Das Verhältnis der Österreicher zum großen Bruder im Nordwesten ist nicht immer von Liebe und Zuneigung geprägt: Gerne werden Kosenamen wie „Piefke“ oder „Schluchti“ ausgetauscht und der „Große“ lässt mit Liebe keine Gelegenheit aus, es dem „Kleinen“ ordentlich zu zeigen. Da müssen wir uns gar nicht beim Fußball blamieren, um zur Zielscheibe zu werden, und wenn dann noch die Komödie um die Bundespräsidentenwahl dazukommt, kennt die triefende Häme keine Grenzen. Aber wenn in einem fiebrigen Anfall von Sommerlochgrippe ein deutsches Massenblatt W.A. Mozart, unsern „Woiferl“, zum beliebtesten Deutschen erklärt, windet sich die österreichische Seele vor Schmerz über die Dummheit des „Großen“.
Ösis an vielen Schaltstellen der deutschen Wirtschaft
Dabei vergessen die germanischen Brüder gerne, dass die „Ösis“ schon längst viele Schaltstellen der deutschen Wirtschaft besetzt halten. So ist der gebürtige Linzer Paul Michael Achleitner seit Jahren Aufsichtsratsvorsitzender des größten Versicherungskonzerns der Welt, der Allianz. An der Spitze des Unterhaltungsriesen RTL Group stand ein knappes Jahrzehnt lang der Ottakringer Gerhard Zeiler. Die Lufthansa flog jahrelang mit dem Oberösterreicher Wolfgang Mayrhuber an der Spitze, bevor er ebendort Aufsichtsratsvorsitzender wurde.
Und auch wenn‘s ums Bauen und Immobilien geht, sind die Österreicher partout nicht auf der Kriechspur unterwegs: Alle großen Immobilienkonzerne fischen seit Jahren ordentlich im deutschen Teich und die Baukonzerne geben Vollgas. Die Strabag, seit Langem in ganz Europa unterwegs, kassiert in Deutschland ordentlich ab und holte sich schon 1997 das gleichnamige Kölner Unternehmen. 2005 ging die Aktienmehrheit der Ed. Züblin AG an das heimische Unternehmen. Mit vielen weiteren Akquisitionen sicherte man sich einen Platz ganz oben beim Nachbarn. So hält die Strabag zum Beispiel eine Spitzenposition im deutschen Wasserbau.
Der österreichische Baukonzern Porr machte schon 2013 einen Umsatz von 600 Millionen Euro in Deutschland; nach dem Willen von Vorstandschef Karl-Heinz Strauss soll ehebaldigst die Milliarden-Euro-Schallmauer geknackt werden. Hochtief und Bilfinger haben sich neue Schwerpunkte abseits des klassischen Baugeschäfts gesucht und so war gut Platz für die expansionshungrigen Österreicher. Die wollen besonders bei staatlichen Investitionen in die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur punkten. Das nach der Strabag größte Bau- unternehmen der Alpenrepublik hat schon beim U-Bahn-Bau in Berlin, beim Emscherkanal im Ruhrgebiet und beim Bahnprojekt Stuttgart 21 gezeigt, dass man auch Großprojekte effizient stemmen kann.
Auch die ehemalige Tochter UBM baut und verkauft beim Nachbarn ganz so, als gäbe es dort keine heimische Konkurrenz. Die UBM, in ihrer Aufstellung vor dem Umbau, fungierte mit der Warimpex als Entwickler beziehungsweise Betreiber von Hotels, das operative Management lag oft in Händen der Vienna International Hotelmanagement AG. Doch mit Hotels alleine gibt man sich nicht zufrieden: Mit der UBM-Tochter Münchner Grund erfolgte zum Beispiel vor wenigen Wochen der Spatenstich für das neue Headquarter des Versandriesen Zalando in Berlin. Der Immobilienentwickler europäischen Formats, wie er sich selbst sieht und der er unleugbar ist, notiert übrigens seit wenigen Wochen auch im höchsten Segment der Wiener Börse - dem prime market.
Ein Stück vom deutschen Kuchen abschneiden
Auf der Immobilienseite gibt es kein heimisches Unternehmen von Rang und Namen mehr, dass den Schwerpunkt seiner Aktivitäten nicht nach Deutschland verlagert hätte. Immofinanz, CA Immo und Conwert haben sich ordentlich was vom großen deutschen Kuchen abgeschnitten – davon gibt’s eine Story in dieser Ausgabe. Soll jetzt noch einer sagen, die „Schluchtis“ hätten keinen Drive!