25 Jahre BIG – ein Grund zum Feiern?
Hans-Peter Weiss: Auf jeden Fall. Die BIG ist eine Erfolgsgeschichte. Im Vorjahr haben wir erstmals den Umsatz auf über eine Milliarde Euro und das Ergebnis gesteigert. Die hohe Vermietungsquote von 98,5 Prozent unterstreicht die optimale Ausrichtung unseres Portfolios. Wir dürfen mehr als zufrieden sein.
Das starke Wachstum ist vor allem auf die Wohnbauinitiative der ARE zurückzuführen?
Nicht nur, aber das Engagement der ARE im Wohnbau ist ein wichtiger Teil der Gesamtwachstumsstrategie des BIG Konzerns. Mit der ARE können wir aufgrund ihrer Ausrichtung auf Bedürfnisse des Marktes flexibel und schnell reagieren. Wohnungen werden derzeit dringend benötigt. Daher wird ein Projektvolumen von zwei Milliarden Euro bis 2020 in Umsetzung gebracht. Von den zwei Milliarden sind auch mittlerweile rund 75 Prozent in der Pipeline, wenn auch in unterschiedlichen Stadien. Allein mit den Stadtentwicklungsprojekten Wildgarten, Ensemble und TrIIIple bauen wir derzeit mehr als 3.000 Wohnungen.
Miet- oder Eigentumswohnungen?
[caption id="attachment_16517" align="alignright" width="503"] © GNK Media House / Jasmina Rahmanovic[/caption]Sowohl als auch. Wobei das Verhältnis etwa 50:50 beträgt.
Kommt nach 2020 eine weitere ARE-Wohnbauinitiative?
Unser Engagement im Bereich Wohnen ist langfristig ausgelegt.
Was heißt das?
Dass wir auch nach 2020 weiter in Wohnungen investieren wollen.
Wie sehen Sie das Problem der stark steigenden Grundstückspreise?
Es wird zunehmend schwierig, geeignete Grundstücke zu finden. Man wird einfach weiter verdichten und damit auch in die Höhe bauen müssen. Langfristig wird natürlich auch im Wiener Umfeld investiert werden. Dazu braucht es aber im Vorfeld die dazu notwendige Infrastruktur.
Wie stark belasten die steigenden Baukosten das Budget? Klettern bei den Bauunternehmen die Preise in die Höhe, wenn die BIG anfragt? Das trifft ja dann nicht einen der Ärmsten der Branche. Die BIG ist ja ein BIG Player.
Wir spüren deutlich, dass die Auftragsbücher der Unternehmen voll sind – das schlägt sich auch in den Angebotspreisen nieder. Ich sehe aber nicht, dass man bei uns probiert, höhere Preise durchzusetzen. Wir bewegen uns ja auch im Rahmen des Vergaberechtes. Allein 2016 haben wir über 500 Millionen Euro in Neubauten, Generalsanierungen und Instandhaltungsmaßnahmen investiert. Ein Großteil davon wird über regionale Klein- und Mittelbetriebe abgewickelt.
Alle bauen nachhaltig. Ist „Nachhaltigkeit“ zum Schlagwort verkommen?
Nachhaltigkeit darf eben nicht zur leeren Phrase verkommen. Darum versuchen wir auch, unsere nachhaltigen Ansätze mit Inhalt zu beleben. Ein gutes Beispiel sind hier der MED CAMPUS Graz und die Wirtschaftsuniversität Wien. Der MED CAMPUS Graz ist als erstes Laborgebäude überhaupt mit der höchsten Zertifizierungsstufe der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) konzipiert. Die Vorzertifizierung dafür hat bereits stattgefunden. Aber auch Österreichs erstes Laborgebäude aus Holz für die Universität für Bodenkultur in Tulln erreicht Niedrigenergiehausstandard. Das Projekt erfüllt sowohl ökonomische, ökologische als auch soziale Aspekte von Nachhaltigkeit und entspricht damit den hohen Anforderungen der BIG. Mit dem Schwackhöfer-Haus in Wien Döbling ist bereits das nächste Holzbauprojekt für die BOKU in der Pipeline.
Was waren die Kriterien für die Zertifizierung des MED CAMPUS Graz?
35 Prozent des Kühl- und 55 Prozent des Heizwärmebedarfs werden dort durch alternative Energiequellen gewonnen. Neben der Speicherkraft von Erdreich und Wasser wird auch die Luft genutzt. Die warme Abluft aus den Serverräumen wird ebenfalls zum Heizen eingesetzt. Um den Energieverbrauch insgesamt gering zu halten, werden die Beleuchtung und die Beschattung des Gebäudes automatisiert, je nach Licht- und Sonnenstand, gesteuert. Ähnliche Technologien sind auch bei der WU Wien zum Einsatz gekommen. Generell sind Energieeffizienz und Klimaschutz zentrale Schlüsselthemen: Nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Bestandsimmobilien. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Generalsanierung des ehemaligen Chemiehochhauses der TU Wien, bei dem eine Photovoltaikfassade das Haus selbst mit Energie versorgt und überschießende Energie an weitere Gebäude der Universität am Standort weiterleiten kann. Es ist ein perfektes System für die Zukunft. Wir nützen auch die Abwärme aus den Aufzügen und ein smartes Lüftungssystem sorgt rund um die Uhr für ein perfektes Raumklima. Insgesamt ist das neue TU Gebäude ein großartiges Beispiel, alte Bausubstanz mit einem ganzen Bündel an innovativen Maßnahmen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen.
