Der Prozess gegen den ehemaligen Grün-Politiker Christoph Chorherr sowie weitere neun Angeklagte ist heute, Montag, am Wiener Landesgericht fortgesetzt worden. Nach den letzten Eröffnungsplädoyers begann die Befragung des früheren Rathaus-Mandatars. Er hat sich zum Auftakt seiner Befragung wie angekündigt "nicht schuldig" bekannt. Der Verbleib in dem von ihm initiierten gemeinnützigen Verein S2Arch sieht er aber als Fehler, wie er betonte.
Chorherr wird zur Last gelegt, von namhaften Immobilienunternehmen Zahlungen für den Verein gefordert bzw. angenommen zu haben. Dieser unterstützt Hilfsprojekte in Afrika. Die Spender sollen sich im Gegenzug Vorteile bei Widmungsverfahren versprochen haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit, den Unternehmern Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen vor.
Beim Prozessauftakt am vergangenen Dienstag waren die ersten Eröffnungsplädoyers auf dem Programm gestanden. Dabei hatten die Verteidiger der Beteiligten die Vorwürfe allesamt zurückgewiesen.
Die Plädoyers wurden heute zunächst mit den Vorträgen von Vertretern verschiedener Unternehmen fortgesetzt, die laut WKStA in der Causa involviert sind. Denn die Staatsanwaltschaft hat auch gegen insgesamt 21 Verbände, also etwa Projektgesellschaften, die Verhängung einer Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beantragt.
Chorherr schilderte in seinem Vortrag dann zunächst den Beginn seines Engagements in Südafrika. Er habe Mitte der 1990er-Jahre beschlossen, angesichts des Endes des Apartheid-Regimes vor Ort tätig zu werden. Der Wunsch sei gewesen, dort für Bildung zu sorgen. Er sei zum damaligen Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) "gestürmt": "In der Hoffnung, er ist so ein Sponti wie ich." Dies scheint der Fall gewesen zu sein: Laut Chorherr hat ihn Zilk gebeten, runterzufahren und zu schauen, was man tun könne.
Mit Mitteln der Stadt sei ein College - das Masibambane College in Johannesburg - errichtet worden, das bis heute bestehe. Er sei vom Bürgermeister auch gebeten worden, regelmäßig das Projekt zu besuchen und den Mitteleinsatz zu überprüfen. Chorherr zeigte dem Schöffensenat Bilder der Schule in Johannesburg. Die Initiative sei mit europäischen Partnern wie etwa Universitäten umgesetzt worden, erläuterte er.
Der Ex-Politiker verwies auch auf ein späteres, neues Vorhaben, das der nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzende Unternehmer Wilhelm Hemetsberger finanziell unterstützt habe. Die größten Spenden würden bis heute von ihm kommen. "Und er hat nichts mit Immobilien zu tun", hob Chorherr hervor. Hemetsberger habe sogar sein Unternehmen nach dem Projekt, nämlich Ithuba, benannt.
Mit dem damals zum selben Zeitpunkt stattfindenden Regierungseintritt der Grünen habe das alles nichts zu tun, beteuerte Chorherr. Die Spenden seien angestiegen, weil sich Hemetsberger engagiert habe. "Jetzt gibt es diese beiden Schulen", hob Chorherr hervor. Er sei stolz darauf, es sei etwas Tolles realisiert worden. Geheim sei daran jedenfalls nichts gewesen.
2010 sei Maria Vassilakou grüne Planungsstadträtin geworden. Er selbst war Gemeinderat und Planungssprecher. "Ich habe überhaupt nicht formal Einfluss nehmen können", schwor Chorherr. Alle Mitarbeiter der Planungsabteilung MA 21 seien "akribisch" befragt worden. Diese hätten versichert, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei. Niemand habe angegeben, dass er irgendwann etwa bei Widmungen interveniert habe.
In "Lichtgeschwindigkeit" hätte es das ganze Rathaus gewusst, wenn er dies getan hätte. "Ich habe mich nicht einmal nicht sachgemäß verhalten." Jedoch: Er habe trotzdem nicht alles richtig gemacht, befand er. Er hätte den Vereinsobmann zurücklegen müssen. Dies nicht zu tun, sei ein Fehler gewesen. Er habe unterschätzt, aus Naivität und aus Begeisterung für das Projekt, dass das eine "schiefe Optik" ergebe. Es gehe nicht nur darum, ob man korrekt handle, es gehe auch um den Anschein. Chorherr zog sich erst 2018 zurück.
