Union Investment hat zusammen mit Bell Management Consultants die Initiative „ESG Circle of Real Estate“ gegründet, um einen Branchenstandard zur Messung der Nachhaltigkeitsperformance von Immobilien und Portfolios zu entwickeln. Über 30 Asset- und Property Manager sind inzwischen beigetreten. Zusammen erarbeiten sie ein Konzept, das sich mit Unterstützung des Fondsverbands BVI und des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) zu einem weltweit anwendbaren Nachhaltigkeitsstandard entwickeln soll. Neben Bestandshaltern wie Union Investment zählen unter anderem die DWS, Deka, Commerz Real oder Alstria zur Initiative.
Die Grundlage des neuen Scoringmodells ist das im Jahr 2019 von Union Investment eingeführte Nachhaltigkeitslabel „atmosphere“, das bereits die Definition der nachhaltigen Finanzanlage (Taxonomie) des Action Plan on Sustainable Finance der Europäischen Union und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens berücksichtigt. Anhand einer Punkteskala von null bis 100 können Mieter und Anleger erkennen, zu wieviel Prozent eine Immobilie oder ein Portfolio die Klima-Ziele und die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental-, Social- und Governance-Kriterien) erfüllt. Zunächst wird die Nachhaltigkeitsperformance der Objekte dabei am wichtigen Zwischenziel des Jahres 2030 gemessen. Ende dieses Jahres erfolgt bereits der erste Probelauf im Rahmen der Teilnehmer des „ESG Circle of Real Estate“, so dass Anleger im Idealfall ab 2021 anbieterübergreifend und weltweit Portfolios hinsichtlich ihres Nachhaltigkeitsgrades vergleichen können.
Die detaillierten Daten bleiben dabei unter Verschluss und sollen von einem externen Dienstleister zusammengeführt werden, um Interessenskonflikte zu vermeiden.
„Wir suchen derzeit noch einen passenden Anbieter. Er muss unabhängig von den Eigentümern sein und darf die Daten nicht zum Ausbau des eigenen Geschäftsmodells nutzen, was beispielsweise bei einem Proptech sicherlich der Fall wäre“, sagt Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability bei der Union Investment Real Estate GmbH.
„Das neue Scoringmodell steht nicht in Konkurrenz zu den Green-Building-Zertifikaten, denn diese haben durchaus ihre Berechtigung, beispielsweise in der Planungs- und Bauphase“, so von Mallinckrodt und weiter: „Die herkömmlichen Nachhaltigkeitszertifikate unterscheiden sich jedoch stark und sind nicht miteinander vergleichbar, was für die Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Portfolios problematisch ist. Zudem bilden Sie den Klimapfad der Objekte nicht ab."
Im jüngst beschlossenen Action Plan on Sustainable Finance der Europäischen Union liege die Erreichung der Klimaziele in 2050 aber dem Begriff der nachhaltigen Finanzanlage, der sogenannten Taxonomie, zugrunde. Klimaneutralität spiele künftig also eine immer bedeutendere Rolle bei der Definition nachhaltiger Investments.
„Bei unserem im vergangenen Jahr gestarteten „atmosphere“-Label war es für uns von Anfang an klar, dass nur eine einheitliche Vorgehensweise innerhalb der Branche zu einer Vergleichbarkeit für den Endanleger beziehungsweise den Mieter führt. Da die Taxonomie zwar Kriterien für Immobilien und damit Portfolien festlegt, aber keine konkreten Zielwerte vorgibt, schließt die Initiative hier eine Lücke“, so von Mallinckrodt.
„Das Scoringmodell liefert einen konkreten Fahrplan, mit welchen Maßnahmen die Klimaschutz- und ESG-Ziele erreicht werden können. Das ist insbesondere für die operativen Einheiten wie Asset und Property Management sehr nützlich. Zumal jeder mitmachen und das Scoringmodell anwenden kann. Es fallen keine Zertifizierungsgebühren an“, sagt Robert Kitel, Head of Sustainability & Future Research der alstria office REIT-AG.
Wie bereits bei dem von Union Investment entwickelten Nachhaltigkeitslabel „atmosphere“ werden die Immobilien in drei Bereichen analysiert: Zu 40 Prozent fließt der Faktor „Verbräuche und Emissionen“ in die Berechnung der neuen Kennzahl ein. Es werden unter anderem die CO2-Emissionen, der Energie- und Wasserverbrauch sowie das Abfallaufkommen gemessen und mit den Zieldaten für das Jahr 2030 verglichen.
Ebenfalls mit 40 Prozent werden qualitative Gebäudedaten gewichtet und damit Entwicklungspotenziale von Immobilien berücksichtigt. Die Immobilien werden hierbei anhand der sieben Kriterien Gebäudeautomation (Sensoren und Messstellen), Ressourcen (Grauwasser, Art der Abfalltrennung), Technik und Hülle (Fassade, Art der Wärme-/Kälteerzeugung), Ökonomie (Gebäudeflexibilität), Nutzerkomfort (Barrierefreiheit, Komfort für Fahrradfahrer), Betrieb (Instandhaltungsmanagement) und Standort (Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel) bewertet.
Die restlichen 20 Prozent entfallen auf den Bereich „Governance“ auf Fonds- und Unternehmensebene. Analysiert wird hier unter anderem, ob Mieterausschlusskriterien angewendet oder grüne Mietverträge abgeschlossen werden, wie Nachhaltigkeit im Investmentprozess umgesetzt wird und ob eine Qualitätssicherung der Daten erfolgt. Auch Green-Building-Zertifikate etwa von der DGNB, LEED oder BREEAM finden hier Berücksichtigung. Die Analyse erfolgt jeweils auf Jahresbasis und die Nachhaltigkeitsperformance des jeweiligen Portfolios ergibt sich aus dem Durchschnitt der Objektbewertungen.