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Ein neuer Standard

Vergleichbarkeit. Für den Wiener Büroimmobilienmarkt gibt es nun einen international vergleichbaren Bewertungsstandard. Alexander Bosak vom Vienna Research Forum (VRF) erzählt im Interview mit dem ImmoFokus, warum es dafür schon höchste Zeit war.
Angelika Fleischl

Vergleichbarkeit. Für den Wiener Büroimmobilienmarkt gibt es nun einen international vergleichbaren Bewertungsstandard. Alexander Bosak vom Vienna Research Forum (VRF) erzählt im Interview mit dem ImmoFokus, warum es dafür schon höchste Zeit war.

Sie haben einen neuen Bewertungsstandard für den Wiener Büromarkt geschaffen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Alexander Bosak: Die bisher verwendeten Daten basierten auf einer Arbeitsstättenzählung der Statistik Austria. Die wurde zuletzt 1991 aktualisiert bzw. zwar ergänzt, aber ohne strukturierte Standards, die von Investoren für eine Orientierung gebraucht werden. Ein eindeutiges Zeichen, dass hier Änderungsbedarf gegeben war.

Die bisherigen Daten haben auch Büroflächen von Schulen, Betriebsobjekten und sehr kleine Büroflächen erfasst und waren so einfach nicht mehr ausreichend für die Immobilienwirtschaft. Das wollten wir ändern.

Wer ist „wir“? Wer ist mit an Bord?

Initiator war der Verein zur Förderung der Qualität in der Immobilienwirtschaft (immQu). Beteiligt haben sich führende Kanzleien aus dem Wiener Büroimmobilienmarkt: Barreal, CBRE, Colliers International, die Immobilienmakler GmbH, EHL Immobilien, die ÖRAG, Otto Immobilien und Spiegelfeld International.

Waren die Beteiligten sofort Ihrer Meinung oder hat es einiges an Überzeugungsarbeit bedurft?

Die führenden Büromaklerunternehmen hatten sich schon lange ein international vergleichbares Tool gewünscht. Diese Branchenexperten bringen unabhängig voneinander und anonym Vertragsabschlüsse, Mieten, Leerstände und Baufertigstellungen der Wiener Büros in die Datenbank des VRF ein. Nachdem dieses Prozedere festgelegt war, konnten wir losstarten.

Wie lang hat die Entwicklung gedauert?

Wir haben 2013 damit begonnen, eine neue Datenbank für die Wiener Büroimmobilien mit einer modernen und internationalen Klassifikation auf Submarktebene aufzubauen.

Stichwort internationale Vergleichbarkeit. Wie sieht es in anderen Großstädten aus? Haben die vergleichbare Bewertungsstandards? 

Ja. Beispielsweise in Warschau, Prag oder Budapest werden schon seit dem 2000er-Jahr Büroimmobilien nach diesem Standard bewertet und Marktberichte erstellt.

Das heißt, Wien zieht hier „nur“ nach?

In den genannten Städten wurden von Beginn an nur moderne Büroflächen auf Objektebene nach internationalem Standard erfasst, d.h. sie mussten diese Einstiegshürde nicht nehmen. In Wien mussten wir aus einem Gesamtmarkt den relevanten Teilmarkt moderner Büroflächen identifizieren, was eine sehr zeitintensive Phase und sicher einer der Hauptgründe war, dass es so lange gedauert hat.

Was waren die größten Hindernisse bei der Erstellung?

Die sogenannten Mühen der Ebene. Zur Illustration: Wir haben fünf Quartale vor der Veröffentlichung eine sogenanntes Trockentraining absolviert. Dabei wurde laufend der Prozess der Datenerfassung sowie die Datenbank und die Eingabemaske immer wieder optimiert. Ebenso wurden die Definitionen noch weiter geschärft bzw. ergänzt.

Welchen Nutzen bringt dieser einheitliche Bewertungsstandard?

Mit dem neuen VRF-Standard können Büroflächen nach genau definierten Qualitätskriterien vergleichbar gemacht werden. Nicht nur in Wien, auch im internationalen Kontext. Wir setzen also auch ein Zeichen für potenzielle Investoren und Unternehmen, die gerade neue Standorte für sich prüfen. Ein transparenter Markt birgt weniger Risiko und ist deshalb auch für Investoren interessanter.

Um welche Qualitätskriterien handelt es sich dabei konkret?

