In den letzten 142 Jahren hat Zentraleuropa gute und schlechte Zeiten erlebt. Hochkonjunktur und Depression haben einander abgewechselt. Nur wenigen Unternehmen ist es gelungen die häufigen konjunkturellen und politischen Veränderungen unbeschadet zu überstehen. Union Baumaterialien, die heute unter dem Namen UBM Developement AG firmiert, konnte sich glänzend behaupten.
Mit der Niederlage von Königgrätz im Jahr 1866 wird der Grundstein für den wirtschaftlichen Aufschwung der Donaumonarchie gelegt. Durch das Ausscheiden aus dem deutschen Bund verschiebt sich die österreichische Interessenssphäre Richtung Südosteuropa. Eine um sich greifende industrielle Revolution und Impulse aus der Realunion mit Ungarn setzen erstaunliches Wachstum in Gang. Gewaltige Infrastrukturprojekte, wie die 1869 begonnene Donauregulierung, der Ausbau des Eisenbahnnetzes oder die Vorbereitungen für die Weltausstellung 1873, schaffen Arbeit für Zehntausende und steigern die Konsumkraft enorm. Insgesamt gilt die Periode ab 1867 in der österreichischen Ökonomie als die Gründerzeit schlechthin.
Das aufkommende industrielle Massenzeitalter revolutioniert vor allem das Bauwesen. Früher war es wie andere Gewerbe zünftisch organisiert, die Arbeit wurde von einigen gelernten Professionisten und vielen Tagelöhnern abgewickelt. Neue technische Lösungen, standardisierte Fertigungstechniken und moderne Baumaterialien vervielfachen nun die Bauproduktion. Auch die Bewirtschaftung von Grundstücken an sich wird professionalisiert. Landesherrliche Vorrechte fallen, Bodenunternehmen oder Terraingesellschaften werden zu den Vorläufern der heutigen Immobilienentwickler.
Die Gründung der Union Baumaterialien Gesellschaft fällt in diese Zeit des großen Aufbruchs. Am 3. März 1873 konstituiert sich die Firma unter Verwaltungsratspräsident Ludwig Baron von Wattmann und Vizepräsident Georg Bucher. Nach der historischen Satzung zählen Kauf, Verkauf, Parzellierung und Verwertung von unbeweglichen Gütern jeder Art, Übernahme und Herstellung von Bauten sowie Erwerb und Betrieb von Ziegeleien, Steinbrüchen, Kalköfen, Zement-, Eisen-, Metall-, Säge- und Kohlewerken zum Unternehmensgegenstand. Die neue Unternehmung kommt von Anfang an gut ins Geschäft. Zu den ersten Aufträgen zählt die Herstellung der Kaimauern des Budapester Donauufers. Die Auftragsbücher schwellen an. In der sich immer mehr überhitzenden Konjunktur sind Rohstoffe für den Bau, wie Ziegel oder Holz, besonders nachgefragt.
Schon am 10. April 1873 geht Union Baumaterialien Gesellschaft an die Wiener Effektenbörse. Die Stimmung am Aktienmarkt ist euphorisch, die Kurse schnellen in die Höhe. Auch die Immobilienpreise steigen. Hypothekenbanken überschwemmen den Markt mit Liquidität durch Ausgabe von Pfandbriefen. Zur Sicherheit genügen auch halbfertige oder geplante Bauten. Ein Vergleich mit den mortgage loans zu Beginn dieses Jahrhunderts drängt sich geradezu auf. Das Ergebnis ist 1873 dasselbe wie in der Subprime-Krise. Schon eine Woche nach Eröffnung der Weltausstellung kommt das böse Erwachen: Allein am 9. Mai, einem Freitag, melden 120 Unternehmen Konkurs an. Die Börse bricht zusammen. „Binnen weniger Stunden waren Millionen von Agio mit dem Schwamm von der Tafel fortgewischt. In den nächsten 24 Stunden verzeichneten die Kurse Einbußen von Hunderten von Millionen“, berichtet die Zeitung der Frankfurter Aktionär in seiner Ausgabe am 13. Mai 1873 über die Geschehnisse an der Wiener Börse. Der Baisse folgt eine Periode hartnäckiger wirtschaftlicher Depression. In Österreich-Ungarn geraten insgesamt 48 Banken, acht Versicherungsgesellschaften, zwei Eisenbahngesellschaften sowie 59 Industrieaktiengesellschaften in Konkurs beziehungsweise in Liquidation. Nicht genug damit, der „Schwarze Freitag“ springt auf die europäische Wirtschaft über und führt zur ersten großen Rezession der Wirtschaftsgeschichte.
