Herausragende Beispiele für die „New World of Work“ finden sich bereits seit längerer Zeit im Norden und Westen Europas. Länder wie Schweden und Norwegen setzen schon seit Jahren auf flexible Arbeitszeiten und -orte und damit auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Unternehmen wie Spotify und Skype haben hier ihren Ursprung und fördern bei ihrer Belegschaft eine Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung. In den Niederlanden ist hingegen das sogenannte „Results-Only Work Environment" (ROWE) populär, bei dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf ihre Ziele fokussiert arbeiten und ihre Arbeitszeit frei einteilen können. Im Grunde stehen die beiden Modelle nicht in Widerspruch zueinander, der Unterschied liegt vor allen beim Ansatz des Managements. Während Schweden und Norwegen auf Commitment, Identifikation mit dem Unternehmen und intrinsische Motivation setzen, bedienen sich die Niederländer des klassischen „Managements by Objectives“ (MBO), indem also klare Ziele vorgegeben sind und die Wege dorthin individuell gestaltet werden können.
Wenn es um innovative Arbeitsmodelle geht, hinken Österreich und Deutschland im internationalen Vergleich etwas hinterher, auch wenn Remote-Work in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat, nicht zuletzt durch die Covid-19-Pandemie. Viele Unternehmen haben erkannt, dass ihre Mitarbeiter auch von zu Hause aus effektiv arbeiten. Dennoch bleibt die Büropräsenz in einigen Branchen und Unternehmen wichtig, um Kollaboration, Zugehörigkeit und persönlichen Austausch zu fördern.
Hybride Modelle, die die Vorteile beider Welten vereinen, basieren heute meist auf zwei bis drei Tagen pro Woche im Home-Office. Viele dieser Modelle beruhen auf Mitarbeiterbefragungen, die dieses Ergebnis als Durchschnitt erbringen, auch wenn Teile der Belegschaft erheblich mehr Tage pro Woche – oder auch weniger – „remote“ arbeiten wollen. Es erscheint also zielführend, auch hier stärker zu individualisieren, zu flexibilisieren und den Fokus auf die Motivation zu setzen. Wie weit das gehen kann, zeigt der Trend der „Digital Nomads“, die ihren Job irgendwo auf der Welt erledigen, zum Beispiel an den schönsten Stränden. So ist heute für einige bereits das Ferienhaus das „Home-Office“ – oder das Lieblings-Café, solange es beim Frühstück ruhig ist.
Künstliche Intelligenz: Von der persönlichen Assistenz bis zur automatisierten Wertschöpfung
Zudem verändert der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) immer schneller die Arbeitswelt. Auf individueller Ebene sorgen Spracheingabe, Übersetzer, Assistenzsysteme wie Siri und zuletzt ChatGPT für Entlastung – wenn sie gut eingesetzt werden. Immer mehr Unternehmen automatisieren repetitive Aufgaben, also Routinen bei Sachbearbeitung und Verwaltung, und setzen auf intelligente Systeme, um ihre Effizienz wie auch die Umsätze zu steigern. Mittels KI-gestütztem „Customer Relationship Management“ (CRM) werden Kunden zum Beispiel anhand ihrer Bedürfnisse analysiert und automatisch serviciert. In der Produktion ersetzen unter anderem intelligente, lernfähige Roboter des oberösterreichischen Unternehmens Agilox weltweit immer mehr Arbeiter, indem sie Bauteile holen und präzise in die Produktionskette einbringen.
Dies führt dazu, dass immer mehr Arbeitsplätze ersetzt werden – allerdings vor allem eher in langweiligen, oft stupiden und einseitig belastenden Betätigungsfeldern. Parallel dazu entstehen viele neue Tätigkeitsfelder, wie aktuell im Bereich der KI-Entwicklung und -Steuerung. Langfristig geht der Trend der menschlichen Arbeit jedenfalls hin zu mehr Kreativität und Empathie, zum Innovationsmanagement und zur persönlichen Betreuung.
Diese neue Arbeitswelt sorgt auch für erhebliche Veränderungen bei den Betriebsgebäuden und Büros. Hier werden aufgrund der geringeren Nutzung mehr flexible Arbeitsbereiche geschaffen, um den unterschiedlichen Arbeitszeiten, -stilen und den neuen Aufgaben gerecht zu werden. Ruhige Einzelarbeitsplätze ermöglichen bequeme Spracheingaben, Besprechungsräume werden vielfältiger und von mehreren Interessensgruppen genutzt, indem sie zum Beispiel dezentral per App gebucht werden können, Gemeinschaftsbereiche
bis hin zu Cafeterias oder sogar Spielbereichen (zum Beispiel bei Google) fördern im Sinne des Scrum-Prinzips die informelle Kommunikation und die Kreativität – und in Ruhezonen sorgt auf Wunsch der Power-Nap für mehr Energie an den Nachmittagen. Moderne Kommunikationstools und Collaboration-Software ermöglichen, dass die Zusammenarbeit auch funktioniert, wenn die Teammitglieder an verschiedenen Orten arbeiten.
Auch die Themen Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Diversität prägen die Arbeitswelt. Vor allem immer mehr jüngere Menschen suchen ethisch und ökologisch engagierte Unternehmen – ein Aspekt, der angesichts der aktuellen Arbeitskräfteknappheit zusätzlich an Bedeutung gewinnt. Unternehmen integrieren daher zunehmend nachhaltige Elemente wie beispielsweise energieeffiziente Beleuchtung, PV- und Biogas-Anlagen und E-Bike- und E-Car-Ladestationen und setzen auf umweltfreundliche Materialien. Anfang August wurde von der kreativen Unternehmerin Emma Wanderer der „Workation-Campus“ eröffnet, ein 18.000 Quadratmeter großes Remote-Work-Areal mitten in der Natur des Gesäuses mit 50 „Tiny Homes“ und 30 Van-Stellplätzen.
Die klassischen Formen des Wohnens und Arbeiten lösen sich also zunehmend auf. Was einerseits bei manchen Arbeitnehmern wie auch Unternehmern und Managern für Verunsicherung sorgt, birgt andererseits auch große Potenziale. Denn die neue Arbeitswelt wird bunter, vielfältiger und flexibler und ermöglicht damit mehr Individualität und eine bessere Work-Life-Balance. Für die Unternehmen bedeutet das oft zunächst ein Investment – langfristig sind jedoch enorme Steigerungen der Wertschöpfung und Effizienz möglich. Zudem tragen durchdachte und mit den Mitarbeitenden abgestimmte Konzepte auch zum positiven Image der Unternehmen bei.
Zur Autorin:
Jasmin Soravia ist seit 2019 Vorsitzende des Urban Land Institut Austria. Sie ist Geschäftsführerin bei der Kollitsch & Soravia Immobilien, Beirat im Advisory Board GRÜNSTATTGRAU und Vorstand beim Travel Industry Club Austria.