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Digitalisierungsnotstand

Es existiert zwar ein Wort für Property Technology, zu deutsch Immobilientechnologie, doch in der Realität hinkt die Branche der Digitalisierung hinterher. Österreichs Innovationsaushängeschild Florian Gschwandtner über Ideenfindung, Apps, Innovationen und Erfolg. Und wo noch was zu holen ist.
Lisa Grüner
Florian Gschwandtner
Florian Gschwandtner
© Werner Harrer

Quasi  über Nacht wurde Florian Gschwandtner als Co-Founder des Unternehmens Runtastic bekannt. Das 2009 gemeinsam mit drei Freunden gegründete Start-up wurde 2015 von adidas für 220 Millionen Euro übernommen, Gschwandtner blieb noch bis 2019 als CEO im Unternehmen. Nach einer Auszeit ist er nun operativ für Tractive, als Investor bei ‚2 Minuten 2 Millionen‘ und als Keynotespeaker tätig.

Wie entsteht Innovation? Woher kommt Innovationskraft? 

Innovation entsteht nicht, sondern Innovation muss geschaffen werden und dazu braucht es sowohl die Menschen als auch die passende Umgebung. Speziell im Unternehmen ist die Innovation die treibende Kraft für langfristigen Erfolg. Jeder, der anfängt bei Innovationen einzusparen, bringt sich wohl mittel- bis langfristig in eine schwierige Situation. Ich bin sehr stark der Meinung, dass Innovation vor allem im Leadership-Bereich verankert sein muss, weil diese Menschen mit Vorbild vorangehen müssen. 

 Die simpelsten Ideen bringen oft das meiste Geld: Wie kommt man zu diesen Ideen?  

Nein, nicht die Ideen bringen das Geld, sondern die harte Arbeit dahinter. Ich sage immer, dass die Idee nur fünf bis zehn Prozent ausmacht und die Umsetzung der viel wichtigere Part ist.

Dazu kommt noch, dass man ein tolles Team und gute Menschen um sich braucht, um erfolgreich sein zu können. Ich mache es persönlich so, dass ich eine Liste mit Ideen pflege, welche ich immer wieder mal erweitere. Die meisten kann ich leider nie umsetzen, da man den Fokus und die Zeit braucht, einige schaffen es dann aber auch immer wieder mal und werden tatsächlich umgesetzt. So war es auch damals bei Runtastic und auch bei Tractive, dem Weltmarktführer im GPS-Tracking für Hunde und Katzen, wo ich jetzt operativ arbeite.

Was machen die meisten falsch? 

Ich bin der Meinung, dass man das so gar nicht sagen kann. Es machen doch ganz viele auch ganz viel richtig. Wo wir natürlich besser werden können und sollen, ist im Bereich Unternehmertum. Hier ist Österreich leider weit weg von der Spitze und der Unternehmer wird nicht immer sehr freundlich behandelt. Des Weiteren brauchen wir mehr Mut und müssen uns mehr zutrauen. Wir leben in einem tollen Land und es geht uns allen gut und dank der digitalen Welt können wir auch von Österreich aus die Welt bedienen - hier würde ich gerne mehr sehen. 

Wie kann man als Start-up erfolgreich werden? Auf welche Faktoren kommt es an? 

Wie bereits oben beschrieben, ist die Idee nur ein Teil einer erfolgreichen Start-up-Geschichte. Die viel wichtigere Sache ist das Team und hier geht es beim Start vor allem um das Gründerteam. Ich schaue mir immer ganz genau an, wer die Menschen sind und wie sie ticken und ob sie wirklich den Willen haben, erfolgreich zu sein oder zu werden. Jeder spricht gerne vom Erfolg, aber der Weg dorthin ist ein steiniger. 

 Neben den Faktoren Idee und Team braucht es dann aber auch für mich ein skalierendes Modell. Wie gesagt, die Welt ist heute digital und kann somit von überall bedient werden. Mir machen Businessmodelle Spaß, welche international und groß funktionieren.

Haben Sie eine Formel für Erfolg? 

Harte Arbeit, harte Arbeit und harte Arbeit.

Was bedeutet heute Erfolg für Sie? Wie hat sich Ihre Definition von Erfolg in den letzten Jahrzehnten verändert? 

