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EZB dürfte Leitzinsen erneut anheben

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor ihrer achten Zinsanhebung in Folge. Am Donnerstag (15. Juni) dürfte der geldpolitische Rat eine abermalige Erhöhung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte beschließen,
Michael Neubauer

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor ihrer achten Zinsanhebung in Folge. Am Donnerstag (15. Juni) dürfte der geldpolitische Rat eine abermalige Erhöhung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte beschließen, erwarten viele Bankvolkswirte. Der aktuell entscheidende Einlagensatz würde dann auf 3,5 Prozent steigen, der in den Medien häufiger genannte Hauptrefinanzierungssatz würde dann 4,0 Prozent betragen.

Spannend ist die Frage, welche Signale die EZB für die künftige Geldpolitik aussenden wird. Dass die EZB ihre Leitzinsen weiter anhebt, kann als nahezu sicher gelten. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat gut 50 Bankökonomen befragt - und kein einziger rechnet mit einem Stillhalten der Währungshüter. Grundsätzlich hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Richtung bereits vorgegeben, zuletzt allerdings etwas stärker auf die konjunkturelle Entwicklung als Richtschnur für geldpolitische Entscheidungen verwiesen. Neue Prognosen zu Wachstum und Inflation, erstellt vom Mitarbeiterstab, werden ebenfalls erwartet.

Die konjunkturelle Lage stellt sich derzeit zwiegespalten dar. So ist die Wirtschaft der Eurozone in den beiden vergangenen Quartalen jeweils leicht geschrumpft, womit die Bedingung für eine technische Rezession formal erfüllt ist. Allerdings ist die Entwicklung vor allem auf die schwache Lage in der größten Euro-Volkswirtschaft Deutschland und auf einen kräftigen Rückgang in Irland zurückzuführen. Die irischen Wachstumszahlen gelten allerdings als anfällig für Verzerrungen. In anderen großen Volkswirtschaften wie Frankreich, Italien oder Spanien stellt sich die Konjunkturlage stabiler dar.

Die Inflation ist sich unterdessen in den vergangenen Monaten auf hohem Niveau zurückgegangen - wovon bei der unterliegenden Kernteuerung allerdings kaum etwas zu sehen ist. EZB-Vertreter werden nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen. Selbst sehr vorsichtige Notenbanker wie das italienische EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta räumten vor diesem Hintergrund ein, dass der Straffungskurs der Notenbank noch nicht am Ende angelangt sei.

Unter dem Strich sind daher viele Fachleute der Ansicht, dass die EZB der Inflationsbekämpfung immer noch hohen Stellenwert einräumen wird. Die technische Rezession reiche nicht aus, um die Notenbank von einer weiteren Zinserhöhung abzuhalten, schreiben etwa die Volkswirte der Deutschen Bank. Ähnlich sehen es die Ökonomen von der großen US-Bank JPMorgan. Ein Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte am Donnerstag sei so gut wie sicher, erklärt Experte Greg Fuzesi.

Allerdings stellt sich die Frage, wie weit die EZB die Leitzinsen noch anheben wird. So deuten an den Finanzmärkten spezielle Terminkontrakte derzeit auf die Erwartung nur noch einer weiteren Anhebung nach Juni hin. In eine ähnliche Richtung geht die Einschätzung vieler Bankvolkswirte.

Der Zinsgipfel - oder zumindest eine Zinspause - scheint also näher zu rücken. Die Fachleute der Berenberg Bank nennen in einem Kommentar zwar mehrere Argumente für und gegen ein perspektivisches Stillhalten der EZB - aber auch sie rechnen mit einer vorerst letzten Anhebung im Juli.

Kommt es so, hätte die EZB ihre Leitzinsen innerhalb eines Jahres um 4,25 Prozentpunkte angehoben. Das ist historisch wie international betrachtet ein hohes Tempo. Die US-Notenbank Fed hat ihre Leitzinsen zwar stärker angehoben als die EZB, damit aber auch etwas früher begonnen. Ähnliches gilt für die Bank of England.

Die anderen beiden großen Notenbanken verhalten sich abweichend: Die japanische Notenbank macht noch immer keine großen Anstalten, von ihrer lockeren Linie abzuweichen, während die chinesische Zentralbank ihre Geldpolitik sogar lockert. Die Inflationsraten in den beiden asiatischen Ländern sind aber auch deutlich niedriger als in den westlichen Ländern. (apa)