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Der Zug der Wildgänse

Zugegeben - auf den ersten Blick scheint der Titel mehr als unpassend: Denn was haben die großvolumigen Zugvögel tatsächlich mit Immobilien zu tun, außer dass sie vielleicht beim Drüberfliegen ihre „Bomben“ darauf abwerfen?
Reinhard Krémer

Zugegeben - auf den ersten Blick scheint der Titel mehr als unpassend: Denn was haben die großvolumigen Zugvögel tatsächlich mit Immobilien zu tun, außer dass sie vielleicht beim Drüberfliegen ihre „Bomben“ darauf abwerfen?

Beim genaueren Hinsehen lassen sich aber doch gewisse Ähnlichkeiten, nämlich im Verhalten, entdecken. Denn so wie die Gänse – immer schön geordnet in Keilformation – von einem Zwischenstopp im Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel in Richtung Deutschland oder noch weiter nach Norden ziehen, um dort den Sommer zu verbringen, zieht es auch die heimische Immobilien-Elite seit Jahren nach Deutschland. Diese dort dann allerdings nicht unbedingt an die Küstengebiete Germaniens und schon gar nicht zur bloßen Sommerfrische - ganz im Gegenteil: Denn nicht Erholung ist angesagt, sondern die Jagd. Nämlich jene nach Rendite. Und hier traut man dem deutschen Markt offenbar mehr zu als der Alpenrepublik.

Zwar wird immer wieder heftig dementiert, dass es hierzulande eine Immobilienblase gibt, und man scheut dann auch gerne nicht vor dem Vergleich mit London oder anderen europäischen Metropolen zurück. Doch könnte es, wenn es Spitz auf Knopf steht, zu einem ähnlichen Effekt kommen, wie er in der Finanzwirtschaft schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist: Wien ist eine Nebenbörse; und wenn die Märkte konsolidieren, trifft es den heimischen Marktplatz immer besonders hart.

Jetzt könnte man argumentieren, dass „Betongold“ nichts mit der Börse zu tun hat, weil Immobilien ja mit Spekulationen im Wertpaierge- schäft rein gar nichts zu tun haben – doch genau in diesem Wort liegt der Hase im Pfeffer: Manche Experten meinen nämlich, dass beson- ders der Markt in der Bundeshauptstadt schon längst zum Spielball von Spekulationen geworden ist.

Dass das Preisniveau zu hoch ist, hat auch ein Papier der Oesterreichischen Nationalbank aus dem Vorjahr gezeigt: Deren Fundamentalpreisindikator für Wohnimmobilien wies für Wien eine anhaltende Überbewertung nach. Diese erreichte im zweiten Quartal 2014 schon resche 23 Prozent nach 22 Prozent im ersten Quartal 2014 und noch immer 21 Prozent im vierten Quartal 2013. Der galoppierende Anstieg der Preise war zwar schwächer als in den Vorquartalen, übertraf aber trotzdem jenen der Fundamentalfaktoren wie zum Beispiel das Haus- haltseinkommen und die Konsumentenpreise.

Heimische Immo-Profis argumentieren, dass es zwischen den Jahren 1999/2000 und 2007 fast keine Bewegung auf dem Immobilienmarkt gegeben habe. Erst seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise sei die Nachfrage deutlich gestiegen. Viele Anleger haben wegen der Krise ihr Vermögen in Immobilien investiert, weil diese als besonders sicher gelten, meinen sie. Im Klartext: Das waren keine auf Ratio basierenden Motive, sondern die Entscheidungen waren von Angst um´s Geld, also blanker Emotion, getrieben.

Der Knackpunkt wird auch im Erfolg der Anleihenkäufe der Europäi- schen Zentralbank liegen: Wenn dieser positiv verläuft - und danach sieht es aus, womit eine Studie des deutschen Allianz-Konzern rechnet - könnte es bereits Ende 2016 zu Zinserhöhungen kommen, wie sie Allianz- Chefvolkswirt Michael Heise erwartet. Beflügelt werde die Wirtschaft durch den gefallenen Ölpreis, den schwachen Eurokurs und die Erholung des Arbeitsmarktes, so Heise. Zinserhöhungen in den USA ab Sommer sollten die EZB zusätzlich unter Druck bringen. Wenn dann am Sparbuch eine höhere Rendite zu erzielen ist als zum Beispiel mit einer Vorsorgewohnung oder mit einem Zinshaus, könnte der Markt, besonders in Wien, dramatisch drehen.

Vielleicht haben die Wildgänse das aber schon längst instinktiv erfasst …