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Die Kunden bleiben weg

Leere Kassen. Russlands Einzelhandel befindet sich in einer Absatzkrise. Sinkende Realeinkommen, Sparzwänge der Privathaushalte und Unternehmen, teure Konsumentenkredite und Wechselkursschwankungen stellen die Händler vor Probleme.
Harry Weber

Leere Kassen. Russlands Einzelhandel befindet sich in einer Absatzkrise. Sinkende Realeinkommen, Sparzwänge der Privathaushalte und Unternehmen, teure Konsumentenkredite und Wechselkursschwankungen stellen die Händler vor Probleme.

Der gesamtrussische Markt an Verkaufsflächen betrug Ende 2014 ungefähr 22,8 Millionen Quadratmeter, wovon 2,3 Millionen im letzten Jahr fertiggestellt wurden. Im Gegensatz zur Gesamtinvestitionstätigkeit in Russland steigen das Angebot an Verkaufsflächen und die Fertigstellungsraten über die letzten Jahre beinahe konstant, wobei sich eine gewisse Sättigung in Moskau und St. Petersburg und eine Verschiebung in Richtung der Regionen abzeichnet.

Betrachtet man die Listen der größten Fertigstellungen 2014 und 2015, so lässt sich anhand der Verkaufsflächen der einzelnen Zentren erahnen, dass die Größenordnungen in Russland immer noch gewaltig sind und trotz schwankender Wirtschaftslage im Land der Nachholbedarf noch nicht gesättigt scheint sowie die Umstrukturierung aus den Zeiten der Planwirtschaft zumindest in den Regionen noch nicht abgeschlossen ist.

Die weitere zukünftige Marktentwicklung hängt von vielen Faktoren wie Wirtschaftswachstum und Stabilisierung der politischen Situation ab. Die Voraussagen der Experten gehen allerdings davon aus, dass, sollte sich die derzeitige Umfeldsituation nicht verbessern, die Gesamtfertigstellungen für 2015 nur ca. 65 Prozent der für diesen Zeitraum prognostizierten sein werden. Sollte sich die rückläufige wirtschaftliche Entwicklung fortsetzen, werden wohl Projekte verschoben und nach unten revidiert werden sowie die angekündigten 4 Millionen neu fertigzustellenden Quadratmeter Verkaufsfläche über die folgenden Jahre neu verteilt werden.

[caption id="attachment_2673" align="alignleft" width="462"]Russland: Shoppingcenter Flächenangebot Russland: Shoppingcenter Flächenangebot[/caption]

Russlands Einzelhandel befindet sich in einer Absatzkrise. Sinkende Realeinkommen, Spar-zwänge der Privathaushalte und Unternehmen, teure Konsumentenkredite und Wechselkursschwankungen stellen die Händler vor Probleme. Als Gewinner könnten am Ende die großen Einzelhandelsketten dastehen. Diese erschließen derzeit das flache Land und setzen kleine und mittlere Händler einem Verdrängungswettbewerb aus. Im Fernen Osten haben die ersten Baumarktketten eigene Verkaufsniederlassungen eröffnet.

Etwa die Hälfte der russischen Einzelhandelsunternehmen wies im 1. Quartal 2015 Umsatzrückgänge aus. Für die gesamte Branche stellte der Föderale Statistikdienst (Rosstat) im Vorjahresvergleich einen Einbruch des Umsatzes um 6,7% und gegenüber dem 4. Quartal 2014 sogar um 23,6% fest. Ursache war ein Nachfragerückgang seitens privater Haushalte, aber auch seitens der Wirtschaft. Um gegenzusteuern, erhöhten die Händler die Preise und dünnten ihr Sortiment aus. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie zum „Geschäftsklima im Einzelhandel“ des Konjunkturforschungsinstituts der Moskauer Hochschule für Ökonomie.

Kaufkraft und Ersparnisse sinken

Neue Konsumentenkredite sind 2015 entweder nicht erhältlich oder durch die Leitzinsanhebung (auch wenn das Zinsniveau zwischenzeitlich wieder etwas gesenkt wurde) sündhaft teuer geworden. Seither bleiben den Geschäftsinhabern sprichwörtlich die Kunden weg. Ladenschließungen auf Moskaus prächtigster Einkaufsmeile, Twerskaja uliza, führten dazu, dass dort inzwischen von „klaffenden Zahnlücken“ gesprochen wird. Das pompös renovierte Kinderkaufhaus „Detskij Mir“ war zur Neueinweihung längst nicht voll vermietet. Anderen Malls und Kaufhäusern geht es nicht besser. Die Überkapazitäten bei Verkaufsflächen sind offensichtlich, insbesondere in den Großstädten.

Mittelgroße und kleine Städte müssen von den Einzelhandelsketten dagegen erst noch erschlossen werden. Der Zuzug der Handelsketten dorthin bewegt sich unaufhörlich vorwärts. Die Folge ist eine massenhafte Verdrängung kleiner Einzelhändler und Kioskbetreiber.

Baumärkte sind Pioniere bei der Erschließung

Große Handelsketten münzen ihre wachsenden Marktanteile in Zusatzgewinne um, die sofort wieder in die Erschließung weiterer Regionen fließen. Am Ende dieser noch Jahre dauernden Entwicklung winkt der logistisch erst schlecht erschlossene Ferne Osten, in den sich Einzelhandelsketten bislang nur vereinzelt vorgewagt haben.