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DGNB forever

Als ImmoNomade bin ich zwischen Theorie und Praxis unterwegs – so sagt es mein Credo. Im Jahr 2008 kam ich wissenschaftlich zu der Überzeugung, dass Österreich im Bereich „nachhaltiges Bauen“ Aufholbedarf hat.
Philipp Kaufmann

Als ImmoNomade bin ich zwischen Theorie und Praxis unterwegs – so sagt es mein Credo. Im Jahr 2008 kam ich wissenschaftlich zu der Überzeugung, dass Österreich im Bereich „nachhaltiges Bauen“ Aufholbedarf hat. Damals gab es nur im Wohnbau und im unmittelbaren staatlichen Einflussbereich große Anstrengungen, außerhalb fand ich gähnende Leere. Der Analyse folgten in Zusammenarbeit mit Professor Gunther Maier Handlungsempfehlungen und schlussendlich der Sprung in die Praxis: Die Initiatoren hatten damals der Branche in einer Roadmap ein Angebot unterbreitet und aufgrund des überwältigenden Zuspruchs rief ich gemeinsam mit 124 Gründern die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) ins Leben. Seit damals war der Verein für mich eine Full-Time-Aufgabe.

Grundüberlegung für die ÖGNI war es, keine nationalen Standards oder Zertifizierungssysteme anzubieten, sondern immer nur international zu handeln. Auf der Suche nach dem richtigen Partner kam für uns bereits seit Herbst 2008 nur das DGNB System in Frage. Getragen von großem Vertrauen zwischen Professor Werner Sobek und dem damaligen Verhandlungsteam Christine Lemaitre, Johannes Kreißig und uns als ÖGNI haben wir am 24. Juni 2009 auf der Consense in Stuttgart den Kooperationsvertrag unterschrieben. Aus heutiger Sicht sind viele Punkte überholt. Beispielsweise wollten wir die Gebäude in Österreich mit dem Label „ÖGNB“ auszeichnen. Alle Beteiligten wussten damals noch nicht, dass wir mit einem internationalen Auszeichnungssystem nur dann erfolgreich sind, wenn wir konsequent auf eine (!) gemeinsame Marke setzen. Aus diesem Grund heißt unser System heute weltweit „DGNB“.

Der Kooperationsvertrag von 2009 stellt bis heute das Fundament unserer gelebten Partnerschaft dar. Mit gegenseitiger Wertschätzung haben wir die rechtliche Vertragsbasis weiterentwickelt: Erstmals mit der Zusatzvereinbarung vom 03.08.2010 und vor allem mit der Partner-Vereinbarung vom 01.12.2013, welche alle Voraussetzungen für eine optimale Zusammenarbeit definierte. Geholfen haben in all den Jahren, gute „Bekannte“ (im besten Sinn des Wortes), nämlich Lemaitre und Kreißig, als Gesprächspartner zu haben.

Wir können auf eine fruchtbare Partnerschaft zurückblicken. Gemeinsam haben wir sehr erfolgreich ein Auszeichnungssystem der 2. Generation auf den Markt gebracht. In Deutschland und Österreich sind wir Marktführer und in vielen Ländern steigt die Zahl der zertifizierten Projekte deutlich. Aber was viel wichtiger ist: Wir haben die beste Systematik, setzen erstmals ganzheitlich auf den gesamten Lebenszyklus und berücksichtigen die Prozesse des Bauens und Bewirtschaftens.

Seit 2009 hat die ÖGNI als erste Partnerorganisation erfolgreich das DGNB System an ein Land adaptiert und wir sind heute Partner auf Augenhöhe: Erstmals ist die ÖGNI bei der Zertifizierung von Sportstätten für die Entwicklung eines neuen Nutzungsprofils verantwortlich und wir haben mit der blueCARD ein stimmiges Konzept für den Bestand im Angebot.

