"Wenn die Bankturbulenzen zunehmen oder erneut aufflammen sollten, besteht die Gefahr, dass die Europäische Zentralbank eben von diesem Kurs abrückt", warnte der Münchner Experte vor der Presse. Als Folge würde die Inflation dann deutlich länger hoch bleiben.
Bisher beschränkten sich die Finanzturbulenzen auf wenige Banken. "Das Risiko besteht, dass da noch mehr auf uns zu kommt", fügte Wollmershäuser hinzu. Hinweise auf eine Kreditklemme seien derzeit jedoch nicht zu beobachten, sagte der Experte vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo). Es hat die Frühjahrsprognose gemeinsam mit dem RWI in Essen, dem IfW in Kiel und dem IWH in Halle erstellt. Als Kooperationspartner fungieren das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS).
Die Institute gehen davon, dass die Leitzinsen bis zum Sommer noch um 0,5 Prozentpunkte steigen werden. Damit würde der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, auf 3,5 Prozent steigen. Das entspricht auch den aktuellen Erwartungen der Investoren am Geldmarkt zum Zinsgipfel, der den Kursen zufolge im September erreicht werden sollte. Der eigentliche Leitzins, also der Zinssatz der EZB für die sogenannten Hauptrefinanzierungsgeschäfte, würde den Instituten zufolge auf 4,0 Prozent steigen.
"In unserer Prognose haben wir jetzt noch zwei weitere Zinsschritte in diesem Jahr drin. Aber es ist nicht ganz klar, ob das dann ausreicht, um die Inflation wieder runterzubringen", erläuterte Wollmershäuser. Es könne möglich sein, dass "der eine oder andere Zinsschritt" noch folgen werde.
Erst ab dem Sommer 2024 dürften die Leitzinsen dann laut der Prognose der Institute angesichts einer nachhaltig sinkenden Kerninflationsrate und erwarteter zukünftiger Inflationsraten nahe dem Zielniveau der EZB wieder leicht sinken.
Im Kampf gegen die ausufernde Inflation hat die EZB ihren geldpolitischen Schlüsselsatz seit der Zinswende im Juli 2022 bereits sechs Mal in Folge angehoben - zuletzt Mitte März um 0,50 Prozentpunkte. Die Gesamtinflation im Euro-Raum war zwar im März auf 6,9 Prozent gesunken von 8,5 Prozent im Februar.
Die Teuerung lag damit aber immer noch mehr als drei Mal so hoch wie das Zwei-Prozent-Ziel der Währungshüter. Die Kernrate - bei der unter anderem die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise nicht miteinbezogen werden - war sogar auf 5,7 Prozent angestiegen. Das bereitet den Währungshütern Sorgen. Denn dies könnte anzeigen, dass die hohe Inflation womöglich länger anhält als bisher gedacht. (apa)