Sloweniens Notenbankchef Bostjan Vasle erwartet Zinssenkungen der EZB bis in die Nähe eines Niveaus von 3 Prozent bis zum Jahresende. Dabei sei vorausgesetzt, dass die Inflation weiter wie erwartet zurückweiche, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Nacht zum Mittwoch am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington.
"Wir sollten viel näher bei 3 Prozent sein bis zum Jahresende, wenn alles nach Plan verläuft", sagte er. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt aktuell auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent.
EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sieht die Zentralbank noch nicht auf den weiteren Zinspfad festgelegt. Angesichts der aktuellen Lage sei es klar, dass die EZB datenabhängig und von Sitzung zu Sitzung vorgehen müsse, sagte der Stellvertreter von Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag im Europaparlament in Brüssel. "Mit diesem Ausmaß an Unsicherheit ist es sehr schwierig, eine Art Forward Guidance hinsichtlich der Zukunft zu liefern." Unter "Forward Guidance" werden in der Notenbank-Sprache konkrete Zinsprognosen der Währungshüter verstanden.
Für die Zinssitzung im Juni sind dagegen wichtige Weichen bereits gestellt. "Ich denke, wir habe uns sehr klar ausgedrückt," sagte laut de Guindos. "Wenn sich die Dinge so wie sie sich zuletzt entwickelt haben weiterentwickeln, werden wir im Juni bereit sein, die Restriktion zu verringern in unserem geldpolitischen Kurs." Dabei komme auf die Beurteilung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrundeliegenden Teuerung und der Schlagkraft der Geldpolitik an.
Die Inflation im Euroraum ist inzwischen auf 2,4 Prozent im März gesunken. Damit ist das Ziel der EZB einer Teuerung von 2,0 Prozent in greifbare Nähe gerückt. Eine Reihe von Währungshütern hat bereits auf den Juni als möglichen Termin für eine erste Zinssitzung hingewiesen.
Ein Grund zur Vorsicht ist für Vasle allerdings die Entwicklung im Nahen Osten. Der Iran hatte am vergangenen Wochenende als Reaktion auf den Israel zugeschriebenen Angriff vom 1. April auf sein Botschaftsgelände in Damaskus mehr als 300 Drohnen und Raketen gen Israel geschickt. Nun herrscht Sorge vor einer Eskalation der Spannungen, was auch wirtschaftliche Folgen haben könnte. (apa)