Im Kampf gegen die nach wie vor hohe Inflation im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen zum neunten Mal in Folge erhöht. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag eine Anhebung um weitere 0,25 Prozentpunkte. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt damit auf 4,25 Prozent. So hoch war der Leitzins zuletzt zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008.
Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür künftig 3,75 Prozent Zinsen, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen haben die Währungshüter angesichts der hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 in einer beispiellosen Serie angehoben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte die neunte Erhöhung bereits in Aussicht gestellt.
Den weiteren Kurs der EZB ließ Lagarde indes offen. Im September könne es eine Erhöhung geben oder auch eine Pause, sagte Lagarde am Donnerstag auf der Pressekonferenz nach der Zinssitzung in Frankfurt. Eine Senkung sei jedoch ausgeschlossen. Ansonsten sei nichts "definitiv", vielmehr werde sich der EZB-Rat von der Datenlage leiten lassen. Die gesamte Führungsriege der EZB sei fest entschlossen, die Inflation in den Griff zu bekommen.
Die kurzfristigen Konjunkturaussichten im Euroraum haben sich Lagarde eingetrübt. Ursächlich dafür sei insbesondere die schwächere Binnennachfrage. Schärfere Finanzierungsbedingungen drückten auf die Ausgaben. Dies sei an der Industrieproduktion abzulesen, die auch unter dem schwachen weltwirtschaftlichen Umfeld leide. Der Dienstleistungssektor erweise sich als widerstandsfähiger, habe jedoch an Schwung verloren. "Es ist zu erwarten, dass die Wirtschaft kurzfristig schwach bleiben wird", so das Fazit der EZB-Chefin. Mit der Zeit würden fallende Inflationsraten und steigende Einkommen jedoch eine Konjunkturerholung stützen.
Auch die US-Notenbank Federal Reserve hatte im Kampf gegen die Inflation nachgelegt und am Mittwoch den Leitzins auf den höchsten Stand seit 22 Jahren angehoben. Der Leitzins liegt nun in der Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent.
Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Zwar schwächte sich die Inflation im Juni ab. Im Währungsraum der 20 Staaten lagen die Verbraucherpreise nach Angaben des Statistikamts Eurostat um 5,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im Mai war noch eine jährliche Teuerungsrate von 6,1 Prozent verzeichnet worden. Die Rate liegt aber weiterhin deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von zwei Prozent, bei dem die Notenbank Preisstabilität gewahrt sieht.
Höhere Teuerungsraten lassen die Kaufkraft der Menschen schwinden: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich für ihr Geld weniger leisten. Sie treten beim Konsum auf die Bremse. Das belastet das Wirtschaftswachstum, für das der private Konsum eine wichtige Stütze ist. Auf der anderen Seite verteuern steigende Zinsen Kredite für Unternehmen, weshalb die eine oder andere Investition ausfallen könnte. Auch das bremst die Konjunktur.
Sparerinnen und Sparer profitieren nach jahrelanger Flaute von steigenden Zinsen für Tagesgeld und Konsorten. Für Kreditnehmer wird es durch steigende Zinsen teurer, vor allem Bauherren bekommen das deutlich zu spüren. (apa)