Universitätsgebäude haben es Ihnen besonders angetan?
Das ergibt sich einerseits daraus, dass Universitäten mit nicht ganz einem Drittel des Konzernportfolios einen wesentlichen Teil des Immobilienbestandes ausmachen. Andererseits sind gerade in diesem Segment einige der herausragenden Leuchtturmprojekte der vergangenen Zeit umgesetzt worden. Abgesehen davon sind Universitäten sehr spannende Organisationen mit äußerst interessanten handelnden Personen. Ich arbeite gerne für und mit den Universitäten.
Die BIG errichtet ja nicht nur, sondern bewirtschaftet die von ihr errichteten Immobilien zum größten Teil selbst. Baut man anders, wenn man weiß, dass man die Immobilien für den eigenen Bestand errichtet und selbst betreibt?
Auf jeden Fall. Man muss die Immobilien ganzheitlich betrachten. Warum ist das bei uns eben kein Schlagwort? Im Gegensatz zu vielen anderen Immobilienentwicklern halten wir unsere Liegenschaften lange im Bestand. Es liegt also in unserem ureigenen Interesse, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu betrachten und auf Nachhaltigkeit zu achten. Wir versuchen daher, den laufenden Betrieb möglichst frühzeitig mitzudenken.
Welche Bedeutung hat eine Zertifizierung für die BIG? Die BIG hält Immobilien, verkauft diese aber nicht. Das häufig gehörte Argument „Die Investoren bestehen darauf“ zieht hier also nicht.
Wir streben bei vielen großen Projekten Zertifizierungen auf höchstem Niveau an – etwa mit den anerkannten Gütesiegeln von klimaaktiv, TQB, BREEAM oder ÖGNI, wie beispielsweise beim neuen MED CAMPUS in Graz. Gerade die Universitäten haben oft großes Interesse an Zertifizierungen, weil sie „ihr“ Gebäude auch als Bestandteil ihrer Marke und Identität sehen. Und die Unis werben heute – anders als früher – auch aktiv um Studierende. Da spielt der Campus eine wichtige Rolle.
Sie sind ja vor kurzem mit Ihrer Zentrale übersiedelt. Den Umzug schon verdaut – alle Büros eingeräumt? Was hat sich geändert?
Der Umzug hat sehr gut funktioniert. Natürlich sind bei so einem Vorhaben auch Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Unser Team hat höchst professionell gearbeitet. Wir haben jetzt das Privileg, in einem modernen Gebäude zu arbeiten.
Was hat sich am Bürokonzept geändert?
Büro ist das Abbild von Organisation auf Fläche. Zu einer neuen Ausrichtung des Unternehmens trägt auch die moderne, offene Bürostruktur im Denk Drei maßgeblich bei. Weniger Wände bedeuten im Umkehrschluss die Möglichkeit der verstärkten Kommunikation miteinander. Natürlich ist das kein Automatismus. Aber ein Ziel der Übersiedlung war eindeutig, die Optimierung der Abläufe und des Informationsflusses zu unterstützen. Wir sind sehr optimistisch, dass uns das gelingt, und sehen bereits erste Erfolge.
Wie haben die Mitarbeiter den Umzug verdaut? Von der Stadt in den Prater?
Der neue Standort ist bei der Mehrheit der Mitarbeiter sehr gut angenommen worden. Natürlich kann man nicht alle sofort glücklich machen.
[caption id="attachment_16516" align="alignleft" width="400"] © GNK Media House / Jasmina Rahmanovic[/caption]Mit der SVA haben Sie für den alten Standort einen idealen Zwischennutzer gefunden …
Das ist richtig. Vor der Generalsanierung nutzt die SVA das Gebäude als Ausweichquartier, bis ihr Standort in der Wiedner Hauptstraße modernisiert ist.
Die SIVBEG wurde im vergangenen Jahr aufgelöst, der weitere Verkauf der Bundesheer-Liegenschaften gestoppt. Sie waren lange Jahre Aufsichtsrat der SIVBEG und kennen daher das Portfolio genau. Interessiert? Nachhaltig hält sich das Gerücht, das Bundesheer denke daran, das militärische Immobilien-Management an die BIG auslagern zu wollen. Nur Rauch – oder aber Feuer?
Wir diskutieren immer wieder über Möglichkeiten, unsere Dienstleistungen verschiedenen Institutionen des Bundes anzubieten. Unsere Hausverwaltung arbeitet sehr professionell, daher sind wir auch als Geschäftspartner eine attraktive Alternative.
Anfang September sind die Baukulturleitlinien des Bundes beschlossen worden. Welche Auswirkungen sehen Sie auf die Aktivitäten der BIG?
