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Drei Irrtümer

„Eine allfällige Wertbeeinflussung kann erst dann festgestellt werden, wenn wieder Bewegung am Markt zu beobachten ist und die Transaktionen wieder einsetzen“, bringt es Wolfgang M. Fessl, Reinberg & Partner, im Gespräch mit dem ImmoFokus auf den Punkt.
Amelie Miller
FESSL, Wolfgang M. (Reinberg & Partner )
FESSL, Wolfgang M. (Reinberg & Partner )
© Katharina Schiffl

Was tut sich in der Immobilien-Bewertung im Zusammenhang mit COVID-19? Man hört Schlimmes – vor allem was die Asset-Klasse Hotels betrifft. Gemunkelt wird, dass Hotels massiv an Wert verlieren! 

Wolfgang M. Fessl: Dafür gibt es eigentlich keinen Grund, denn im Zuge der Bewertung wird der Wert der Immobilie festgestellt. Es kann durchaus sein, dass bei Betreiberimmobilien wie Hotels oder Tankstellen die Performance des Betreibers Einfluss auf den Wert der Immobilie hat. 

Dies geht jedoch nicht so weit, dass dadurch ein Wertverfall der Immobilie zu befürchten ist. 

Da es sich bei den sogenannten Betreiberimmobilien generell um Ertragsimmobilien handelt, erfolgt die Wertfindung durch die Kapitalisierung der zukünftigen Mieterträge. Vereinfacht gesagt also durch die Summe der Mieteinnahmen, welche in Zukunft noch zu erwarten sind. Diese Zukunft bezieht sich immer auf die Restnutzungsdauer der Immobilie. Das heißt, die Wertminderung hält sich in Grenzen? Ja, absolut. Wenn also z.B. bei einer üblichen Restnutzungsdauer der Immobilie von 40 Jahren der Betreiber für zwei Jahre lang überhaupt kein Pachtentgelt zahlen würde, dann wäre damit ein Wertverlust von etwa fünf Prozent verbunden. Realistischer ist da schon die Annahme, dass der Betreiber für zwei bis drei Jahre ein reduziertes Bestandsentgelt zahlt, und somit die Wertminderung im Bereich von etwa drei bis vier Prozent zu liegen kommt. Diese Größenordnung ist derzeit auch am Markt zu beobachten.

Man bekommt auch laufend zu hören, dass Einkaufszentren derzeit unverkäuflich sind.  

Das mag natürlich sein, und bedeutet lediglich, dass derzeit weder ausreichend Nachfrage noch ein entsprechendes Angebot vorhanden sind. Somit wollen die Eigentümer ihre Einzelhandelsflächen derzeit nicht verkaufen, und auch die Käufer zeigen sich bei den Ankaufsentscheidungen eher reserviert.  

Das ist ja kein unnatürliches Phänomen.  

Nein, ganz und gar nicht. Ähnliche Situationen gibt es im Immobilienmarkt immer wieder zu beobachten, nämlich dass einzelne Segmente illiquid sind und daher keine Transaktionen zu beobachten sind.Doch nur weil es kaum Transaktionen gibt, bedeutet dies nicht automatisch einen Wertverfall der Immobilie. Diese behält vorerst ihren Wert. Eine allfällige Wertbeeinflussung kann erst dann festgestellt werden, wenn wieder Bewegung am Markt zu beobachten ist und die Transaktionen wieder einsetzen. Speziell bei Einzelhandelsflächen im urbanen Bereich ist damit zu rechnen, dass diese auch für Alternativnutzungen geeignet sind und daher jedenfalls ihren Wert behalten.  Einzig bei Fachmarktnutzungen im ländlichen Bereich kann es – allerdings auch ohne Corona-Beeinflussung – aufgrund von strukturellen Änderungen zu Wertminderungen kommen.Das liegt aber eher am Strukturwandel, dem der Handel ausgesetzt ist, und der (auch) ohne Corona voranschreitet.

Fotos: Katharina Schiffl

Wenden wir uns der nächsten Asset-Klasse zu – nämlich Büros werden kaum mehr gebraucht, es verlagert sich alles ins Home-Office. 

Dabei dürfte es sich um eine krasse Fehleinschätzung handeln. Die Entwicklung des Home-Office läuft schon seit einigen Jahren. Bis dato durfte man ins Home-Office, nun sollte man unbedingt. Nebenbei bemerkt: Noch, ohne dass es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Jetzt zeigen sich auch die ersten Defizite, von Produktivitätseinbußen bis zur sozialen Vereinsamung. Das liegt auch daran, dass die Bürofläche nicht nur die Aufgabe hat, einen Platz für den jeweiligen Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.  

Verstanden. Aber offensichtlich geht es auch ohne Büro, wie man vor allem während des ersten Lockdowns gesehen hat. Wieso glauben Sie, dass es keine Um­orientierung geben wird in Zukunft? 

Erstens erfüllt das Büro auch Repräsentationsaufgaben und bietet den Marktplatz für die soziale Interaktion und das Fundament für die Loyalität der Mitarbeiter.  Das alles funktioniert aus dem Home-Office heraus nicht. Büroflächen werden also auch weiterhin gefragt sein und Bürohäuser damit ihren Wert erhalten. Und zweitens – freilich werden sich die Anforderungen an die einzelnen Räume ändern. Dies lässt sich jedoch durch entsprechende Planungen und Ausstattungsänderungen bewerkstelligen. Mittelfristig ist also nicht mit einer Änderung der Nachfrage zu rechnen, eher mit einer Diversifizierung in bessere und schlechtere Objekte.

Wolfgang M. Fessl

SV, Ing. Wolfgang M. Fessl, MRICS REV, CIS ImmoZert Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Immobilientreuhänder (Makler), Geschäftsführer, Manager/Partner