Auch am dritten Tag des Immofinanz-Strafprozesses am Wiener Landesgericht haben die Angeklagten in der Saalmitte Platz genommen, um sich den Fragen des Schöffensenats zu stellen. Es ging etwa um die Arbeitsweise und das Verhältnis der ehemaligen Manager Karl Petrikovics und Christian Thornton. Petrikovics, der als "Mastermind" im Konzerngeflecht galt, räumte zudem Fehler ein. Den beiden wird Untreue und Bilanzfälschung vorgeworfen, sie bestreiten alle Vorwürfe.
Im Fokus der Anklage stehen Aktiengeschäfte des einst größten österreichischen Immobilienkonzerns, die ins Jahr 2007 zurückreichen. Die beiden ehemaligen Manager sollen laut Anklage über die zwischengeschaltete Immofinanz Beteiligungs AG (IBAG) Darlehen in mehrstelliger Millionenhöhe an Tochtergesellschaften der Constantia Privatbank vergeben haben. Diese sollen mit den Geldern wiederum Immofinanz- und Immoeast-Aktien erworben haben. Es habe sich um unbesicherte Darlehen gehandelt und weder der Aufsichtsrat noch die anderen Vorstände seien informiert gewesen, so die Staatsanwaltschaft Wien. Zudem habe die Vorgangsweise gegen das Verbot des Kaufs eigener Aktien verstoßen. Den Immobiliengesellschaften Immofinanz und Immoeast soll ein Schaden von insgesamt rund 836 Mio. Euro entstanden sein.
Petrikovics, der sowohl Immofinanz und Immoeast als auch die Constantia Privatbank in Personalunion leitete, bestätigte in seiner Befragung, dass zumindest der Aufsichtsrat der IBAG nicht in die Vergabe der Millionendarlehen eingebunden war. "Warum nicht?", hakte Richterin Claudia Moravec-Loidolt nach. "Da sind Millionen darüber geflossen." "Das ist eine berechtigte Frage. Im Nachhinein war das keine gute Idee", räumte Petrikovics ein. Die Transaktionen selbst verteidigte der Ex-Immofinanz-Chef aber: "Die Aufsichtsräte mussten das nicht genehmigen, das waren Geschäfte zu Marktpreisen." Moravec-Loidolt entgegnete: "Wäre es nicht schlauer gewesen, das mit dem Aufsichtsrat zu besprechen? Ich habe gedacht, man spricht miteinander, wenn man zusammen ein Unternehmen führt - aber dem ist wohl nicht so."
Thema der Befragung war außerdem ein Schreiben an die Finanzmarktaufsicht (FMA). Diese hatte bereits im November 2007 von der Constantia Privatbank einen Bericht über die Transaktionen angefordert. In einem Antwortschreiben an die FMA habe es dann geheißen, Thornton sei für die Organisation und Abwicklung der Aktientransaktionen verantwortlich gewesen. Dies bestreitet er jedoch vehement. Auch Petrikovics kennt das Schreiben nach eigenen Angaben nur aus dem Akt. "Wie kann in einem Konzern, wo Sie so eine führende Rolle hatten, so ein wichtiges Schreiben an Ihnen vorbeigegangen sein?", zeigte sich Richterin Moravec-Loidolt sichtlich verwundert.
Auch die berufliche Zusammenarbeit zwischen Petrikovics und Thornton kam zur Sprache. Auf die Frage, ob die beiden per Du seien, antwortete Thornton, der als engster Mitarbeiter von Petrikovics galt: "Selbstverständlich nicht, nein." Ihr Verhältnis beschrieb er als "professionell, ordentlich aber mit einem extremen Machtgefälle". Sein ehemaliger Chef habe alle Entscheidungen alleine getroffen. Petrikovics bezeichnete die Beziehung zu seinem wichtigsten Mitarbeiter als "streng professionell und korrekt". Er habe großen Wert auf Thorntons Meinung gelegt. So habe er, nachdem Thornton ihm seine Bedenken über die Verwerfungen am US-Immobilienmarkt (Subprime-Krise) mitgeteilt habe, auch Analysten kontaktiert, die ihn beruhigt hätten, was sich erst später mit der dadurch ausgelösten Finanzkrise als falsch herausgestellt habe.
15 Jahre nach Beginn der Ermittlungen findet nun der zweite Immofinanz-Strafprozess statt. Durch den Immofinanz-Skandal wurden infolge der Finanzkrise Tausende Privatanlegerinnen und Privatanleger geschädigt.
Nächste Woche geht es mit Zeugenvernehmungen weiter. Insgesamt sind 13 Verhandlungstage angesetzt, mit einem Urteil des Schöffengerichts ist frühestens Ende Februar zu rechnen. (apa)