Das Wichtigste ist jedoch, dass beide Seiten von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und dem klaren Bekenntnis zur Qualitätsführerschaft überzeugt sind. Die Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut und wir sind verpflichtet, das in uns investierte Vertrauen jeden Tag zu rechtfertigen. Bei den Weiterentwicklungen gibt es viele Überlegungen – wissenschaftlich fallen mir folgende Punkte ein, für die ich mich einbringen möchte:

• Generell müssen wir immer überprüfen und hinterfragen, ob wir alle Ziele der einzelnen Kriterien erreichen. Wir müssen es vermeiden, Papiertiger zu produzieren, welche nur Kosten in der Einreichung verursachen, aber keinen Mehrwert schaffen.

DGNB Flex: Wir werden nicht alle Gebäudetypen mit einem eigenständigen Nutzungsprofil bedienen können. Für Sonderfälle sollte es eine individualisierbare Variante geben, welche eine Zertifizierung auch in diesem Fall ermöglicht.

Übererfüllung: Oftmals erreichen Projekte bessere Werte als im System vorgesehen. Gerade in wesentlichen Bereichen wie der Ökobilanz oder der Drittverwendungsfähigkeit sollen außergewöhnliche Leistungen zu „Bonuspunkten“ führen.

Individuelle Lösung: Spannend finde ich, dass wir im System konkrete Lösungen „vorschreiben“ und damit oftmals keinen Spielraum für individuelle Lösungen ermöglichen, welche jedoch fallweise die gesetzten Ziele der Nachhaltigkeit besser erreichbar machen. Wir sollten daher die Möglichkeit bieten, überzeugende Alternativlösungen für die Zertifizierung anzuerkennen.

Leitthemen hervorheben: Bei der Auszeichnung kommen einzelne Themen zu kurz. So sind nicht alle ausgezeichneten Immobilien gleich innovativ. Wenn das einzelne Gebäude auch mit bewährten Lösungen außergewöhnliche Leistungswerte aufweist, ist „Innovation der Innovation wegen“ jedoch auch nicht notwendig. Trotzdem müssen wir es schaffen, Leitthemen erkennbar zu machen. Für mich geht es um besondere gestalterische Qualitäten (zB. besonders gute Architektur), Innovationskraft, konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft oder neue Prozesslösungen, welche die Bau- und Immobilienwirtschaft verändern.

Zwei Werte für Standort und Gebäude: Das DGNB System ist aus guten Gründen mit zwei getrennten Werten gestartet, jedoch wäre eine einzige Kennzahl langfristig besser kommunizierbar.

Leistungsauszeichnung: In der Branche tauchen immer wieder neue Begriffe auf und ich bin davon überzeugt, dass das DGNB System bestimmte Leistungen als Ergänzung auszeichnen sollte. Damit würden wir vermeiden, dass zusätzliche Zertifikate außerhalb des DGNB Systems von Drittanbietern eingeführt werden und gleichzeitig schaffen wir einen Mehrwert für einzelne Objekte. Spannend fände ich die Bereiche Smart, Barrierefreiheit oder Baudenkmal. So könnten wir DGNBSMART oder DGNBDenkmal verwenden und wir würden so besondere Leistungen erkennbar machen.

Vernetzung: Wir bieten mit dem DGNB System für alle Stakeholder schon einen großen Leistungsumfang, jedoch sollten wir noch stärker systemübergreifend vernetzbar sein. Ziel ist es, im DGNB System Leistungskennzahlen, zB. für die Nachhaltigkeitsberichterstattung automatisch zu generieren und hier internationale Standards zu erfüllen.

Managementsystem: Das DGNB System soll mithelfen, ein ganzheitliches Managementsystem zu leben. Wir müssen dafür die Prozesse des einzelnen Unternehmens, aber auch das Zusammenspiel aller beteiligten Akteure verändern und konsequent auf Nachhaltigkeit ausrichten. Dafür sind Perspektivenwechsel gefragt, die zweifellos notwendig sind.

Die obigen Gedanken sind nur einige wenige und derer gibt es sicherlich noch viele. Doch von einem bin ich fest überzeugt: Wenn möglichst viele Wissenschaftler und Praktiker gemeinsam an unserem System arbeiten, werden wir auch weiterhin das leistungsfähigste System zur Zertifizierung von Gebäuden und Stadtquartieren haben. Ich bin davon überzeugt und freue mich auf „DGNB forever“.