Die Grundstückspreise reagieren besonders sensibel. Es kommt zu totaler Stagnation, Immobilienprojekte werden zurückgestellt, Baustellen stillgelegt. Für die meisten der in der vorherigen Euphorie gegründeten Aktiengesellschaften bedeutet es das völlige Aus. Union Baumaterialien überlebt die Krise dank guter Kapitalausstattung und eines soliden Geschäftsmodells.
Außerdem verfügt die Unternehmung bereits in der Anfangszeit über einen umfangreichen Realbesitz an Grundstücken, was sich bei der Erhaltung des Vermögens besonders vorteilhaft macht. Um dem Abschwung entgegenzuwirken, räumt der Fiskus allen zwischen 1874 und 1876 entstehenden Bauwerken eine 25-jährige Steuerfreiheit ein. Konjunkturpakete sind also keine Erfindung der Gegenwart. Trotzdem verfällt der Ziegelpreis von 32 Gulden pro 1.000 Stück in der Hochkonjunktur auf 15 Gulden.
Obwohl die Weltwirtschaftskrise auch Union Baumaterialen beeinträchtigt, geht das Unternehmen schon bald wieder auf Expansionskurs. Unter Max Gerstle, er gehört seit 1873 dem Verwaltungsrat an und war seit 1883 für 40 Jahre dessen Präsident, erwirbt Union Baumaterialen neue Ziegeleien in Siebenhirten, Vösendorf und Brunn am Gebirge. Durch die antizyklischen Zukäufe avanciert die Union Baumaterialien Gesellschaft nach Wienerberger zum zweitgrößten Ziegelerzeugungsbetrieb in der Monarchie mit zehn Werken und über 2.000 Arbeitern. Zur Abrundung des Baustoffangebotes erwirbt die börsennotierte Gesellschaft auch Zimmereien und Sägewerke. Ab 1904 kommt es sowohl in der Weltwirtschaft, als auch in Österreich zu einer Wiederbelebung der Konjunktur. Eine Krise, ausgelöst durch die Annexion Bosniens und Herzegowinas im Jahr 1908, unterbricht die, im Wesentlichen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges anhaltende, Belebung nur kurz. Der Aufschwung wird auf monetärer Seite durch einen liquiden Geldmarkt und niedrige Zinssätze getragen. Auch die Rüstungspolitik und verschiedene infrastrukturelle Investitionen der öffentlichen Hand wirken sich konjunkturfördernd aus. Davon profitiert nicht nur die Baustoffproduktion, auch der Handel mit Grundstücken floriert. Am Vorabend des 1. Weltkrieges sind die Menschen voller Optimismus. Bessere Versorgung, neue Infrastruktureinrichtungen, neue Formen der Kommunikation und zahlreiche ebenso bahnbrechende wie nützliche Erfindungen schaffen eine bis dahin nie gekannte Aufbruchsstimmung.
1912 hält die heutige UBM einen Anteil von 30 Prozent am Wiener Ziegelkartell, was der Grund für den Einstieg der Allgemeinen Österreichischen Baugesellschaft sein dürfte. Die spätere PORR will sich in der Baustoffversorgung möglichst unabhängig machen. Da ihre Hausbank, die Bodenkreditanstalt, die Errichtung eines maschinell betriebenen Ziegelwerks nicht finanzieren möchte, erwirbt man am 10. Oktober 1912 mit insgesamt 14.000 Aktien die Majorität an Union Baumaterialien, die damals ihrerseits wiederum an der Wienerberger Ziegelfabriks- und Baugesellschaft beteiligt war. 1916 wird erstmals das bisherige Geschäftsmodell modifiziert. Die Ausdehnung der Stadt Wien zwingt Wienerberger sich um Ersatz für die Tonabbaustätten am Wienerberg umzusehen. Union Baumaterialien tauscht daher mit Wienerberger ihre in Wiener Neudorf und Guntramsdorf gelegenen Ziegelwerke gegen 420.000 Quadratmeter Baugrund in Wien. Zusätzlich erhält Union Baumaterialien für die Sacheinlage zehn Prozent des Aktienkapitals von Wienerberger. Fortan konzentriert sich die Gesellschaft auf den Realitätenhandel, der Handel mit Baustoffen aller Art wird zurückgefahren.
