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EZB-Vertreter sehen weitere Zinserhöhungen eher skeptisch

Rückläufige Inflation als Argument - Einige EZB-Vertreter wollen allerdings Tür für weitere Zinsanhebungen offen halten
Patrick Baldia
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© Nitschmann, Hans-Joachim | EZB-Vertreter verwiesen unter anderem auf die rückläufige Inflation und argumentierten, dass die EZB den Zinshöhepunkt wohl erreicht habe

Nach Äußerungen mehrerer Notenbanker halten Experten weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für vorerst eher unwahrscheinlich. EZB-Vertreter verwiesen unter anderem auf die rückläufige Inflation und argumentierten, dass die EZB den Zinshöhepunkt wohl erreicht habe. Die Chancen für eine erneute Zinserhöhung bis Jahresende würden nur noch mit 1:4 bewertet. Eine Zinssenkung im ersten Halbjahr 2024 werde als gut möglich eingestuft.

Einige EZB-Vertreter wollen allerdings die Tür für weitere Zinsanhebungen offen halten. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sprach sich hingegen im "Handelsblatt" am Donnerstag gegen eine weitere Erhöhung aus. Seit der September-Zinssitzung habe die EZB gute Inflationszahlen und einen starken Anstieg der langfristigen Zinssätze gesehen. Die Finanzierungsbedingungen verschärften sich. "Deshalb glaube ich, dass es derzeit keine Rechtfertigung für eine weitere Anhebung der EZB-Zinsen gibt." Die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen der Euro-Länder waren zuletzt deutlich gestiegen. Italiens zehnjährige Staatsbonds hatten am Mittwoch zeitweise eine Verzinsung von 5,024 Prozent erreicht - das höchste Niveau seit November 2011.

Aus Sicht der Kreditanalysten Barnaby Martin und Ioannis Angelakis von der Bank of America haben sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen schon deutlich verschärft. "Wir glauben, dass die Geldpolitik bereits straff ist - wahrscheinlich zu straff - für eine Wirtschaft in der Eurozone mit einer potenziellen Wachstumsrate von etwas über einem Prozent." Die EZB erwartet für 2023 nur ein schmales Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent und 2024 von 1,0 Prozent.

Portugals Notenbankchef Mario Centeno sagte am Mittwoch, man könne davon ausgehen, "dass der Zinserhöhungszyklus mittlerweile und unter den gegenwärtigen Bedingungen abgeschlossen ist". Auch sein EZB-Ratskollege Peter Kazimir, Notenbankchef der Slowakei, erklärte, dass die Zinsanhebung im September wahrscheinlich vorerst die letzte gewesen sei.

Doch einige Währungshüter wollen die Möglichkeit erneuter Anhebungen nicht vom Tisch wischen. So warnte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Freitag in der kroatischen Zeitung "Jutarnji List" davor, die Inflation vorzeitig für besiegt zu erklären. Es könnte zu neuen Schocks kommen - Risiken müssten sorgfältig beobachtet werden. "Sollten sie Realität werden, könnten irgendwann weitere Zinserhöhungen notwendig werden." Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte bereits erklärt, die Inflation sei noch nicht besiegt. Die EZB müsse daher ihren restriktiven Kurs fortsetzen, bis sicher sei, dass die Teuerung wieder zum mittelfristigen EZB-Zielwert von zwei Prozent zurückkehre. (apa)