Zu den vielen Faktoren, die den mittelständischen Betrieben auch in den vergangenen Jahren Kopfschmerzen bereitet haben, reihte sich 2020 mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Österreich ein weiterer ein. Die Folge: Die Einschätzung des eigenen Geschäftsklimas verschlechterte sich deutlich. Der Anteil jener Unternehmen, die ihre aktuelle Geschäftslage als uneingeschränkt positiv bewerten, ist gegenüber dem Vorjahr von 59 auf 37 Prozent gesunken – die Zahl derer, die sie als negativ einstufen, ist hingegen von acht auf 28 Prozent gestiegen. Dennoch schätzen immer noch sieben von zehn (72 %) KMU die Geschäftslage derzeit als eher gut oder gut ein, im Vergleich: zu Jahresbeginn 2020 waren es 92 Prozent.
Dass der Optimismus in Bezug auf die eigene Geschäftslage stark eingetrübt ist, wundert Erich Lehner, Managing Partner Markets und Verantwortlicher für den Mittelstand bei EY Österreich, nicht: Für die kommenden Monate zeigen sich die heimischen Mittelständler so pessimistisch wie zuletzt 2008 am Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise – ein Viertel der Befragten rechnet sogar mit einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Doch gerade jetzt ist es wichtig, alle Kräfte zu sammeln und einen mutigen Blick nach vorne zu wagen. Getragen von Digitalisierung und Transformation ergeben sich für den Mittelstand auch Chancen, die es zu ergreifen gilt.
Zum ersten Mal seit der Weltwirtschaftskrise vor fast 13 Jahren rechnen mehr Unternehmen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage als mit einer Verbesserung – jeder vierte Manager (24 %) ist skeptisch, nur jeder fünfte (22 %) positiv gestimmt. Der Anteil derer, die eine Verschlechterung erwarten, ist dabei gegenüber dem Jahresbeginn 2020 von neun auf 24 Prozent angestiegen – noch höher war dieser Wert nur im November 2008 (36 %).
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 800 mittelständische, nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern in Österreich befragt wurden.
Im Immobilien- und Bausektor sind immerhin noch fast zwei Drittel der KMU (61 %) zufrieden mit der Geschäftslage, gefolgt vom Sektor Energie- und Wasserversorgung (57 %). Diese beiden Branchen sind die einzigen, in denen mehr Befragte das Geschäftsklima positiv als negativ einschätzen. Das Schlusslicht bildet erwartungsgemäß der Tourismus; hier beurteilen nur 14 Prozent ihre Geschäftslage aktuell als gut. Im Vorjahr waren es noch 62 Prozent.
Der Entwicklung in den kommenden sechs Monaten sehen insbesondere Transport und Verkehr, die Industrie sowie der Handels- und Konsumgüterbereich positiv entgegen – in allen drei Branchen gehen immerhin drei von zehn Betrieben (31 % in Transport und Industrie bzw. 30 % im Handel) von einer Verbesserung der Geschäftslage aus. In allen anderen Sparten lassen sich nur 16 bis 23 Prozent zu Optimismus in Bezug auf die eigene kurzfristige Geschäftsentwicklung hinreißen.
Neben der eigenen Geschäftslage trübt sich auch die Einschätzung der Binnenkonjunktur deutlich ein: Fast zwei Drittel der Mittelständler (63 %) gehen derzeit davon aus, dass sich die Wirtschaftslage hierzulande im ersten Halbjahr 2021 (weiter) verschlechtern wird, nur jedes fünfte Unternehmen (20 %) erwartet eine Verbesserung der Inlandskonjunktur in diesem Zeitraum. Die Konjunkturaussichten sind somit so schlecht wie zuletzt 2009, als sogar 79 Prozent mit einer Verschlechterung rechneten. Der Anteil der Konjunkturpessimisten ist damit das dritte Jahr in Folge stark angewachsen und hat sich gegenüber dem Vorjahr sogar mehr als verdoppelt (63 % in 2021, 25 % in 2020, 8 % in 2019) – mit einer positiven Entwicklung der Wirtschaftslage rechnete der heimische Mittelstand zuletzt zu Jahresbeginn 2019.
Die Investitionsbereitschaft bleibt allem Pessimismus zum Trotz relativ stabil. Immerhin jedes dritte Unternehmen in Österreich (33 %) möchte in den kommenden Monaten verstärkt investieren, bei der Hälfte (53 %) werden die Investitionen voraussichtlich gleichbleiben. Nur rund jeder siebte Betrieb (14 %) hat vor, die eigenen Investitionen zurückzuschrauben. Summa summarum ist die Zahl der Mittelständler, die ihre Investitionstätigkeit ausbauen will, gegenüber dem Jahresbeginn 2020 leicht gestiegen – bleibt aber dennoch unter dem Niveau der Vorjahre.
Auch wenn die generelle Stimmung tendenziell negativ ist, sowohl was die Entwicklung der Geschäftslage, des Umsatzes als auch der wirtschaftlichen Lage betrifft, sind die mittelständischen Unternehmen bereit, Geld in die Hand zu nehmen und zu investieren. Die Investitionsprämie hat hier sicher auch einen positiv verstärkenden Effekt. Viele haben erkannt, dass es Zeit wird, alte Strukturen aufzubrechen und Innovationen anzutreiben – nicht nur, um mit dem Mitbewerb mitzuhalten, sondern um selbst über Wasser zu bleiben. Ein Blick über den eigenen Tellerrand zahlt sich aus und kann gerade jetzt der entscheidende Schritt für den Mittelstand sein, analysiert Lehner.
