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Die zwei Welten

Energieeffizienz versus Komfort. Im Büro liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Energieeffizienz, im Wohnbereich sind es die Wohnqualität und der Komfort.
Angelika Fleischl

Energieeffizienz versus Komfort. Im Büro liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Energieeffizienz, im Wohnbereich sind es die Wohnqualität und der Komfort.

Richtig gelebte Gebäudeautomation fängt mit der Ausbildung an, ist sich die Runde von Anfang an einig. „Wir können bei der Haustechnik viel automatisieren. Wir haben aber weder die Köpfe, die das betreiben können, noch die Köpfe, die es umsetzen können, weil einfach die Ausbildung fehlt“, kritisiert Vasko+Partner Geschäftsführer Wolfgang Poppe scharf. Harald Engelke, Senior Development Manager bei der Immofinanz, legt gleich ein Schäuferl nach: „Dadurch läuft der Betrieb der Gebäude falsch und die gewünschten Effekte werden nicht erreicht.“  Alles an der Ausbildungsqualität festzumachen, geht Thomas Zhanel, Sales & Business Development LOYTEC electronics, einen Schritt zu weit. Es stelle sich vielmehr die Frage, was den Gebäuden, Betreibern und Ausführenden zugemutet wird. Das ist auch von den bestehenden Anlagen abhängig. „Es ist relativ einfach, da ein System darüber zu stülpen. Wenn die bestehenden Anlagen nicht kompatibel sind, wird das relativ schwierig“, so Österreichische Facility Management Gesellschaft (ÖFM)-Geschäftsführer Thomas Tischler.

Früher sei vor allem bei Refurbishments, so wirft Engelke ein, Gebäudeautomation oft dem Rotstift zum Opfer gefallen. „Preislich war dann schnell das Ende der Fahnenstange erreicht. Da wurde dann Gebäudeautomation einfach gestrichen.“ Heute sei das nicht mehr der Fall. Für Zhanel ein zu optimistischer Ansatz: „Auch beim Neubau kommt die Gebäudeautomation oft ganz zum Schluss. Der Rotstift verhindert auch heute noch, dass effizienzsteigernde Maßnahmen umgesetzt werden.“ Dies sei auch beim Facility Management der Fall: „Da stellt sich die Frage, wie ich gutes Personal zu billigen Preisen bekommen kann.“ Bei gewerblich genutzten Objekten, die noch ohne oder mit nur geringer Gebäudeautomation auskommen, „was es immer noch häufiger gibt, als angenommen“, wie Zhanel aus seinem beruflichen Alltag berichtet, könne man schon mit geringen Investitionskosten viel bewirken.

Ein Generationenproblem

Gebäudeautomation ist für Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien, im Wohnungsbereich - „… und da habe ich einen sehr guten Überblick“ - ein Generationenproblem. „Für die junge Generation ist Gebäudeautomation, ist ,smart home‘ ein Thema, das auch bei unseren Projekten immer stärker nachgefragt wird.“ Nachrüsten im Bestand ist allerdings schwierig. „Im Wohnungseigentum nahezu unmöglich. Sie bekommen fast nie die 100 Prozent Zustimmung aller Eigentümer. Es gibt immer jemanden, der dagegen ist.“ Bei neuen Entwicklungen ist das Thema „intelligentes Haus“ hingegen aktuell. „Das Wesentliche für den Endkonsumenten ist: Die Technik darf keine Spielerei sein, sie muss wirklich zusätzlichen Komfort bringen und leicht zu bedienen sein.“

„Wir müssen uns die Frage stellen: Was bedeutet mehr Technik?“, wendet nun Tischler ein. „Höhere Investitionskosten, Mehrkosten durch Anlagentausch, Fehlerhäufigkeiten, höhere Wartungskosten und damit auch höhere Betriebskosten“. So muss es auch bei technischen Problemen möglich sein, einen Lichtschalter zu bedienen – auch ohne iPhone oder iPad. Zhanel stimmt zu: „Die Technik muss unterstützend und leicht handhabbar sein.“ Es kommt darauf an, dass alles selbstfunktionierend sowie auf den Nutzer abgestimmt ist und nur wenig Eingriffe nötig sind.

„Im Büro liegt der Schwerpunkt bei Energieeffizienz, im Wohnbereich ist es eher die Wohnqualität und der Komfort“, bringt es Tischler auf den Punkt. Oft ist es so, dass möglichst viel Technik hineingepackt wird, um es danach besser vermarkten zu können – dieser Hype ist jedoch rückläufig. „Keine Frage. Es geht auch um Fehlentwicklungen“, stimmt Poppe zu. „Das Passivhaus ist der größte Blödsinn, den es gibt. Punkt!“ Für Zhanel stellt sich aber auch die Frage: „Wie gehe ich mit Technik um? “ Aus Sicht der Industrie könnte es durchaus mehr Technik sein, wenn sie effizient ist – diese falle aufgrund von Spargründen aber weg. „Fällt das Argument 'zu viel Technik', liegt es meist daran, dass der Nutzer damit nicht umgehen kann. Kurz gesagt: Es gehört die richtige Technik hinein!“

Roundtable Gebäudeautomation _ 079 @ cityfoto

Vieles, was technisch möglich wäre, wird nicht umgesetzt.

