Trotz rückläufiger Inflation wird in der Europäischen Zentralbank (EZB) der Ruf nach einem vorsichtigen Vorgehen mit Blick auf weitere Zinssenkungen immer lauter. Nach EZB-Chefin Christine Lagarde und Deutsche-Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte auch der belgische Währungshüter Pierre Wunsch, nichts zu überstürzen. Es bestehe keine Dringlichkeit, die Lockerung der Geldpolitik weiter zu beschleunigen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Der belgische Notenbankchef verwies darauf, dass die Beschäftigung hoch sei und die Löhne inflationsbereinigt stiegen. Auch sei "eine sanfte Landung" der Wirtschaft wahrscheinlich. Dazu passt, dass die EZB derzeit nicht davon ausgeht, dass die Konjunkturflaute in eine Rezession mündet.
Entwicklung der Wirtschaft nicht so gut wie erwartet
Die Wirtschaft in der Eurozone entwickelt sich aus Sicht der EZB jedoch nicht so gut wie erwartet. Zuletzt mehrten sich Signale einer einsetzenden Talfahrt im Euroraum. Die Teuerungswelle im Euroraum gilt allerdings als weitgehend überstanden. Die Inflationsrate lag im September mit 1,7 Prozent bereits unter dem 2-Prozent-Ziel der EZB. Für Oktober erwarten Experten einen leichten Anstieg auf 1,9 Prozent.
Die EZB hatte angesichts des abgeflauten Preisdrucks jüngst heuer zum dritten Mal ihren Leitzins gesenkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz wurde um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent nach unten gesetzt, nur fünf Wochen nach der vorherigen Senkung. Der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, wurde ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,40 Prozent gesenkt.
Anleger rechnen damit, dass das Zinsstakkato weitergeht. Der portugiesische Notenbankchef Mario Centeno hatte einen größeren Schritt um einen halben Prozentpunkt ins Spiel gebracht.
Laut Wunsch ist es verfrüht, bereits jetzt über die Höhe von Zinsschritten zu sprechen: Es gelte, bis Dezember weitere Daten zu sichten. Überdies müssten die Auswirkungen von politischen Ereignissen und geopolitischen Gefahren beachtet werden: "Es wird in den USA Wahlen geben, und wir müssen auch sehen, wie sich der Konflikt im Nahen Osten entwickelt." (apa)