Eine aktuelle Studie hat sich mit der Grünen Wende in Ostmitteleuropa beschäftigt und festgestellt, dass die vier Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn beim grünen Umbau ihrer Wirtschaft gegenüber Österreich und den EU-15 hinterherhinken. Das ergabe eine neue Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) im Auftrag des Finanzministeriums. Einerseits identifiziert sie die wichtigsten Hindernisse für die Umstellung auf ein emissionsarmes, nachhaltiges Wachstumsmodell in diesen Ländern. Andererseits wird darin der Status quo ihrer grünen Transformation einer detaillierten Bestandsaufnahme unterzogen. Untersucht wurden dabei der Anteil erneuerbarer Energien in den Bereichen Strom, Verkehr und Gebäude, die Effizienz beim Einsatz von Energie und Rohstoffen sowie das Funktionieren des im „European Green Deal“ verankerten Prinzips der Kreislaufwirtschaft.
Fazit: Auch wenn die Visegrád-Staaten ihre nationalen Ziele 2020 eingehalten haben, besteht noch immer massiver Aufholbedarf im EU-Vergleich, etwa bei erneuerbaren Energien. Während diese in Österreich etwas unter 40% ausmachen, kommen die Visegrád-Spitzenreiter Tschechien und die Slowakei bei Erneuerbaren auf gerade einmal die Hälfte. Auch beim Recycling von Rohstoffen, der Energieeffizienz und im Transportsektor gibt es noch massiv Luft nach oben. Für Österreichs Industrie, die bei vielen Umwelttechnologien wie Wasserkraft, Windkraft, Biomasse, Wärmepumpen oder thermischen Sanierungen von Gebäuden Technologieführer ist, tun sich damit große Chancen auf. Die Alpenrepublik sollte deshalb eine Vorreiterrolle bei grenzüberschreitenden Umweltprojekten mit den Visegrád-Ländern übernehmen, empfiehlt die Studie.
Österreichs Schlüsselrolle
Österreich kann laut der Studie bei der grünen Transformation in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn eine Schlüsselrolle zukommen. Einerseits aufgrund der engen ökonomischen Verflechtung mit diesen Ländern und andererseits aufgrund der Technologieführerschaft seiner Industrie im Umweltbereich. „Als wirklicher Treiber des grünen Umbaus fungieren dort die erheblichen Finanzmittel aus Brüssel. Fast 40% aller Projekte im Rahmen des Corona-Wiederaufbauprogramm NextGenerationEU müssen klimarelevant sein“, sagt Tobias Riepl, Ökonom am wiiw. „Den Visegrád-Staaten fehlt für ihre Umsetzung aber die industrielle Basis und die technologische Kompetenz. Österreich hat beides und auch viel Erfahrung in diesen Ländern“, so Riepl.
Die Studie empfiehlt Österreich daher die Entwicklung grenzüberschreitender Projekte zur grünen Elektrizitätsgewinnung, beispielsweise für Wasserkraft in Ungarn, Biomasse in Polen oder Windkraft in Tschechien und der Slowakei. Weiters plädieren die Autoren für die Schaffung regionaler Kooperationen zur Gewährleistung von Energiesicherheit bei Erneuerbaren. Als besonders vielversprechend wird auch der Gebäude- und Transportsektor erachtet. Trotz beachtlichen Fortschritten bei der Dämmung von Gebäuden durch nationale Förderprogramme für energieeffizientes Bauen mangelt es in den Visegrád-Staaten akut an Firmen, die thermische Sanierungen durchführen können.