Poppe wirft einen neuen Aspekt in die Runde: „Es geht auch um die gesetzlichen Rahmenbedingungen.“ Gesetze sollten Impulse und Antrieb zur Umsetzung sein. Hier sind Normen ein wichtiger Punkt. „Vieles, was technisch möglich wäre, wird von der Herstellerindustrie nicht umgesetzt. Es kommt jedoch auch darauf an, wie gut sich der Nutzer gegenüber der Industrie artikulieren kann“, bringt sich nun auch Peter Breuss, technischer Direktor REWE International AG ein. „Wenn man etwas wirklich will und bereit ist, dafür zu bezahlen, bekommt man das auch von der Industrie!“ Stellt sich nur die Frage, wer den Druck aufbauen kann, sich mit der Technik und dem Knowhow auseinanderzusetzen? Engelke hat die Antwort parat: „Nur die Politik!“ Breuss hingegen ist sich sicher, das diese damit überfordert sei. „Große Unternehmen, wie PORR oder  Strabag, lassen sich zu sehr treiben“, so Engelke. Poppe mit einem Zwischenruf in die nun etwas hitziger werdende Diskussion: „Alles andere ist wichtiger, aber der Technik wird kein Platz gegeben.“ Planung bedeute auch Respekt vor anderen Gewerken.

Endkonsumenten interessiert das Thema Energiekosten null 

„Energie muss in unserer Gesellschaft wieder deutlich mehr an Wert gewinnen. Dann würde das Thema Energieeffizienz auch anders wahrgenommen“, so Breuss. Breuss weiß, wovon er spricht. In klassischen Supermärkten gelten Kühlung und Beleuchtung als die größten Energieverbraucher und sind für etwa 75 Prozent des gesamten Energiebedarfs verantwortlich. Deshalb beschäftigt sich REWE besonders in diesen Bereichen mit Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen. Bereits seit 2006 werden innovative Energiekonzepte nach und nach umgesetzt und laufend erweitert.

„Mit diesem Argument kommen sie bei den Endkonsumenten nicht durch“, so Müller. „Den Endkonsumenten interessiert das Thema Energiekosten null.“ Dafür ist die Energie zu „billig“.

Doch was können wir von der Gebäudeautomation in den nächsten Jahren erwarten? Engelke warnt: „Es wird mehr und mehr - aus meiner Sicht zu viel - und der Mensch wird überfordert sein.“ Man braucht Technik, um Technik zu bedienen.

Auch Big Data wird in Zukunft ein Thema sein, wenn Smartphones Informationen sammeln, um  automatisch den Heimweg zu berechnen oder die Tür zu öffnen. Tischler ist der Meinung, dass sich vieles entwickeln wird, an das man heute noch gar nicht denkt. „Die Frage ist, inwiefern der Nutzer das dann auch haben will.“ Wichtig sei daher, dass der Nutzerkomfort im Mittelpunkt stehe.

Roundtable Gebäudeautomation _ 042 @ cityfoto

Poppe sieht in der Verfügbarkeit von Energie einen, wenn nicht sogar den wesentlichsten Punkt. Er ist sich sicher, dass Insellösungen für den Wohnbau die Zukunft sind und prognostiziert: „In fünf Jahren muss jedes Haus Energie erzeugen, ansonsten hat es keinen Wert mehr. Ist man vom öffentlichen Netz unabhängig, kostet die Energie nichts mehr, weil ständig selbst Energie produziert wird – darin steckt das Potenzial.“ „Das lässt sich in diesem Zeitraum nicht umsetzen“, widerspricht Breuss heftig. „Aber wir müssen darauf zugehen und Gebäude so bauen, dass sie energieautark sind.“

Die nicht proprietären Systeme werden sich am Markt durchsetzen. Das wird dem Segment Gebäudeautomation weiteren Auftrieb geben, ist Zhanel überzeugt. „Früher wurde überwiegend nur von großen Unternehmen mit eigenen Systemen angeboten. Damit war man in der Betriebsführung und Wartung an diese gebunden. Die Anlagen konnten außerdem nur schwer durch andere Systeme ergänzt werden. Heute werden immer häufiger offene Systeme gefordert, die späteres Erweitern erleichtern.“ Mit der Gebäudeautomation untrennbar verbunden ist für Zhanel das Thema Big Data. „Gerade bei der Gebäudeautomation ist es wichtig, die Informationen richtig zu verwerten. Wenn ich die sinnvoll nutzen kann, kann ich wieder mehr Energieeffizienz, aber auch mehr Nutzerkomfort schaffen.“

Ein weiterer Megatrend in der Gebäudeautomation wird im Smartphone als Element zur Steuerung gesehen - vor allem im privaten Bereich. „Diese Entwicklung ist aber auch eine Generationenfrage. Sicherheit und Zugriffssicherheit werden dadurch verstärkt zum Thema werden.“ Müller erkennt auch den Trend zur Automatisierung für Zweitwohnsitze: „Die Wohnung in Kitzbühel soll bitte jetzt die Heizung einschalten.“ Breuss sieht außerdem eine starke Individualisierung auf die Gebäudeautomation zukommen. Der Anteil der Haustechnikkosten an den Gesamtkosten wird dadurch steigen. „Dem muss man nicht nur räumlichen Platz, sondern auch Zeit einräumen, um ein passendes System zu finden“, so Poppe. Müller ist sich sicher, es wird sich nur das durchsetzen, was wirklich nützlich ist: „Hier beantwortet der Markt alle Fragen.“