Um in die schwarzen Zahlen zu kommen, würden 300 Mitarbeiter in der Verwaltung und damit die Hälfte der dort tätigen Beschäftigten entlassen, gab das erst 2020 gegründete Unternehmen bekannt. Zudem würden alle strategischen Optionen für das Geschäft in Italien, Spanien, Dänemark und Belgien geprüft.
Was genau das heißt, ließ Firmenchef Kagan Sümer im Gespräch mit Reuters offen. Sümer will sich nur noch auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und die USA konzentrieren und setzt sich große Ziele: "Wir rechnen damit, dass diese Märkte nächstes Jahr profitabel werden." Laut Sümer machen diese Länder aktuell rund 90 Prozent des Geschäfts aus.
Lebensmittel-Schnelllieferdienste wie Gorillas sind in der Coronakrise wie Pilze aus dem Boden geschossen. Bereitwillig stellten Finanzinvestoren den Verluste schreibenden Start-ups Kapital zur Verfügung. Mit dem Geld bauten die Firmen Mini-Lager in Städten auf, stellten Fahrer an und machten Werbung, um möglichst viele Kunden zu überzeugen, Supermarktartikel zu bestellen und sich schnell liefern zu lassen. So breiteten sich neben Gorillas der von DoorDash und Rewe flankierte Wettbewerber Flink, Getir aus der Türkei sowie Jokr rund um den Globus aus.
Inzwischen hat sich der Wind jedoch gedreht: Essenslieferdienste wie Delivery Hero oder Lieferando-Eigner Just Eat Takeaway.com haben an den Börsen eine beispiellose Talfahrt hingelegt, Kapital ist mit den erwarteten Zinserhöhungen der Notenbanken nicht mehr so billig zu haben und die hohe Inflation und der Krieg in der Ukraine dämpfen die Konjunktur. "Es ist ein herausforderndes Umfeld entstanden", sagte Sümer. Analyst Clément Genelot von der Investmentbank Bryan, Garnier & Co sagte dazu: "Weil es kein frisches Geld gibt, muss Gorillas den Cash-Burn reduzieren und die Ambitionen herunterschrauben."
Sümer sagt: "Mit Blick auf die Kapitalmärkte müssen wir weitere Schritte unternehmen, m den Weg zur Profitabilität zu beschreiten." Inzwischen steht für den Gorillas-Chef nicht mehr rasantes Wachstum an erster Stelle, sondern die Vorgabe, Gewinn zu erzielen: "Das ist der nächste Meilenstein. Wenn wir an die Börse gehen, wollen wir das als profitables Unternehmen tun."
Im Oktober hatte Gorillas bei einer Finanzierungsrunde rund 860 Mio. Euro bei Investoren eingesammelt und war dabei mit 2,5 Mrd. Euro bewertet worden - ähnlich hoch wie der ebenfalls aus Berlin stammende Konkurrent Flink, aber deutlich weniger als Getir aus der Türkei. Damals kam auch der weltweit tätige Essenslieferdienst Delivery Hero als Investor mit einer Kapitalspritze von 200 Mio. Euro an Bord. Unklar ist, wie lange das Geld angesichts der hohen Ausgaben reicht, um den Betrieb zu sichern. "Wir sind hier, um zu bleiben", sagte Sümer. "Wir haben genug Puffer." Inzwischen betreibt Gorillas rund 230 Lager, etwa 25 sind davon profitabel.
Aber er ist sich auch sicher: "Risiko ist inzwischen irritierend für Investoren und niemand will im Moment Unsicherheit. Das macht es aktuell ziemlich schwer, Geld einzusammeln." Deswegen müssen die Fixkosten sinken und die Berliner Zentrale soll zum Dreh- und Angelpunkt werden. Die 300 Mitarbeiter, die nun entlassen werden, arbeiten ausschließlich in der Verwaltung. Die rund 14.000 Fahrer sind nicht betroffen. (apa/reuters)