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Etablierte Geschäfts­modelle funktionieren nicht mehr

Umdenken. Immer mehr Aktionäre von Ölunternehmen – und zwar durchaus auch institutionelle Investoren – machen sich Gedanken darüber, was das Festhalten an fossilen Energieträgern für Folgen für die künftige Geschäftsentwicklung haben könnte.
Patrick Baldia

Umdenken. Immer mehr Aktionäre von Ölunternehmen – und zwar durchaus auch institutionelle Investoren – machen sich Gedanken darüber, was das Festhalten an fossilen Energieträgern für Folgen für die künftige Geschäftsentwicklung haben könnte.

Auch wenn sich die berechtigte Frage stellt, ob der Hintergrund wirklich die Sorge um den Planeten Erde ist oder vielmehr die Angst vor schwindenden Einnahmen, so zeigt sich doch seit geraumer Zeit eine nicht von der Hand zu weisende Entwicklung: Immer mehr Aktionäre von Ölunternehmen – und zwar durchaus auch institutionelle Investoren – machen sich Gedanken darüber, was das Festhalten an fossilen Energieträgern für Folgen für die künftige Geschäftsentwicklung haben könnte. Denn eines lässt sich nicht leugnen: erneuerbare Energien sind stark im Aufwind.

Wer in den vergangenen Jahren die Hauptversammlungen der OMV besuchte, dem muss aufgefallen sein, dass im Rahmen der Generaldebtatte nicht nur die Vertreter von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace kritische Fragen über den Fokus des Unternehmens auf fossile Energieträger stellten. Kein anderes Bild auf internationaler Ebene: Die Aktionäre großer Ölkonzerne äußern zunehmend ihren Unmut über die Risiken, die mit der einseitigen Ausrichtung der Geschäftsmodelle verbunden sind – mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, dass sich darunter auch stimmkräftige institutionelle Anleger befinden.

Problem niedriger Ölpreis

„Man kann sagen, dass die Ölnachfrage zumindest in Europa auf längere Sicht eher nicht wachsen wird“, sagt Vladimir Preveden, Managing Partner bei Roland Berger. Er verweist auf die Tatsache, dass etwa immer mehr Menschen auf E-Mobility setzen. Ein weiteres Problem der Branchenplayer ist für den Experten der niedrige Ölpreis. „Die etablierten Geschäftsmodelle, die auf einen Ölpreis von 70 bis 90 US-Dollar pro Barrel ausgerichtet sind, funktionieren nicht mehr“, sagt er. Vielmehr müssten sich die Ölunternehmen mittelfristig auf 30 bis 40 US-Dollar pr0 Barrel einstellen. Die Folge: Die Notwendigkeit der Capex- und Betriebskostenreduktion ziehe sich quer durch die ganze Branche.

„Aber auch auf internationaler Ebene steht die Ölindustrie – im Gegensatz zu den Stromerzeugern – erst am Anfang eines Umdenkprozesses“, so Preveden weiter. Stichwort: Stromerzeuger. Auch sie sind mit einem Umwälzungsprozess konfrontiert, der auf den scheinbar nicht aufzuhaltenden Siegeszug erneuerbarer Energien zurückzuführen ist. „Das Hauptproblem der Stromerzeuger ist heute, dass die Kunden zunehmend zu Produzenten werden – sprich die Consumer werden zu Prosumern“, so Preveden. Nachsatz: „Die Geschäftsgrundlage ist massiv gefährdet, wenn die eigenen Kunden zu Produzenten werden.“

Tatsache ist jedenfalls, dass etwa Photovoltaik-Anlagen und immer bessere Speichermöglichkeiten den Wettbewerb in der Stromindustrie stark beeinflussen. „In fünf Jahren wird es normal sein, dass jeder, der privat und gewerblich baut, ein kleines Kraftwerk errichtet, das zu viel produzierten Strom ans Netz abgibt“, so Preveden. Aufgrund der Gesetzgebung müssten die Stromerzeuger zu definierten Tarifen aufnehmen, was tausende kleine Kraftwerke produzieren. Auch mit den Netzen würden die Versorger – wegen der Regulierung – kaum mehr verdienen. Zudem würden die Netzbetreiber zunehmend darunter leiden, dass in Zukunft immer mehr auf regionaler bzw. lokaler Ebene eingespeist werde.

„Green Play“

Laut Preveden sollten die heimischen Versorger von der Klimawandel-Diskussion und dem Umstieg auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen eigentlich profitieren – vor allem der Verbund, der einer der größten Erzeuger von Strom aus Wasserkraft sei. Die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 90 Prozent der Stromerzeugung des Verbunds werden aus Wasserkraft gewonnen – kein Wunder, dass auch Analysten die Aktie des Unternehmens als „Green Play“ bezeichnen.

Allerdings machen die anhaltend niedrigen Strompreise sowie die herausfordernden Rahmenbedingungen am europäischen Strommarkt den Branchenplayern zu schaffen. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Ölbereich: Während die niedrigen Energiepreise gut für die Konsumenten sind, müssen die großen Energiekonzerne wie etwa E.ON oder RWE umfangreiche Kostensenkungsprogramme und Transformationsprojekte umsetzen. „Einige Player haben dies bereits abgeschlossen“, so Preveden.

Es geht hier um den Kundenzugang

„Die Versorger treten zum Teil sehr innovativ auf“, hält Preveden weiter fest. So habe etwa der Verbund mit Verbund Solutions eine eigene Tochtergesellschaft gegründet, die innovative zukunftsweisende Lösungen ent- wickelt. Dabei werde unter anderem auf mehrere Stoßrichtungen abgezielt. Im Bereich Smart Home bzw. Eco Home sei es etwa das Ziel, Schnittstellen zu den Kunden zu schaffen und über Apps sowie Location-Based-Services das Energiemanagement der Haushalte zu steuern. „Der Verbund ist in diesem Bereich bereits sehr weit“, sagt Preveden. Allerdings stelle sich die Frage, ob sich das Unternehmen auf längere Sicht gegen neue Marktplayer wie Google oder Startups durchsetzen wird können. „Es geht hier um den Kundenzugang – wer diesen hat, kann damit machen, was er will“, so Preveden.

Nach Einschätzung des Roland Berger-Experten ist der Verbund auch im Feld Electro Mobility sehr weit und biete etwa Ökostrom für Autos, Busse, Mopeds und Fahrräder an. Was die Ladeinfrastruktur betrifft, glaubt Preveden, dass sich voraussichtlich induktives Laden durchsetzen wird. Darunter versteht man bekanntlich das drahtlose Übertragen von Energie durch die Luft bzw. durch elektromagnetische Induktion.