Erfolg hat für mich ganz viele Facetten und sieht wahrscheinlich auch für jeden Menschen anders aus. Als ich damals Runtastic gegründet habe, wollte ich, dass wir davon leben können und eine Firma aufbauen, die funktioniert. Das hat sehr gut geklappt und ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir so erfolgreich sein werden und können. Ein weiterer Erfolg ist für mich, dass ich in einer tollen Familie aufgewachsen bin und am Bauernhof viele Basics vom Leben gelernt habe. Das war mir damals wohl gar nicht so bewusst und ich hätte es nicht als Erfolg eingestuft, heute sehe ich dies jedoch anders. Weitere Erfolgsmeilensteine waren wohl neben der Schule dann zwei Studien zu absolvieren und somit die Grundsteine für eine erfolgreiche Zukunft zu legen. Für die nächsten Jahre und Jahrzehnte gilt dasselbe wie immer. Ich setze mir gerne Ziele und wenn ich diese erreiche, dann ist das für mich ein Erfolg. Ein sportlicher Erfolg war 2017 die zehn Kilometer unter 40:00 Minuten zu laufen - dafür hat es echt hartes Training gebraucht und es ist sich mit 39:51 zum Glück auch ausgegangen. Also somit glaube ich, dass es Erfolg immer neu zu definieren gilt und dieser eine temporäre Sache ist. 

Im Immobilienbereich werden erfolgreiche Apps von ITlern entwickelt, nicht von Immobilienleuten. Haben Sie eine Erklärung dafür?  

Der Immobilienmarkt ist ja noch nicht wirklich zu 100 Prozent digitalisiert worden. Hier gibt es also gerade jetzt sehr viele Chancen für neue Businessmodelle und Produkte und natürlich können hier die Softwarespezialisten erfolgreich sein. Die beste Kombination wäre aber wahrscheinlich, wenn man den Experten aus der Branche mit dem Softwarespezialisten zusammenbringt und dann den Markt "disruptiert". PropTech wird also in den nächsten Jahren auch im Start-Up-Markt eine ganz große Rolle spielen, weil das System eben über Jahrzehnte sehr ähnlich funktioniert hat und hier jetzt eine große Veränderung vor der Tür steht. Dies ist vor allem auch dem technologischen Wandel geschuldet und auf einmal können wir zum Beispiel eine Wohnung via Smartphone und Augmented Reality besichtigen. Ich bin echt gespannt, was wir hier die nächsten Jahren noch alles sehen werden und vielleicht gibt es ja auch von mir schon bald mal ein Investment in diesem Bereich. 

Kann die Angst vor dem Transparent­werden von Prozessen dahinterstecken? 

Ja, dies könnte auch eine Ursache sein. Viel mehr glaube ich aber, dass man einfach ohne Veränderung lange in dieser Branche gut erfolgreich sein hat können und man auch Innovation nicht gepusht hat. Es gibt die guten Player im Markt und die verdienen gutes Geld und warum sollte hier viel verändert werden. Es kommt jedoch dann immer eine Zeit, wo Innovation und das gute neue Produkt gewinnen und diese Transition kann mal schneller oder mal langsamer gehen. 

Oder ist es normal, dass App-Entwick­lungen eher von außen kommen? 

Wie gesagt, ich würde nicht sagen ausschließlich von außen, aber oftmals gibt es auch Vorteile, wenn man die Industrie gar nicht kennt. Dies haben viele erfolgreiche Unternehmer immer wieder bewiesen, wie zum Beispiel Richard Branson, als er seine Virgin Airline gegründet hat, ohne jegliches Vorwissen in diesem Bereich. 

Gibt es eine App, die Sie sich für den Immobilienbereich wünschen würden?  

Ja, ich würde gerne via Augmented Reality – also quasi durch die Kamera durchsehen – auf alle Immobilien filmen können und hätte dann dazu gerne Informationen: Wem gehört das Gebäude, wie viele Wohnungen sind da drinnen, gibt es was zu vermieten oder kann man was kaufen. Dann sieht man vielleicht noch Trends von der Bewertung. Ich kann mir vorstellen, dass es so etwas in Zukunft geben kann und wird.