Die Regierungsspitze hat am Dienstag im Lichte der derzeitigen leichten Rezession Konjunkturmaßnahmen im nächsten Staatshaushalt für 2024 präsentiert. Gleichzeitig soll die Energiewende vorangetrieben werden. Samt neuer Energiehilfen handelt es sich um ein Paket von bis zu 6 Mrd. Euro. Gasheizungen im Neubau sollen per 1. Jänner 2024 verboten werden. Ein verpflichtender Tausch im Bestand kommt nicht, Förderungen sollen es richten. PV-Anlagen werden steuerfrei.
"Es ist ein guter Tag für die Energiewende, um fossile Energieträger zurückzudrängen und um der Wirtschaft in schwierigen Zeiten Rechnung zu tragen", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fügte hinzu: "Wir wollen zwei Probleme mit einem Maßnahmenbündel lösen: die ökologisch notwendige Energiewende noch rascher vorantreiben und die Delle in der Baukonjunktur zielsicher bekämpfen."
Trotzdem hörte Kogler vor Journalistinnen und Journalisten in Wien "die Krakeeler schon wieder um die Ecke plärren". Die Bundesregierung begegne einer "Problemkaskade - auch im Kommunikationsbereich - konstruktiv", sparte keiner der teilnehmenden Politikerinnen und Politiker bei der Betonung einer "Lösungskompetenz" der türkis-grünen Regierung. "Wir haben trotz mancher Unkenrufe in der Koalition bewiesen, dass wir trotz unvorhersehbarer Entwicklungen auf der Welt unsere Verantwortung wahrnehmen", sagte Nehammer mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine und weitere Terrorattacken wie durch die Hamas auf Israel.
Drei Milliarden Euro des Pakets sind für Sanierungsmaßnahmen zur Erreichung der Klimaziele gedacht. Die andere Hälfte umfasst den Energiekostenzuschuss für die Wirtschaft. Das solle insbesondere helfen, um im internationalen Wettbewerb gegenüber deutschen Firmen zu bestehen, sagte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP).
Auch Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) warnte vor einem Schlechtreden der Maßnahmen. Sie sprach von zwei Grundpfeilern des sogenannten Erneuerbare-Wärme-Pakets (EWP): Die eine sei Klarheit, die andere die Förderung.
Ein verpflichtender Tausch von Gasheizungen in Bestandsgebäuden, wie ursprünglich im Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) vorgesehen, kommt aber nicht. Anreize sollen aber durch eine Erhöhung der Förderungen für den Ausstieg aus Gasheizungen gesetzt werden. Dafür wird eine Milliarde Euro für Kesseltausch und thermische Sanierungen zur Verfügung gestellt. "Wer seine alte Heizung tauscht, bekommt im Durchschnitt drei Viertel ersetzt", erklärte Gewessler.
Konkrete Ziel-Zahlen, wie viele Heizungen durch das Paket getauscht werden sollen, gibt es nicht. Auf Nachfragen zeigte sich die Grüne aber überzeugt, dass die Klimaziele mit dem neuen Vorgehen noch rascher erreichbar seien als mit dem ursprünglichen Plan. Das gelte nicht zuletzt, weil auch die Förderungen für einkommensschwache Haushalte sowie die Mittel für den Klima- und Energiefonds erhöht werden. Auch für Eigentümer im mehrgeschoßigen Wohnbau seien die Förderungen sicher verlockend, um zu investieren.
Der ursprüngliche Plan sei wegen der zwischenzeitlichen neuen Entwicklungen ad acta gelegt worden. Weiterhin ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig: "Wir hoffen, mit diesem Vorschlag rasch einen Beschluss im Nationalrat fassen zu können", sagte Gewessler mit Blick auf die SPÖ, die sie bereits über den neuen Plan informiert habe.
Die Umsatzsteueraussetzung für Photovoltaik-Anlagen ist für 2024 und 2025 vorgesehen. Komplizierte und oft hastige Ansuchen übers Internet sollen damit Geschichte sein. Die Aussetzung der Umsatzsteuer auf Photovoltaikanlagen wird laut Regierung 650 Millionen Euro kosten.
Die Vorhaben sollen Bau und Baunebengewerbe stärken, betonten alle Regierungsmitglieder unisono. So werden auch öffentliche Investitionen des Bundes vorgezogen und Bauprojekte priorisiert. Hier geht es laut Gewessler 2024 um zusätzliche Investitionen von 640 Mio. Euro - auch ÖBB, Asfinag und Bundesimmobiliengesellschaft sollen entsprechende Maßnahmen vorziehen. Der laufende ÖBB-Rahmenplan werde um 2 Mrd. Euro erhöht.
Eine Einigung verkündete die Regierungsspitze einen Tag vor der Budgetrede des Finanzministers auch bei der Umsetzung des Energiekostenzuschusses für Unternehmen. Der Ende des vergangenen Jahres beschlossene Energiekostenzuschuss II soll Firmen helfen, die hohen Energiekosten abzufedern. Bisher hat es sich aber bei der Umsetzung der bis zu 150 Mio. Euro schweren Förderung gespießt. Zuletzt hatten sich die Grünen noch dagegen ausgesprochen. Sie befürchten eine Überförderung der Betriebe, die die Inflation weiter anheizen könnte. Eine solche sei nicht zu befürchten, betonte Kocher. Antragsstart werde am 9. November sein.
Die Reaktionen fielen naturgemäß gemischt aus. Von den Oppositionsparteien kam durchwegs Kritik. Die SPÖ sieht kein Konjunkturpaket, sondern nur ein "Sammelsurium" verschiedener Budgetposten. Bei den Maßnahmen im Energiebereich handle es sich nur um einen "Minimalkompromiss". Für die FPÖ ist das "angebliche Konjunkturbelebungspaket" eine "kommunikative Mogelpackung", mit der nur Steuergelder verschleudert würden. Die NEOS stoßen sich daran, dass Förderungen alleine für die Energiewende nicht ausreichend seien.
Dem ÖGB gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Die WKÖ und IV zeigten sich zufrieden. Die Umweltorganisationen kritisieren, dass es nicht zum Ausstieg aus bestehenden Öl- und Gasheizungen kommt.
In der "ZIB 2" verteidigte Gewessler das Gesetz gegen die Kritik. Während es die Aufgabe von Umweltorganisationen sei, Druck zu machen, sei es ihre Aufgabe als Ministerin, Dinge umzusetzen. Aufgrund der Teuerung habe sich die Stimmung im Land geändert. Eine Verpflichtung zum Heizungstausch könne manche Menschen überfordern und Ablehnung gegen den Klimaschutz produzieren, erläuterte sie. Es handle sich gegenüber dem vorherigen Gesetzesentwurf um einen "neuen Weg zum selben Ziel" - nämlich zur Klimaneutralität 2040. Dass jemand eine alte Gasheizung gegen eine neue tauschen könne, hält Gewessler angesichts der Förderungen und der hohen Preise für fossile Energien für unwahrscheinlich. (apa)