Der Großteil des veröffentlichten Transaktionsvolumens verteilt sich auf vier Megadeals mit jeweils mehr als einer Milliarde Euro: Die Aufstockung der Beteiligung der OMV an Borealis um rund 4,1 Milliarden Euro, die Aufstockung der ams AG bei Osram Licht mittels Beherrschungs- sowie Ergebnisabführungsvertrag um rund 1,2 Milliarden Euro, die Übernahme von CK Hutchison Networks Austria GmbH durch Cellnex Telecom mit 1,1 Milliarden Euro und der Kauf der AXA-Töchter in Polen, Tschechien und Slowakei durch die UNIQA um rund eine Milliarde Euro.
Das sind die Ergebnisse des elften österreichischen M&A-Index der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Für die Analyse untersucht EY halbjährlich alle veröffentlichten Transaktionen mit österreichischer Mehrheits- und Minderheitsbeteiligung.
Die Corona-Pandemie verändert alle Lebensbereiche und zwingt viele Unternehmen dazu, ihre Business-Pläne zu überarbeiten. Unmittelbar zu Beginn des ersten Lockdowns im März des Jahres 2020 wurde eine Vielzahl an Transaktionen gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt standen die Stabilisierung des eigenen Geschäfts sowie die Sicherung der Liquidität im Vordergrund. Im zweiten Halbjahr haben die Unternehmen dann ihre strategischen Wachstums- bzw. Portfoliooptimierungspläne wieder aufgegriffen. So konnten vor Jahresende doch noch einige Transaktionen abgeschlossen werden. Wider Erwarten wurde wieder Geld in die Hand genommen. Somit war das Jahr 2020 trotz Pandemie ein gutes Transaktionsjahr“, so Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung (Strategy and Transactions) bei EY Österreich.
Am meisten Geld floss erstmals seit Auflage des EY M&A-Index vor fünf Jahren bei inner-österreichischen Deals, im Zuge derer rund 4,5 Milliarden Euro investiert wurden. Diese teilen sich im Wesentlichen auf zwei Deals auf – rund 4,1 Milliarden Euro für die Aufstockung der Anteile der OMV bei Borealis sowie rund 400 Millionen Euro für den Kauf eines Immofinanz-Aktienpakets durch die CARPINUS Holding. Ausländische Direktinvestitionen in Österreich betrafen 2020 vor allem den Technologie-, Medien- und Telekom-Sektor. Das Volumen wurde hier insbesondere durch den Kauf von CK Hutchison Networks Austria durch Cellnex Telecom angekurbelt.
Die überwiegende Mehrheit der Transaktionen 2020 entfiel mit 260 Deals auf strategische Transaktionen – das entspricht einem Minus von 48 Transaktionen im Vergleich zum Vorjahr. Transaktionen durch Finanzinvestoren (Private Equity, „PE“, bzw. Venture Capital, „VC“) sanken von 20 auf 15 Deals und spielen damit unverändert eine untergeordnete Rolle am österreichischen Transaktionsmarkt.
Der Appetit österreichischer Investoren auf Investments im Ausland ging von 130 Transaktionen auf 106 zurück.
Die geopolitischen Unsicherheiten der letzten Jahre haben die Unternehmen teilweise schon darauf vorbereitet, dass Unsicherheit die neue Normalität ist. So war auch das Jahr 2020 von Unsicherheit geprägt, doch die Unternehmen wollen ein breiteres Portfolio, um sich für die Post-Corona Welt zu rüsten oder um besser für eine nächste mögliche Krise gewappnet zu sein. Das Umfeld für M&A-Deals wird komplexer und vielschichtiger. Für Käufer wird es aufgrund des volatilen Umfelds in Zukunft deutlich schwerer werden, Übernahmekandidaten richtig zu bewerten. Gleichzeitig werden sich Verkäufer schwerer tun, eine hohe Bewertung zu argumentieren“, so Robert Hufnagel, Partner und Leiter M&A Advisory bei EY Österreich.
Bei der Anzahl der Transaktionen lag der Industriesektor im Jahr 2020 mit 85 Deals vorne, gefolgt von Unternehmen aus der Technologiebranche mit 61 Deals sowie dem Immobiliensektor mit 53 Transaktionen. Bei den veröffentlichen Transaktionsvolumina liegt der Öl- und Gassektor mit 4,1 Milliarden Euro – vor allem zurückzuführen auf die Aufstockung der Anteile der OMV an Borealis – eindeutig auf Platz eins, gefolgt vom Finanzsektor, dem Technologiesektor und dem Industriesektor mit einem Volumen von jeweils mehr als 1,5 Milliarden Euro.
Industrieunternehmen sind mitten in der Transformation und müssen sich neu aufstellen, um digitale Fertigungstechnologien zu implementieren oder ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln – nach der Coronakrise mehr denn je. Außerdem stehen Technologieunternehmen anhaltend ganz oben auf der Einkaufsliste. Der Erwerb neuer Technologien und der Ausbau digitaler Produktionsmöglichkeiten treiben die digitale Transformation bei Unternehmen voran“, so Berchtold.
Wie man auch in vergangenen Krisen beobachten konnte, sind die Auswirkungen auf Unternehmen und Wirtschaftsbereiche sehr unterschiedlich. Während einige Branchen von der abrupt geänderten Situation profitierten und ein Teil der Wirtschaft unberührt weiterarbeitete, wurden andere Branchen, beispielsweise die Sparte Tourismus und Gastronomie, stark negativ getroffen.
Das Auslaufen von öffentlichen Stützungsprogrammen und Stundungen wird diese bestehende Schieflage offenlegen. Darüber hinaus werden einige Unternehmen Desinvestitionen planen, um Liquidität zu schaffen. Bereits Ende 2020 war ein zunehmendes Interesse von Käufern für ‚Distressed‘-Situationen klar bemerkbar, erklärt Bettina Rosar, Partnerin und Leiterin Turnaround Restructuring & Strategy bei EY Österreich.