Graz würde sich aber ein größeres Stück vom Kuchen verdienen. Touristen besuchen in erster Linie Wien, dann Salzburg und Innsbruck. Wir wissen alle, dass Wien eine wunderschöne Stadt ist. Aber ich behaupte, dass die Grazer Altstadt mindestens so attraktiv ist wie Salzburg und Innsbruck. Durch geschicktes Stadtmarketing gelingt es jetzt doch auch, die Touristenströme durch Graz durchzuleiten. Die Leute, die in Graz waren, sind von der Stadt begeistert. Das einzige, was wir noch adaptieren müssen, ist das Hotelangebot und da arbeiten wir daran. Wir errichten gerade ein Hotel am Pfauengarten und sind knapp davor, ein zweites zu realisieren.
Seit den internationalen Geschehnissen orten wir eine verstärkte Nachfrage nach Immobilien für Urlaub in Österreich und der Steiermark. Jede Tourismusgemeinde wird bestätigen, dass die Nächtigungszahlen nach oben gehen. Hier sehe ich ein Potenzial für qualitative Wohneinheiten oder Hoteleinheiten in attraktiver Umgebung. Ich muss den Touristen etwas anbieten können. Eine schöne Gegend allein wird zu wenig sein.
In welcher Kategorie bewegen sich die beiden Hotels?
Im Vier-Stern-Bereich – Business-Hotels, die ebenso touristischer Nutzung entsprechen werden.
Weil Sie Retail angesprochen haben: Gibt es noch interessante Projekte im steirischen Raum?
Unser Projekt Euromarkt Kapfenberg haben wir heuer an einen institutionellen Anleger verkauft. Und neue Projekte gibt es aufgrund der raumordnungsrechtlichen Vorgaben nicht. In Zukunft werden wir uns darauf konzentrieren, bestehende Standorte, die in die Jahre gekommen sind, zu erwerben, um diese „refreshed“ wieder auf den Markt anbieten zu können.
… 50.000 Studenten in Graz. Da sollten Studentenheime boomen?
Gute Frage. In den letzten Jahren sind viele Studentenheime wie zum Beispiel Green Box und Milestone vor allem im Grazer Westen in der Nähe der neuen Fachhochschulen entstanden. Einige Studentenheimprojekte sind auch in der Pipeline. Wir haben uns derzeit noch bei keinem Studentenheim beteiligt, sind aber durchaus offen für allfällige Entwicklungen bei unseren Projekten. Insbesondere der Smart City Graz Mitte, wo wir im Bauteil Süd Hälfte-Eigentümer und im Bauteil Nord Drittel-Eigentümer sind.
Was war bis jetzt Ausschlussgrund für studentisches Wohnen?
Eigentlich nur der, dass wir keine geeigneten Projektliegenschaften anbieten konnten. Studentisches Wohnen braucht eine gewisse Größe. Es ist auch notwendig, die Verbindungen zu den Bildungseinrichtungen möglichst kurz zu halten. Grundstücke, die all diese Voraussetzungen erfüllen, sind rar. In Leoben haben wir ein Apartmenthaus für Studenten durch unsere gemeinnützige Gesellschaft errichten lassen. Unser Fokus lag in den letzten Jahren auf anderen Projekten.
Sie haben die Verkehrspolitik angesprochen. Was muss sich ändern?
Man muss großzügiger sein. Man sollte nicht glauben, durch Reduktion der Fahrspuren und durch die Installation von künstlichen Hindernissen die Leute davon abhalten zu können, in die Stadt zu fahren. Es muss attraktive Garagen geben, um die Fahrzeuge von der Straße wegzubekommen. Aber die Stausituation in und um Graz zeigt, dass es bisher keine Lösungen gegeben hat, die diesem starken Verkehrsaufkommen entsprechen.