Dazu zählen Büroflächen, die ab 1990 gebaut oder generalsaniert worden sind. Qualitätskriterien, die wir überprüfen, sind zum Beispiel Klimatisierung, Lift oder der IT-Standard. Außerdem müssen bei Gebäuden mit gemischter Nutzung die Büroflächen mehr als 50 Prozent ausmachen. Auch Kriterien zum Gebäude selbst, der Lage oder zur Nachhaltigkeit werden nun erfasst.

bosak-mag-alexander-_-003Warum fallen Gebäude, bei denen die Bürofläche weniger als 50 Prozent ausmacht, aus der Bewertung? Um wieviel Bürofläche handelt es sich dabei?

Von den gemischt genutzten Büroobjekten entsprechen ungefähr 20 Prozent nicht dem VRF-Standard. Das sind Gebäude, wo die Büroflächen nicht überwiegen oder die Büroflächen weniger als 1.000 Quadratmeter ausmachen. Das sind in etwa 2,25 Millionen Quadratmeter Fläche. Oft befinden sich diese in Zinshäusern mit vorrangiger Wohnnutzung, die Büros sind kaum 250 Quadratmeter groß. Auch Büros, die vor 1990 gebaut wurden oder nicht den modernen Standards entsprechen, wurden nicht berücksichtigt. Für diese Flächen sind oft Umnutzungen vorgesehen und sie basieren großteils noch auf Arbeitsstättenzählung. Diese spielen für den modernen Büromarkt eher eine untergeordnete Rolle.

Also selbst bei großen gemischt genutzten Gebäuden mit zigtausend Quadratmetern Bürofläche werden diese nicht berücksichtigt, wenn die 50-Prozent-Marke nicht erreicht wird? Macht das Sinn?

Also mir fällt spontan nur ein Gebäude mit „zigtausend“ Quadratmeter Fläche ein, das wir aufgrund der 50-Prozent-Hürde nicht aufgenommen haben, der Smart Campus der Wiener Netze. Aus Investorensicht handelt es sich hier um eine Sonderimmobilie mit einer sehr begrenzten Drittverwendungsfähigkeit. Die Büroflächen sind im Gesamtkomplex integriert und nicht separat als Investmentobjekt zu verkaufen.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Insgesamt gibt es in Wien knapp 11 Millionen Quadratmeter an Büroflächen – etwa die Hälfte davon entspricht dem neuen Bürostandard, der auch international vergleichbar ist. Es wurden auch nur diese den Submärkten zugewiesen. Die genauen Ergebnisse kann man in Zukunft unter www.viennaresearchforum.at einsehen.

Nach dem VFR-Standard wurde in Wien im zweiten Quartal eine Leerstandsrate von sieben Prozent ermittelt. Das ist in Ordnung und auch durchaus wünschenswert. Fünf bis sieben Prozent Leerstand sind wichtig, um am Markt eine gewisse Flexibilität zu haben. Hier darf man auch nicht vergessen, dass von der Planung bis zur Fertigstellung einiges an Zeit vergeht – fünf bis zehn Jahre. Ist der Leerstand geringer, dann weist das darauf hin, dass nur eine geringe Bautätigkeit stattfindet und auch, dass das Vertrauen in den jeweiligen Markt fehlt.

Außerdem wurde der Wiener Markt in acht Submärkte gegliedert: CBD (Innenbezirke), Donaucity, Prater/Lassallestrasse, Erdberg – St. Marx (Osten), Hauptbahnhof, Wienerberg (Süden), Norden und Westen. Diese sind nun geografisch genauestens abgegrenzt und festgelegt. Diese Unterteilung ist auch wichtig, da Investoren für ihren neuen Standort oft in bestimmten Bezirken oder Regionen suchen.

Mit Ihrer Studie haben Sie den Wiener Büroimmobilienmarkt praktisch halbiert. Was sagt die Branche dazu?

Unsere Aufgabe war es, jene Büroflächen zu identifizieren, die Kunden von Maklerunternehmen – vorwiegend Unternehmen und Investoren, die nach einem Standort suchen – nachfragen. Diese entsprechen einem modernen, internationalen Standard und machen etwa die Hälfte der Gesamtfläche aus. Damit senden wir ein wichtiges, positives Signal an Investoren. Gleichzeitig fördern wir damit Wien als modernen Bürostandort. Wir haben jetzt schon viel positives Feedback dazu bekommen und ich bin überzeugt, dass alle Branchenmitglieder davon profitieren werden.