Die größte Angst, die nicht nur die Planungsfähigkeit von Unternehmen einschränkt, sondern auch den Optimismus stark bedrückt, ist der neuerliche Ausbruch einer Pandemie – drei Viertel (76 %) sehen darin die stärkste Gefahr für die Entwicklung ihres Unternehmens.
Zum ersten Mal seit Jahren wird somit der Fachkräftemangel vom ersten Platz verdrängt – 2020 gaben zwei Drittel (69 %) an, dass das fehlende Angebot an qualifizierten Bewerbern das größte Risiko für die Entwicklung des eigenen Unternehmens darstellt, heuer waren es nur mehr weniger als sechs von zehn (57 %). Die Sorge über einen wirtschaftlichen Abschwung hat sich hingegen stark erhöht: Während im Vorjahr 43 Prozent der KMU eine mögliche Rezession als potenzielles Risiko betrachteten, so sind es dieses Jahr bereits fast drei Viertel (71 %).
Erich Lehner dazu: Bereits die letzten Jahre haben gezeigt, dass die mittelständische Unternehmenslandschaft an vielen Ecken und Enden kämpfen musste – Stichwort Digitalisierung. Die Corona-Pandemie war wirtschaftlich ein harter Schlag, viele Betriebe mussten von heute auf morgen umstrukturieren, Pläne über Bord werfen und schnell handeln – das hat auch eine starke Verschiebung der Risiken nach sich gezogen. Dennoch ist es wichtig, an die Post-Corona-Zeit zu denken und auch jetzt wichtige Faktoren wie den Klimawandel, Schutz der IT-Infrastruktur und den zunehmenden Wettbewerb nicht außer Acht zu lassen.
Die Arbeitsplatzdynamik, der Saldo aus „Sinken“ und Steigen“, bleibt zwar positiv, wird im ersten Halbjahr 2021 jedoch voraussichtlich spürbar sinken. Vor einem Jahr lag die Anzahl der Unternehmen, die neue Stellen schaffen wollten, noch um 21 Prozent über dem Anteil derer, die Stellen abbauen wollten – dieser Wert hat sich inzwischen auf neun Prozent mehr als halbiert und ist somit am niedrigsten seit 2013. Konkret bedeutet das, dass nur noch jeder fünfte Betrieb (20 %) in den kommenden Monaten zusätzliche Mitarbeiter einstellen möchte. Zeitgleich plant jeder neunte Betrieb (11 %) Stellenstreichungen – so viele wie in den vergangenen drei Jahren nicht.
Der Fachkräftemangel stellt auch heuer eine der größten Bedrohungen für mittelständische Unternehmen dar – gepaart mit finanziellen Unsicherheiten und pessimistischen Zukunftsprognosen rüttelt er stark am Arbeitsmarkt. Sechs von zehn Betriebe (57 %) geben immer noch an, den Fachkräftemangel als schwerwiegendes Risiko zu sehen. Während manche Branchen aktuell schwer mit der Finanzierbarkeit ihrer Mitarbeiter zu kämpfen haben, suchen andere händeringend nach qualifiziertem Personal – und dieses ist wichtig, um die Krise erfolgreich zu meistern und schlussendlich auch Wachstum zu forcieren, erklärt Lehner.
Gut drei von vier Mittelständlern (76 %) haben nach eigener Aussage Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden, jedes vierte Unternehmen (23 %) sogar erhebliche. Nur drei Prozent finden problemlos ausreichend qualifiziertes Personal – damit hat sich die Situation gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr (1 %) zwar leicht entspannt, bleibt aber herausfordernd.
Die aktuelle Geschäftslage wird in Oberösterreich von acht von zehn Mittelständlern (83 %) als gut bzw. eher gut eingeschätzt, gefolgt von Salzburg (79 %) und Niederösterreich (76 %). Das Schlusslicht bildet Kärnten – hier bewerten nur 65 Prozent die Geschäftslage positiv.
Was die Geschäftsprognose betrifft, so ist der Blick in die Zukunft durchgehend recht verhalten. Nur 15 Prozent der Kärntner rechnen mit einer Verbesserung der Geschäftsprognose (ebenso wie Niederösterreich). Pessimistisch sind auch die Burgenländer mit einem Fünftel (20 %) an Betrieben, die an eine stärkere Geschäftslage glauben. Sehr positiv in die Zukunft blicken hingegen die Betriebe aus Oberösterreich sowie Tirol – jeder dritte Mittelständler (30 %) erhofft sich dort eine verbesserte Geschäftslage in den kommenden Monaten.
Wenngleich die Mittelständler der steirischen Mark mit wenig optimistischen Gedankengut auf das angebrochene Jahr blicken, sind sie bereit zu investieren – und liegen ex aequo mit Oberösterreich und Tirol auf dem ersten Platz (je 39 %). Die wenigsten Investitionen planen Wien (27 %), das Burgenland (26 %) sowie Kärnten (25 %).
Auch die Beschäftigungsprognose zeichnet ein homogenes Bild: Die Anstellungen werden 2021 zu einem Großteil gleichbleiben – von 63 Prozent in Salzburg bis 78 Prozent in Tirol teilt die Mehrheit diese Meinung. Der stärkste Anstieg des Mitarbeiterstandes ist in Salzburg zu erwarten (32 %), der geringste in Kärnten (12 %).
Die heimische Unternehmerszene zeichnet sich – trotz der Corona-Krise – durch starke Wachstums- und Investitionsbestrebungen aus. Gerade Mittelständler haben die letzten Monate durch Flexibilität und Umdenken gut gemeistert und ich bin optimistisch, dass die österreichischen Mittelständler ihre Betriebe auch weiterhin gut lenken und steuern werden, so Lehner abschließend.