Vieles davon ist in unserem täglichen Leben bereits jetzt Standard – zum Beispiel nachhaltige und integrierte multifunktionale Nutzung. Bei großen Projekten Wettbewerbe durchzuführen, Beiräte zu schaffen oder die Nutzer einzubinden, ist bei uns lange geübte Praxis.
Wie sehen Sie die BIG beim Thema „Digitalisierung“ aufgestellt?
Das Thema ist ja nicht neu – jetzt redet nur jeder darüber. Es ist sehr wichtig, die derzeit rasanten Veränderungen laufend zu thematisieren, aber auch kritisch zu hinterfragen. Denn die Digitalisierung darf nicht zu einem Knockout-Kriterium werden. Oberste Prämisse ist also, die Menschen bei dieser Entwicklung nicht zu überfahren. Generell ist es aus meiner Sicht vor allem entscheidend, nicht blind auf Trends aufzuspringen, sondern sich die richtigen Fragen zu stellen. Was brauchen wir? Welche Technologien erlauben uns tatsächlich und nicht nur scheinbar, die Qualität unserer Arbeit zu optimieren? Von elementarer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Schaffung von Standards, auf die man sich auch in Zukunft verlassen kann. Unbestritten ist aber auch, dass die Bau- und Immobilienbranche bei dem Thema anderen Branchen hinterherhinkt.
Privatisierungen sind immer ein heikles Thema. Aber: Wenn nicht jetzt – wann dann? ARE an die Börse?
Das Thema Privatisierung ist eine Entscheidung des Eigentümers.
Aber es hätte Phantasie und würde ordentlich viel Geld in die Kasse spülen.
Die ARE ist gemessen an dem Verkehrswert ihres Portfolios in der Höhe von rund 2,3 Milliarden Euro ein bedeutendes Unternehmen am österreichischen Immobilienmarkt. Aufgabe des Managements ist es, das Unternehmen so aufzustellen und auszurichten, dass es sich an höchsten Standards orientiert. Und das ist in den letzten Jahren passiert. Denn nur dadurch wird die rasche Umsetzung strategischer Vorgaben des Eigentümers in alle Richtungen jederzeit ermöglicht.
Beim Development setzt die ARE in vielen Fällen, wenn nicht sogar in den meisten Fällen vor allem bei Großprojekten auf Joint Ventures. Traut sich die ARE Alleingänge nicht zu? Am Know-how und an Fragen der Finanzierung dürfte es ja nicht liegen?
Joint Ventures waren und bleiben neben Eigenentwicklungen ein wichtiger Teil unserer ARE-Unternehmensstrategie. Wir suchen uns Partner, die in dem spezifischen Bereich Know-how haben und Erfahrung in der Verwertung mitbringen. Mittlerweile läuft es aber auch umgekehrt. Oft suchen die Partner uns und wir werden eingeladen, ein Projekt gemeinsam zu entwickeln. Ein Punkt ist mir zur vorigen Frage aber noch wichtig. Die Entwicklungen werden ausschließlich in eigens dafür gegründeten Gesellschaften abgewickelt und auch gesondert finanziert.
Die Eigenkapitalausstattung der ARE ist mit über 60 Prozent im Vergleich zu anderen Immobilienunternehmen vergleichsweise hoch.
Eines unserer langfristigen Ziele ist die Absicherung einer soliden Eigenkapitalausstattung. Betriebswirtschaftlich genießen derzeit geringes Risiko und hohe Bonität Priorität.
Die Immobilienwirtschaft boomt und die niedrigen Zinsen befeuern diese Entwicklung. Boom ohne Ende? Trendwende in Sicht? Wann endet der Immobilienzyklus?
Die Konjunktur läuft gut. Das Wirtschaftsklima ist überwiegend freundlich. Ich gehe daher von einer mittelfristigen Anhebung der Leitzinsen auch in Europa aus. Aus meiner Sicht gibt es aber dadurch – zumindest in Österreich oder Deutschland – keine fundmentalen Einschnitte bei bestimmten Immobiliensegmenten. Grundsätzlich bestehen aber große regionale Unterschiede, die individuell zu bewerten sind. Zu erwartende Zinsschritte der EZB werden die Attraktivität von Immobilien nur bedingt beeinträchtigen. Die Immobilie bleibt in naher Zukunft jedenfalls der sichere Hafen für Anleger. Allerdings verschieben sich die Prioritäten der Investoren und andere Assetklassen, wie beispielsweise Büros, werden wieder an Attraktivität gewinnen.
Kurz noch eine private Frage: Wie erholen Sie sich? Was sind Ihre Hobbys?
Zum Ausgleich betreibe ich verschiedene Sportarten. Vor allem aber versuche ich, möglichst viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
Ihr Sohn ist ja angeblich ein guter Fußballer. Wie sieht´s mit Ihren Qualitäten am Platz aus?
Ich bin sehr viel „am Platz“ – aber als Zuseher bei meinem Sohn oder einem Spiel am Dorffußballplatz – das ist wirklich Erholung.