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Die Nutzungsdauer ist oberste Prämisse der Kreislaufwirtschaft

Ein Kommentar von Erich Benischek, Eigentümer und Geschäftsführer der Blauen Lagune und vormaliger Generalunternehmer im Bereich Fertigbau
Erich Benischek
BENISCHEK
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© REMG

Alle reden von kreislauffähigen Gebäuden, viele verstehen darunter aber bloß deren Recyclingfähigkeit. Meiner Ansicht nach ein irreführender Ansatz, denn eigentlich geht es um die Vermeidung des hohen Ressourcenverbrauchs beim Bau. Doch wie wird dieser niedrig gehalten? Schlicht und einfach indem die Nutzungsdauer eines Gebäudes möglichst lange ist. Das bedeutet, dass Gebäude genau in diesem Bewusstsein geplant und gebaut werden müssen – klingt einfach, ist es in der Praxis aber nicht. Natürlich kann sich der Grundnutzen im Laufe der Jahre ändern, deshalb muss bei der Planung auch eine allfällige Um- und Nachnutzung mitberücksichtigt werden. Erst danach geht es um die zweitbeste Möglichkeit: die Wiederverwendung von Bauteilen (zum Beispiel Wand- oder Deckenelemente, ganze Module). Sollten diese Bauteile nicht mehr verwendet werden können, so wird das Gebäude – wir sind bei der drittbesten Möglichkeit – zum Materiallager: Eingebaute Bauprodukte wie Fenster, Türen oder Parkettböden werden „gerettet“ und bei anderen Gebäuden in gleicher Funktion wieder eingesetzt. Nur dann, wenn ein Bauprodukt nicht mehr verwendbar ist, sollte es, sortenrein getrennt, einem Recycling zugeführt werden, um zumindest in anderer Form im Nutzungs-Kreislauf zu bleiben und nicht auf der Deponie zu landen. Das Bauzentrum, das derzeit in der Blauen Lagune errichtet wird, wurde mit dem ÖGNI/DGNB-Vorzertifikat in der höchsten Stufe Platin ausgezeichnet. Nicht zuletzt auch in Hinblick auf seine Kreislauffähigkeit: Der Grundriss der fünf Gebäude ist maximal flexibel, und die eingezogene Erdgeschoss-Decke der zehn Themenzentren kann teilweise oder vollständig wieder herausgenommen werden. Diese maximale Flexibilität stellt auch eine besondere Herausforderung hinsichtlich der Statik dar, die entsprechende Spannweiten mit nur wenigen Stützen ermöglichen muss. Wesentlich dabei war auch die Wahl einer optimalen Deckenkonstruktion – als Konsequenz entschied man sich für eine Decke aus Ortbeton.

ÖGNI forciert die Kreislaufwirtschat in vielerlei Hinsicht

ÖGNI zertifiziert Gebäude mit hohem ökologischem, ökonomischem und soziokulturellem Mehrwert – die Kreislauffähigkeit wird dabei naturgemäß mitberücksichtigt: Je länger die Nutzungsdauer eines Gebäudes, desto mehr Punkte gibt es in der Bewertung. Darüber hinaus setzt ÖGNI von sich aus große Anstrengungen zur Förderung der Nachhaltigkeit und einer gelebten Kreislaufwirtschaft: von der Etablierung einer eigenen Arbeitsgruppe „Stop talking, start acting“ mit einschlägigen Diskussionsrunden und einhergehendem Positionspapier mit Forderungen und Best-Practice-Beispielen über Fachseminare und ein interaktives Online-Format „DEEP DIVE SUSTAINABILITY“ bis hin zur Initiative „ C02-freie Baustelle“.