"Das tut mir jetzt wirklich leid", beteuerte Chorherr. Er habe jedenfalls niemals Vassilakou als Organ ersetzen können. Er habe mit Bauträgern über Stadtplanung gesprochen - etwa beim umstrittenen Heumarkt-Projekt. Dabei sei es aber immer um die Sache, also das Bauvorhaben und den öffentlichen Raum, gegangen. Er habe auch Beschlüsse initiiert, die diametral gegen die Interessen der Firmen gewesen seien, gab Chorherr zu bedenken. Er erwähnte hier die Verpflichtung zur Errichtung einer gewissen Anzahl von leistbaren Wohnungen bei größeren Projekten.
Alle betreffenden, in der Anklage angeführten Widmungen wären ohne Spenden jedenfalls genau so erfolgt, hielt er fest. Sein politisches Handeln sei nicht beeinflusst gewesen. Es habe aber auch kein Spender dies verlangt. Begünstigt habe er nur jene 500 Kinder, die heute noch diese Schulen besuchen, versicherte Chorherr.
Auf Ersuchen von Richter Michael Tolstiuk legte Chorherr ausführlich dar, wie Widmungsverfahren im Rathaus ablaufen. Sie würden vom zuständigen Stadtrat bzw. der Stadträtin dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorgelegt. Meist würden die Verfahren federführend von den Beamten abgewickelt. Umstrittene Projekte werden laut dem Angeklagten aber auch auf höchster Ebene verhandelt. In besonderen Fällen hätten zu seiner Zeit die Planungsstadträtin Vassilakou und SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl eine Entscheidung getroffen.
Ob Vassilakou auch mit Chorherr als Planungssprecher in der Grünen Fraktion Rücksprache gehalten habe, wollte der Richter wissen. "In heiklen Fällen ja", antwortete Chorherr. Viel abstimmen habe man aber selten müssen, da grüne Stadtplanung "durschaubar" sei, wie er ausführte. Man forciere alternative Energieformen, setze sich für Radverkehr und für sozialen Wohnbau ein.
Als "Sonderfall" bezeichnete er die Geschehnisse rund um Tojners Heumarkt-Projekt. Damals stimmte 2017 nicht die gesamte grüne Fraktion für die Widmung. Vassilakou habe sich trotzdem entschieden, das Projekt in den Gemeinderat zu bringen. "Ich meine richtig", sagte Chorherr. Denn es sei der Vorlage ein ordnungsgemäßes Widmungsverfahren vorausgegangen, gab er zu bedenken. Außerdem hätte das Ende der rot-grünen Koalition gedroht, wenn die Grünen sich generell entschieden hätten, das Vorhaben nicht mitzutragen.
Zugleich beteuerte Chorherr, dass er zumindest von der ersten Spende Tojners - getätigt im Zuge einer Benefiz-Versteigerung - nichts gewusst habe. Über das Projekt habe er mit Tojner gesprochen, wie er eben auch mit anderen Bauwerbern über Vorhaben gesprochen habe, um sich zu informieren.
Hätte er das Projekt aufgrund von finanziellen Zuwendungen vorangetrieben, hätte er die gesamt Stadtregierung manipulieren müssen, gab er zu bedenken: "Wegen 5.000 Euro? Hallo?" Auch der Umstand, dass bei einem Geburtstagsfest für den mitangeklagten Unternehmer Erwin Soravia für den Verein gespendet werden konnte, sei nicht mit ihm, Chorherr, abgesprochen gewesen, schwor der Ex-Mandatar, der sich inzwischen aus der Politik zurückgezogen hat und als Bäcker arbeitet.
Keinen Kontakt hatte Chorherr laut eigenen Angaben zur damaligen Zeit mit Rene Benko. Dieser bzw. die Signa habe 100.000 Euro gespendet, wobei hier der Kontakt über Hemetsberger gelaufen sei. Chorherr hat sich, wie er betonte, nicht einmal für die Zuwendung bedankt. "Heute bin ich froh, dass nichts geschrieben habe." Der Prozess wird am Freitag mit der weitere Befragung Chorherrs fortgesetzt. (apa)