Inflation ist das prägende wirtschaftliche Ereignis der Nachkriegszeit. Jede Gewinn- und Verlustrechnungen ist auf einmal illusorisch. Bei einer Inflationsrate von 100 oder mehr Prozent verlieren Guthaben oder Forderungen ihre Bedeutung. Selbst Bauen erweist sich für die Gesellschaft als problematisch, weil die Geldentwertung jeden Projektgewinn vernichtet. Zur Gegenstrategie ist man bemüht den Immobilienbesitz soweit wie möglich zu halten. Grund und Boden kann nicht beliebig vermehrt werden und unterliegt daher in der Regel keiner inflationsbedingten Abwertung. 1921 werden dann gemeinsam mit der Allgemeinen Österreichischen Baugesellschaft mehrere Wohnbaugesellschaften gegründet. In die Projektgesellschaften Kärntner Tor, Centrum, Fundus, City, Wieden und Vindobona wird je ein Baugrundstück am ehemaligen Wiener Naschmarkt eingebracht. Der Grundbesitz in bester Wiener Lage stellt die Basis für das weitere Prosperieren der Gesellschaft dar.
Am 31. Dezember 1927 entsteht die heutige PORR durch Fusion der Allgemeinen Österreichischen Baugesellschaft mit der PORR Betonbauunternehmung GmbH. Die neue Gesellschaft setzt auf den Bauexport. Erstmals kommt es zu einem Geschäft am Französischen Realitätenmarkt. Union Baumaterialien erwirbt in der Nähe von Calais Grundstücke und errichtet gemeinsam mit PORR darauf Villen.
Die goldenen 20er Jahre enden aber ebenso wie die Gründerzeit mit einer Weltwirtschaftskrise. Das kleine, nunmehr der Kronländer beraubte, Österreich trifft die Rezession besonders hart. Dank der strikten Orientierung auf Sachwerte, besteht UBM aber auch diese Krise. Betongold hatte schon damals Bestand. Besonders hart trifft die Krise die PORR. Damit der Großaktionär wenigstens einen eingeschränkten Betrieb aufrecht erhalten kann, errichtet Union Baumaterialien Gesellschaft ab 1932 gemeinsam mit PORR Wohn- und Geschäftshäuser auf eigene Rechnung.
Die Schäden des Zweiten Weltkrieges halten sich bei Union Baumaterialien in Grenzen. Viele Häuser sind zerstört, Grund und Boden aber gewinnt rasch wieder an Wert. In den 50er Jahren wird die Entwicklungstätigkeit wieder aufgenommen. Eines der ersten großen Projekte ist von 1953 bis 1955 die Errichtung eines Wohnhauses in der Praterstraße 36 im zweiten Wiener Gemeindebezirk.
Ende der 1970er Jahre ist Union Baumaterialen aber nur mehr ein Schatten des früheren Seins. Am 27. Dezember 1984 verliert die noch immer an der Wiener Börse notierte Gesellschaft durch Abschluss eines Organschaftsvertrages mit PORR beinahe jede gesellschaftsrechtliche Eigenständigkeit. Als Ausgleich garantiert der Großaktionär den verbliebenen Aktionären die Zahlung einer Garantiedividende in der Höhe von zehn Prozent. Die Gesellschaft konzentriert sich jetzt nur mehr auf den Verleih von Baugeräten und Maschinen innerhalb des PORR-Konzerns. Das Immobiliengeschäft wird immer mehr zurückgefahren.
Am 1. November 1982 übernimmt Horst Pöchhacker beim Großaktionär PORR den Vorsitz im Vorstand. Am 3. September 1987 geht er in den Aufsichtsrat von UBM. Der studierte Bauingenieur erkennt die Chancen des Entwicklungsgeschäftes: Eigene Projekte sollen die Baufirma vom klassischen Bauherrn unabhängiger machen. Er holt Karl Bier, den heutigen Vorstandsvorsitzenden, ins Unternehmen. Der Jurist wird sich in den folgenden Jahren als treibende Kraft der Expansion und der Internationalisierung erweisen. Die Renaissance des Unternehmens erfolgt 1990 mit einer Kapitalerhöhung, 1991 wechselt die Abteilung Projektentwicklung der PORR geschlossen zur Union Baumaterialien.
Der Eiserne Vorhang fällt. Viele österreichische Unternehmen erkennen das hohe wirtschaftliche Potential von Osteuropa. Ein neuer, großer Wirtschaftszyklus beginnt. Diesmal ist Union Baumaterialien von Anfang an mit dabei.
1991 wird der monetäre Grundstein für die erfolgreiche Weiterentwicklung von UBM gelegt: Das Grundkapital wird von 50 auf 75 Millionen Schilling erhöht. In Verbindung mit der für heutige Verhältnisse geringen Kapitalerhöhung kann ein beachtliches Wachstum initiiert werden. Die Investitionen machen sich im Geschäftsergebnis bemerkbar. Die Einkünfte aus Immobilienverwertung, Projektentwicklung und Bauführung steigen um 76 Prozent auf 72 Millionen Schilling.